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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 14.1923

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Zehntes Heft
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Schreyer, Lothar: Erziehung der künstlerischen Kräfte
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https://doi.org/10.11588/diglit.47213#0175

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gegen die Berufskünstler, die im Irrtum
leben. Selbst den Irrtum nicht mitmachen.
Unsere künstlerische Kraft wirken lassen in
Arbeit, die Handlung der verkündeten Ge-
setze ist. Es darf uns nicht genügen, im
Kunstwerk die Gesetze zu verkünden. Wir
müssen die Gesetze über das Kunstwerk
hinaus in der geordneten Materie betätigen.
Der Verkünder des Wortes wird ein Voll-
bringer seiner Worte sein. Der Mensch
ordnet sich und die Gemeinschaft. Um
das Ziel zu erkennen, müssen wir zuerst
wissen, dass die Ordnung unter Menschen
die Liebe ist, und nur durch die Liebe die
Menschen geordnet werden können.
2. Es wird keine Kunstschulen
mehr geben.
Alle Schulen, die den Berufskünstler er-
ziehen, sind schon heute überflüssig. Mit
der Gründung der ersten Kunstgewerbe-
schule wurde das sinnfällig. Leider war
es in wenigen Jahren vergessen, sodass
diese Schulen immer berufskünstlerischer
wurden, und heute eine ordentlichere, also
künstlerischere Arbeit an den Gewerbe-
schulen geleistet wird. Die programma-
tische Vereinigung von Kunstakademie
(expressionistischer Künstler) und Kunst-
gewerbeschule brachte dann das Staatliche
Bauhaus in Weimar. Wir wissen heute,
dass diese Vereinigung gegen die Vernunft
war. Denn es wurde versucht, einen
fehler mit einem zweiten Fehler zu korri-
gieren. Es wird keine Bauhäuser geben,
ebensowenig wie Akademien und Kunst-
gewerbeschulen. Aber in jeder Schule
werden die Kinder von klein auf die Ge-
setze der künstlerischen Gestaltung erlernen
und in eigener schöpferischer Arbeit er-
leben. Wie ein Lehrer auch im Lesen
und Schreiben unterrichtet, so wird ein
Lehrer auch in der Harmonielehre der
Kunstgeslalt unterrichten. Und dieser Unter-
richt wird der Mittelpunkt des ganzen
Schultages sein. Denn die Gesetze des
inneren Lebens werden hier unmittelbar
erkannt.
Was sollen wir dazu tun? Den Irrtum auf-
decken. Nicht mehr mitarbeiten an den
Kunstschulen. Dazu helfen, dass die Volks-
schule eine Einheitsschule und Gemein-
schaftsschule der künstlerischen Kräfte
werde.

3. Es wird keine Kunstkritiker
mehr geben.
Der Mensch wird nicht mehr über, der
Arbeit eines anderen als Richter urteilen?
Er wird selbst schöpferisch sein und die
Schöpferkraft des anderen erleben. Urtei-
len wird nur der Schöpferische über sich
selbst. Nur er kann und wird seine Irr-
tümer und Fehler verdammen, weil nur er
selbst sie beseitigen kann. Er wird seine
kritische Fähigkeit positiv wenden und sie
der Kunstwissenschaft nutzbar machen. Die
Kunstwissenschaft sammelt und ordnet die
Gesetze, die im Kunstwerk gestaltet sind.
Die Kunstwissenschaft gibt die Harmonie-
lehre der Kunstgestalt. Durch die Harmo-
nielehre hat der Lehrer die Begriffe, sein
Wissen von der Kunst mitzuteilen. Sie ist
die allgemeine Kenntnis der Gesetze der
künstlerischen Kräfte. Anstelle der Kritik
über Künstler und Kunstwerke haben die
Menschen Hingabe an die eigene Arbeit und
Hingabe an den anderen Menschen.
Was sollen wir dazu tun? Die Kunstkritik
nicht beachten. Nur Richter über sich
selbst sein. Wissen, dass die Kraft der
Begabung Sache des Charakters ist. Mit-
arbeiten an der Sammlung und Ordnung
der künstlerischen Kräfte. Die Harmonie-
lehre der Kunstgestalt aus dem Leben er-
kennen. Im Urteil über sich das Ur-Teil
des Ganzen finden und sich so allem
Schöpferischem verbinden.
4. Es wird keinen Kunsthandel
mehr geben.
Da es keine Berufskünstler mehr geben
wird, geht die Kunst nicht nach Brot. Da
alle Händler Künstler sein werden, wird
es weder Ausbeutung noch Unterdrückung
der künstlerischen Kräfte geben. Die Ge-
meinschaft von Künstlern kann und wird
es nicht dulden, dass irgend ein Kunstwerk
Spekulationsobjekt wird. Die Kunstwerke
sind grundsätzlich Geschenke. Werden sie
durch einen geordneten Handel Handels-
objekte, so wird der Handel keinen Gewinn
erzielen aus einem besonderen Kunstwert.
Die unterschiedlichen Werturteile haben
aufgehört Das Werk ist ein Kunstwerk
oder nicht. Der Händlerertrag wird vom
Händler aus seiner eigenen Tätigkeit, nicht
aus der des Künstlers erzielt.
Was sollen wir dazu tun? Nicht mit den
Kunsthändlern arbeiten, denen die Kunst

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