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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0436

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— 428 —

man früher glaubte, zum Opfer herbeikamen, — vielmehr
musste man sie sich doch irgendwo auf der weiten Reise der
Seelenwanderung denken, wo sie die Anrufung des Nachkommen
nicht vernehmen, also auch nicht zum Mahle kommen konnten.
Indessen, merkwürdig genug, die alte Sitte, der alte Glaube,
sie erwiesen sich mächtiger als diese Ueberlegung. Man hielt
an dem Ahnencultus fest, und die Brahmanen suchten sich die
Sache zurecht zu legen, indem sie lehrten, die Todtenopfer
seien nöthig, um die Seelen der Vorfahren aus einer bestimmten
Hölle zu befreien.1

Jedes Mitglied der drei oberen Kasten hatte täglich durch
eine, übrigens sehr einfache, Ceremonie die Ahnen zu ehren.2
Ausserdem aber fanden zu bestimmten Zeiten und bei gewissen
Gelegenheiten grössere Opfer, Todtenmahle oder Gedächtniss-
opfer an die abgeschiedenen Geister der Vorfahren statt, bei
welchen einer oder mehrere Priester fungirten.3 Diese berei-
teten die Leichenkuchen aus Reis und Butter und nahmen be-
stimmte Spenden als Stellvertreter der Ahnen in Empfang.4
Ausser den Leichenkuchen wurden auch noch andere Speisen
dargebracht, so verschiedene Sorten von Fleisch, welche je nach
ihrer Qualität die Geister für längere oder kürzere Zeit be-
friedigten.5

Diese Opfer galten für so unerlässlich, dass Männer, welche
keine leiblichen Söhne hatten, durch Adoption welche annahmen,
damit dieselben nach ihrem Tode für sie den Leichenkuchen
darbringen könnten.6

Es gab übrigens noch einen anderen Weg, auf welchem
der kinderlose Mann" zu einem Sohn gelangen konnte, nämlich
durch die sogenannte Levirats-Ehe (Niyoga). Diese bestand
darin, dass die Frau, resp. die Wittwe durch den Schwager
oder einen anderen nahen Anverwandten einen Sohn zu er-

1 Es ist die Hölle Put; vgl. Manu 9, 138.

2 Pitriyajna, eines dfer fünf täglich darzubringenden sogen, grossen
Opfer. Vgl. über diese Ceremonie Müller, Indien in s. v. Bd. p. 198. 199.

3 Es waren dies die sogen. Pindapitriyajna und Qräddba-Opfer.
Vgl. Näheres über dieselben bei M. Müller a. a. 0. p. 197—208. —
Ueber das Pindapitriyajna hat 0. Donner eine Monographie veröffent-
licht (Pindapitriyajna, Das Manenopfer mit Klössen bei den Indern, 1870).

4 Nämlich bei den sogen. Qräddha-Opfern. Bei diesen stellten die
Brahmanen das Opferfeuer vor, in welches die Gaben geworfen werdeu
sollten. Ygl. Apast. 2, 16, 3. Müller a. a. 0. p. 208.

5 Vgl. oben p. 407 Anm. .

6 Es gab verschiedene Arten der Adoption. Man kann darüber
vergleichen Jolly, Outlines of an History of the Hindu Law p. 156 flg.
 
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