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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0434

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— 426 —

Artikel darüber verdanken,1 sagt, die indischen Kasten ent-
sprächen — Brahmanen und Räjputen (d. h. Adlige) ausge-
nommen — „den geschlossenen Gilden, welche im Mittelalter
eine so grosse Rolle spielten."2

Die Spaltung in weitere Unterkasten je nach der Be-
schäftigung nimmt nach Schlagintweit noch jetzt beständig
ihren Fortgang.3 Es giebt ihrer gegenwärtig mehr als vor
einem halben Jahrhundert, und jede neue Zählung bringt ihrer
mehr zu Tage. Auch das religiöse Sectirerwesen hat an diesen
weiteren Spaltungen keinen unwesentlichen Antheil.4

Dass übrigens die Viertheilung der Kasten schon in der
alten Zeit eine vorwiegend theoretische Bedeutung hatte und
das Bild sich in Praxi wesentlich anders ausnahm, scheint mir
ausser Anderem auch daraus hervorzugehen, dass die griechischen
Beobachter, denen wir entschiedenen Scharfblick nicht ab-
sprechen können > uns die Zahl der indischen Kasten oder
— wie sie sich ausdrücken — der Stämme nicht auf vier,
sondern auf sieben angeben. Es seien dies nämlich 1) der
Stamm der Weisen; 2) die Beamten; 3) die Aufpasser oder
Spione, die das Land im Auftrag des Königs überwachen;
4) die Krieger; 5) die Künstler, Handwerker und Kauf-
leute; 6) die Bauern; 7) die Jäger und Hirten. Diese
sieben Stände hätten kein Connubium unter einander und
Niemand dürfe aus einem in den anderen übertreten.5

Unter der letzten Klasse, den Jägern und Hirten, dürften
wohl jene unarischen Stämme zu verstehen sein, die das Ge-
setzbuch als Mischkasten bezeichnet und denen es diese Be-
schäftigungen zuweist. Wenn aber auch die „Beamten" und
die „Aufpasser" als besondere Stände neben die Weisen,
Krieger u. s. w. gestellt werden, so war dabei offenbar ihre
besondere Berufsart maassgebend. Was die Griechen gerade
zur Angabe der Siebenzahl brachte, ist nicht genügend auf-
ehellt; dass sie aber keine ständische Viertheilung wahrnahmen,
geht jedenfalls klar daraus hervor.

1 „Ostindische Kaste in der Gegenwart" von Emil Schlag-
intweit in der Ztschr. d. D. Morg. Ges. Bd. XXXIII, Heft IY, p. 549 flg.

2 S. Schlagintweit, Indien, I p. 55.

3 „Gegenwärtig bildet jede Beschäftigung eine Kaste." Schlagint-
weit. Indien I p. 56.

4 Schlagintweit, Indien, I p. 56.

5 S. Duncker, a. a. 0. p. 316—318.
 
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