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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0572

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— 564 —

erzählt, dass Bhartrihari von der Lehre des Qäkya-Sohnes er-
griffen buddhistischer Mönch geworden sei, aber nach einiger
Zeit, von Weltlust erfasst, wieder Laie wurde und nun zwischen
beiden Ständen hin und her schwankte, so dass er schliesslich
siebenmal Mönch geworden war und siebenmal zur Laienschaft
zurückkehrte. Er tadelte sich selbst wegen dieser Unbeständig-
keit, war aber offenbar nicht im Stande derselben Herr zu
werden.1 Wir besitzen von ihm drei Qataka's oder Centurien
vorzüglicher kleiner Gedichte, von denen die zweite und dritte
Centurie, der Lebensweisheit und Weltflucht gewidmet, durch
Geist und einen überlegenen Humor ausgezeichnet sind; wir
werden ihrer später bei Besprechung der gnomischen Poesie
zu gedenken haben. Hierher gehört nur die erste Centurie,
das Qringära£atakam, welches die Liebe in graciösen und
gedankenvollen Gedichtchen behandelt.? Der Dichter versteht
sich auf die Reize der Frauen und die weibliche Koketterie,
mit der sie die Herzen der Männern fesseln. So sagt er: '

Die reizenden Brauen, die Seitenblicke, — die liebevollen Reden,
dgis verschämte Lächeln, der erkünstelt langsame Gang, und darauf das
Stillstehen sind der Weiber Schmuck und Waffen zugleich.3 — Oder
auch: Ein leises Lächeln auf den Lippen, ein Reichthum an geraden
und beweglichen Blicken, ein sanfter Fluss der Rede, welchem Worte
jugendlicher Ausgelassenheit besondern Reiz verleihen, die Art und Weise
aufzubrechen, ein Ueberfluss an üppigen Spielen und Scherzen: was ist
denn hier auf Erden nicht entzückend an einer Gazellenäugigen, die an
die erste Jugend streift?4

1 Diese interessanten Nachrichten über die Person Bhartrihari's
verdanken wir Max Müller's geistvollem Excurs über „die Renaissance
der Sanskrit-Literatur" in seinem Buche „Indien in seiner weltgeschichtl.
Bedeutung" p. 302 flg. Daselbst findet man auch ein Gedicht angeführt,
in dem Bhartrihari sich selber tadelt, weil Laienschaft und Priesterthum
mit ihm wie mit einem Kinde spielten; desgl. eine hübsche kleine Ge-
schichte, wie er, als Mönch im Kloster lebend, einen Studenten veran-
lasst habe, ihm einen Wagen ausserhalb des Klosters bereit zu halten
für den Fall, dass die weltlichen Leidenschaften zu stark in ihm die
Oberhand gewinnen möchten. (NB. Es war den buddhist. Mönchen ge-
stattet, wieder aus dem Kloster auszuscheiden.)

2 Bhartrihari wird wiederholt auch als Autor des sehr künstlichen
Bhattikävya genannt. Vgl. oben. M. Müller a. a. 0. p. 305. Die drei
Centurien des Bhartrihari sind von P. v. Bohlen herausgegeben (Bhar-
triharis Sententiae, Berlin 1833); von demselben metrisch ins Deutsche
übersetzt (Hamburg 1835).

3 Bhartrih. a. a. 0. 3. Ind. Spr. 2081. Die prosaischen Ueber-
setzungen im Folgenden sind meist nach Böhtlingk's „Indischen
Sprüchen" gegeben; die metrischen stammen von mir.

* Bhartrih. a. a. 0. 6. Ind. Spr. 3318.
 
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