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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0221

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— 213 —

weiter ausbreitet, müssen sich die verschiedenen Gebiete, in
denen der gottsuchende Geist das Höchste gefunden zu haben
glaubt, mit einander berühren, sie fliessen in einander, er kommt
vom Einzelnen zum Allgemeinen, Allumfassenden, Unumschränk-
ten, Höchsten, Ewigen und Unendlichen. Von der Vielheit der
Erscheinungen kommt er zu der Einheit, die im Kern und
Grunde all der Vielheit verborgen liegt.

Wir sahen darum zuletzt einen monotheistischen Drang
erwachen. Einer musste es doch gewesen sein, der all das
Viele geschaffen, und man nannte ihn Vigvakarman, den All-
schöpfer. Einer musste es doch sein, der goldene Keim der
Welt, der Erd und Himmel stützte, dessen Gebot die Götter
ehren, der über Alles herrscht, den Schneegebirg und Meer in
seiner Macht anerkennen, dessen Arme die Himmelsgegenden
sind, der der Lebenshauch der Götter selbst ist, — wer ist
der Gott, den wir mit unserem Opfer ehren? so fragte der
fromme Dichter. Und der letzte Vers desselben Liedes, viel-
leicht ein später zugefügter, giebt ihm den Namen Prajäpati,
der Herr der Geschöpfe.1

Wir sahen dann in den prosaischen Theilen des schwarzen
Yajurveda, in den ältesten Brähmana's die Gestalt dieses Prajä-
pati, der den älteren Hymnen des Eigveda völlig fremd ist,
mehr und mehr in den Vordergrund treten. Er ist es, der
Götter und Asuren geschaffen.2 Prajäpati wird als der Schöpfer
der Welt und der Wesen gefeiert.

Wir sahen in den formlosen Anfängen theologischer Specu-
lation wieder in anderer Gestalt jenes Suchen nach dem Einen,
dem Gemeinsamen in der Vielheit, sich offenbaren. Die Sprache
jener Zeit, die Sprache der Opfersymbolik findet in den ein-
zelnen Theilen des Opfers bald diesen, bald jenen Gott, bald
dieses oder jenes Ding, diesen oder jenen Begriff. Und weiter-
gehend nennt das Denken jener Tage das Eine mit dem Namen
des Anderen, findet das Eine in dem Anderen, aber auch in
noch einem Anderen, einem Dritten, völlig Anderen, und so
fort, bis es kaum noch Unterschiede zu geben scheint. Es
findet den einen Gott in einem anderen und auch in einem
dritten Gotte wieder, findet ihn in der Sonne, dem Jahre, den
Wassern, in Himmel und Erde, den Kräutern und dem Vieh;

1 Die beschränkte und wunderliche Theologie der Folgezeit erfand
auf Grund dieses Liedes (RY 10, 121) einen besonderen Gott „Ka" oder
„Wer",' weil es ja eben heisst „wer ist der Gott" u. s. w. (kasmäi de-
väya havishä vidhema?) Dieser Gott Ka oder Wer ist Prajäpati.

2 Vgl. Qat. Br. 14, 4, 1, 1 dvayä ha präjäpatyäh, deväg cäsurä§ ca /
 
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