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Schroeder, Leopold von
Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung: ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.16152#0761

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— 753 —

Es liegt dies theils an der überaus phantastischen, ab-
strusen, ja wüsten und verworrenen Art, wie die musiktheore-
tischen Werke der Inder ihren Gegenstand behandeln, theils
auch daran, dass musikkundige Europäer erst in neuerer Zeit
die Musik der Inder kennen zu lernen gesucht haben und uns
die Gewähr dafür fehlt, wie weit die moderne Musik daselbst
der echten altindischen Musik entspricht, wie weit sie vielleicht
von andern Völkern, namentlich durch die Europaer, beeinflusst
sein mag. Der ganze Gegenstand ist bisher noch keineswegs
genügend untersucht und es wäre wohl möglich, dass gründ-
lichere Studien und Beobachtungen auf diesem Gebiete uns mit
der Zeit zu einem besseren und klareren Urtheil verhelfen, als
wir es leider gegenwärtig abzugeben im Stande sind.

Es ist bemerkenswerth, dass die Inder schon in gewissen
Werken, die als Anhang der vedischen Literatur (als sogenannte
Vedäüga) gelten und zwar nicht uralt, aber auch nicht ganz
jung sein können, in der sogenannten Qikshä und im Chandas
die sieben Töne der Oetave unterscheiden und ihnen bestimmte
Namen geben.1 Der Kürze wegen werden diese sieben Töne
sodann mit den zum Theil etwas modificirten Anfangsbuchstaben
ihrer Namen bezeichnet2: sa, ri, ga, ma, pa, dha, ni; und diese
Bezeichnung scheint, wie schon Bohlen und Benfe)' darge-
legt haben,3 von Indien aus zu den Persern und weiter zu den
Arabern übergegangen zu sein, von welchen sie dann — schon
einigermaassen umgestaltet — durch Guido von Arezzo im
elftsn Jahrhundert in die europäische Musiktheorie eingedrungen
wäre. Dem indischen sa ri ga ma pa dha ni steht bei den
Persern die Scala da re mi fa sa la be gegenüber, und daraus
hätte sich das europäische ut re mi fa sol la si entwickelt.4

Diese aus sieben Tönen bestehende Scala wird Gräma5
oder Svaragräma genannt, und die ganzen Töne derselben wer-
den weiter in halbe und Vierteltöne eingetheilt, worüber man
Näheres bei Ambros, Gesch. der Musik I, p. 50 flg. einsehen

1 Vgl. Weber, Ind. Lit., 2. Aufl., p. 291. Haug, Ueber Wesen
und "Werth des vedischen Accents, p. 58. 59.

% Es sind die Namen shadga, rishabha, gändhära, madhyama, pan-
cama, dh&ivata, nishäda. Vgl. Haug, a. a. 0. p. 59.

s Ygl. Bohlen, Das alte Indien II, p. 195 (i. J. 1830); Benfey,
Ersch und Grubers Encyklopädie, vol. XVII, p. 299 (Artikel Indien; 1840).

4 Vgl. auch Webor, a. a. 0. p. 291.

8 Die Guidonische Bezei&mung Gamma für Tonleiter geht aller
Wahrscheinlichkeit nach auf das indische Gräma, in einer volkssprach-
lichen, prakritisirten Fora Gäma, zurück.

v. Schröder, Indiens Lit. o. Cult. 48
 
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