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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0524

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— 5Jß —

unregelmässig flectirten Formen vorzuführen! Ein noch wunder-
bareres Kunststück ist aber das Räghavapändaviyam des
Kaviräja, das jedenfalls erst nach dem zehnten Jahrhundert
verfasst ist. Dieses Gedicht behandelt nämlich — mirabile
dictu — in denselben Worten zugleich die Fabel des Rämäyana
und die des Mahäbhärata,1 was natürlich nur durch eine Un-
menge doppelsinniger Worte und Wendungen zu Wege gebracht
wird. Es wird sich kaum aus anderen Literaturen dem Etwas
würdig an die Seite stellen lassen.

Zum Schluss sei noch ein episches Gedicht in Präkrit er-
wähnt, das dem berühmten Kälidäsa zugeschrieben wird: der
Setubandha2 oder Rävanabadha, welches die Geschichte Räma's
behandelt.

Der deutsche Leser wird durch diese Uebersetzung vielleicht am ehesten
sich einen Begriff machen können von der Dichtungsart der jüngeren
Kävya. Beispielsweise höre man ein paar Strophen des ersten Gesanges:

Hört denn von Nal, dem gewaltigen Herrn und Gebieter der Ni-
schada-Länder,

Dem schlanken, hochgestaltigen Volksbehtiter und Gabenspender,

Der edel, weise - geschäftig ob seinem Reiche waltete,

Und die Schädel der Feinde kräftig mit einem Streiche spaltete.

Der Keinem an Schönheit Weichende,

Dem Gotte der Liebe Gleichende,

Zermalmte kämpfend die brausenden
Heeresreihen zu Tausenden.

In Wagenlenkung, in Waffenschwenkung
Kam Keiner ihm gleich, dem grössten der Fürsten;

Vergessend der Kränkung, liess ohne Tränkung
Den Feind er, den hülfentblössten, nicht dürsten.

Verdrossen war nie sein Geist, sein klarer;

Entsprossen von Virasena war er,

Entschlossen als Land- und Meerbefahrer,

Genossen und Freunden ein Schirmer und Wahrer.

Im Ruhme des Sieges durchzog er das Land,

Die „Blume des Krieges", so ward er genannt u. s. w.

1 S. Weber, a. a. 0. p. 213 Anm.

* Präkrit und Deutsch, herausg. von S. Goldschmidt (1880—1884).
Zwei Capitel desselben waren schon früher (1873) von P. Goldschmidt
veröffentlicht. — Ueber den Anlass des Kälidäsa zu diesem Gedicht und
seine Beziehung zu König Pravarasena von Kaschmir, dem Erbauer einer
berühmten Schiffsbrücke über die Vitastä (d.i. Hydaspes),-vgl. M. Müller,
Indien in s. weltgeschichtl. Bed. p. 274. — Das Gedicht ist im Mahä-
räsbtri-Dialekt geschrieben.
 
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