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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0348

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— 342 —

Marats, der Sturmgötter, repräsentirt die tosende und ver-
heerende Gewalt des Sturmes. Er wird gedacht als bewehrt
mit starkem Bogen und raschem Pfeil, und gefürchtet ist sein
Geschoss, mit dem er die Bösen vernichtet. Immer wieder be-
gegnet uns die angstvolle Bitte: Des Rudra Waffe möge uns
verschonen! Er möge Menschen und Vieh nicht verderben! —
Rudra wird geschildert als röthlich oder braun,1 mit goldenem
Schmuck geziert, das Haar geflochten oder in Form einer
Muschel aufgewunden tragend,2 eine Tracht, die in vedischer
Zeit auch sonst bei männlichen Personen erwähnt wird3 und
bei diesem Gotte nach Roth wohl auf die im Knäuel geballteil
dunklen Wolken zu deuten ist.4 WTir werden sehen, dass die-
selbe Haartracht auch bei Gott Civa uns wieder begegnet.

Neben dieser furchtbaren und schrecken'erregenden Seite
seines Wesens zeigt Gott Rudra aber auch eine gütige und
wohlthätige, dieselbe, die die späteren Namen Civa und Camkara
besonders hervorheben. Er wird nicht nur der Stärkste unter
den Starken genannt, sondern auch der allerbeste Arzt,5 der
reich versehen ist mit den trefflichsten Heilmitteln und an-
gefleht wird, Noth und Leid zu lindern. Nach ihm sehnt sich
der Fromme wie ein Knäblein nach des Vaters Grass. Es ist
mit dieser heilenden und beglückenden Eigenschaft, die in
Rudra neben seiner Schrecklichkeit liegt, ursprünglich wohl die
heilsame, reinigende, schlechte Stoffe der Atmosphäre fort-
schaffende Seite der Stürme gemeint.

Hören wir einen Hymnus des Vasishtha an Rudra! Er
singt6:

1. Bringet die Lieder dar dem Rudra mit starkem Bogen und
schnellem Pfeil, dem selbstherrlichen Gotte, dem unbesiegbaren, sieg-
reichen, trefflichen, der mit scharfer Waffe bewehrt ist! Erhören mög
er uns!

2. Von seinem Sitze sclaut er mit Seibstherrschermacht herab auf
irdische und himmlische Geschlechter; o nahe dich freundlich unsern
Häusern, die dich lieben! Nahe dich, o Rudra, unsern Kindern ohne Leid!

3. Mög uns verschonen dein Blitz, der vom Himmel herabgeschleudert
über die Erde hinfährt! Du, vielersehnter, hast ja tausend Heilmittel,
— nicht schädige uns an Kind und Kindeskindern!

4. 0 Rudra, triff uns nicht, gieb uns nicht preis! Nicht möge dein
Zorn losstürmen gegen uns! Schenk uns die heilige Opferstreu und Preis
unter den Lebendigen! Ihr Götter schirmet uns in steter Wohlfahrt!

1 arusha oder babhru.

2 kapardin; vgl. das Petersb. Wörterbuch unter diesem Worte.

3 Vgl. oben p. 37.

4 S. Lassen, Ind. Alt. I2, p. 901.

5 bhishajäm bhishaktama RY 2, 33, 4.

6 RY 7, 46.
 
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