Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0361

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 355 —

In ihrem Ursprung, wie wir gesehen haben, sehr von ein-
ander verschieden, behauptet doch Jeder von ihnen unabhängig
seine Würde.

Brahma ist in seiner Eigenschaft als grosser Gott der
älteste unter den dreien. Er gehört bereits durchaus der alten
epischen Poesie an, spielt in den älteren Partieen des grossen
Epos seine Rolle, während die Verherrlichung Yishnu's und
Qiva's als höchster Götter vielmehr in jüngeren Theilen des-
selben hervortritt.1

Im Mahäbhärata erscheint Brahma als das personi-
ficirte Schicksal und Orakel der Götter. In erhabener Ruhe
thront er auf seinem Herrschersitz und steht den Göttern mit
seinem Rathe bei, die sich in jeder Bedrängniss zu ihm als
ihrem Schutz und Hort flüchten. Er kennt nicht nur das Ver-
gangene, sondern auch die Zukunft und weiss den Göttern
stets das geeignete Mitte) an die Hand zu geben, um sich aus
der Verlegenheit zu helfen; doch greift er selbst nicht han-
delnd ein.

„In allen alten Stücken dieser Art — sagt Holtzmann2 —
ist nicht nur der allgemeine Verlauf derselbe, sondern auch
der Ausdruck im Einzelnen: die Götter kommen durch einen
Asura oder durch einen büssenden Heiligen in Bedrängniss, sie
wenden sich an Brahma, welcher -sitzend und lächelnd, wie
etwa ein Grossvater3 die kleinen Leiden seiner Enkel anhört,
ihre Klagen entgegennimmt und, nachdem er einen Augenblick
nachgedacht, ihnen die Mittel anweist, wie sie dem Uebelstande
abhelfen können; wobei er regelmässig erklärt, er habe diesen
Unfall schon lange vorhergesehen und auch die Abhülfe schon
gefunden. Aber die Ausführung überlässt er den Göttern." Er
tritt aus seiner beschaulichen Ruhe nicht heraus.

Brahmä erscheint im grossen Epos als Lehrer und als
der Herr der Götter, die nur unter seiner Autorität ihre Herr-
schaft ausüben.4

Er ist der Schöpfer der Welt und viele Naraeü. feiern
ihn als solchen.5 Eine entschieden jüngere, speciell vishnuitische
Darstellung ist die, dass Brahmä die Welt im Auftrage des

1 Man vgl. den werthvollen Aufsatz von Ad. Holtzmann, „Brah-
man im Mahäbhärata", Ztschr. d. D. M. Gr. XXXVIII, p. 168.

8 In seinem eben erwähnten Aufsatz p. 168.

8 pit&maha, einer seiner häufigsten Namen.

* Ygl. Holtzmann, a. a. 0. p. 177. 178.

5 So heisst er lokakrit, lokakartar, sarvalokakrit, jagatsrashtar.
Ygl. Holtzmann a. a. Ö. p. 180.

23*
 
Annotationen