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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 31 - Nr. 40 (5. November - 15. November)
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olkszertung"

L — MLitwoch, 8. November IMS.

Marx, Lenim mrd die DiktsLur
des PrÄLeLsriKts.
Von Heinrich C'unow.
I. Dis Entstehung der MitedMaLur.
Seit der Novemberrevolution wird in der sozialiftisckcn
Preße em heftiger Kampf um die Frage: Demokratie oder
proletarische Diktatur ausgefochten. In verständlicheres
Deutsch übersetzt heißt das: Soll Deutschland von einem
aus allgemeinen gleichen Wahlen hervorgegangenen Parla-
ment und einer von den Mehrheitsparteien dieses Parlaments
erwählten Regierung, oder diktatorisch von einem aus den
Arbeiterräten gewählten Vollzugsrat regiert werden? Be-
reits ist über diese Frage eins ansehnliche Broschürenliteratur
entstanden. Durchaus begreiflich, denn wenn wir auch zur
Zeit ein demokratisch-parlamentarisches Regime im Reich
und den Einzslstaaten haben, so machen doch die Kommu-
nisten oder Spartakisten die größten Anstrengungen, die
parlamentarische Regierung zu stürzen und das sog. Räte-
system zu verwirklichen, das heißt jene Diktatur des Prole-
tariats, wie sie heute noch in Rußland besteht, und die
Gefahr, daß es diesen Elementen' im Winter gelingen wird,
hier und dort in Großstädten oder Jnduftrierevieren zeit-
weilig die Macht an sich zu reißen, darf keineswegs unter-
schätzt werden.
Das Asbeiterrätesystem stammt ans Rußland, und
zwar ist es nicht erst, wie vielfach in den Zeitungen be-
hauptet wird, in der jetzigen russischen Revolution entstanden,
sondern schon zu Beginn der russischen Revolution der Jahre
1905/06. Es war am 2. Oktober 1905, als in Moskau in
einigen großen Druckereien ein Sstzerftreik ausbrach, der
infolge der in den Arbeitskreisen herrschenden Gärung
schnell auf eine Reihe anderer Gewerbe Übergriff und auch
die Eisenbahnbetriebe dermaßen in seinen Bereich zog, daß
am 20. Oktober bereits alle nach Moskau führenden Eisen-
bahnbetriebe stillstanden. Und immer weiter dehnte sich das
Streikfieber nach Westen und Norden aus. Am 15. Oktober
1905 begann auch in Petersburg der Streik und am
25. Oktober ruhte schon auf sämtlichen Petersburger Eisen-
bahnlinien die Arbeit, nur auf der Finnländischen Bahn
verkehrten noch einige Züge.
In der Bevölkerung entstand eine starke Gärung. Durch
die Hauptstraßen Petersburgs drängten sich große Volks-
mengen und mehrfach kam es zu blutigen Zusammenstößen
mit der Polizei. Zwischen den Streikenden aber fehlte der
Zusammenhang. Eine ZenLralleikmg wär «Lcht vor-
handen. Die geheime sozialdemokratische Organisation um-
faßte nur ungefähr 300 Mitglieder, und diese hatten in
vielen Fabriken fast gar keine Autorität. Und noch schwächer
war die Organisation der Sozialrevolutionäre.
Die Lage erforderte dringend eins aus der Masse her-
vorgegangene von dieser respektierte Oberleitung. Aber wie
war sie zu schaffen? Eine «msaffe«de Organisation der
Arbeiter, die als Grundlage hätte diene« kö»«sn,
fehlte. So kam man auf den Gedanken, daß die Arbeiter
der großen streikenden Fabriken und Werkstätten rasch aus
ihrer Mitte Delegierte wählen und diese zu einem Arbeiter-
delegiertenrat zusammentreten sollten. Das geschah. Am
28. Oktober 1805 konstituierte sich der erste Arbeiter-
rat. Zunächst umfaßte er nur ungefähr 40 Delegierte,
durch Hinzuwahl weiterer Vertrauensmänner vergrößerte er
sich aber mehrmnd mehr und gestaltete sich gewissermaßen zu
einem Arbeitsrparlament, bis er schließlich am 16. Dezember
1905 durch zaristische Truppen gesprengt und seins Mit-
glieder abgeführt und Zirm Teil nach Sibirien geschickt
wurden.
So sind die russischen Räte, die Sowjets, entstanden.
Nicht als Ergebnis eines sorgfältig ausgeklügelten Organi-
sationsplanes, auch nicht als politische Regierungsgsbilde,
sondern spontan als Notbehelf aus einer bestimmten kriti-
schen Situation heraus zur Leitung der führerlosen Arbeiter-
massen.
Da sie sich in jenen stürmischen Revslutionstagen des
Jahres 1905 im Ganzen bewährt hatten, griffen die Arbeiter


Die Berlsbrwg w St. DsMiUgs.
(6. Fortsetzung.)
Hier erzählte die Alte, indem sie sich auf gemächliche Weise
auf den Sessel niederlietz, wie man die ganze Nacht über auf den
den Horizont abschneidenden Bergen die Feuer des Generals Des-
salines schimmern gesehen; ein Umstand, der in der Tat gegründet
war, obschon sich bis diesen Augenblick noch kein einziger Neger
von seinem Heer, das südwestlich gegen Port au Prince anrückte,
in dieser Gegend gezeigt hatte. Es gelang ihr, den Fremden daduch
in einen Wirbel von Unruhe zu stürzen, den sie jedoch nachher wie-
der durch di? Versicherung, daß sie alles mögliche, selbst in dem
schlimmen Fall, daß sie Einquartierung bekäme, zu seiner Rettung
beitragen würde, zu stillen wußte. Sie nahm auf die wiederholte
inständige Erinnerung desselben, unter diesen Umständen seiner Fa-
milie wenigstens mit Lebensmitteln beizuspringen, der Tochter den
Korb aus der Hand, und indem sie ihn dem Knaben gab, sagte sie
ihm, er solle an den Möwenweiher, in die nahegelegenen Waldberge
hinausgehen, und ihn der daselbst befindlichen Familie des fremden
Offiziers überbringen. Der Offizier selbst, solle er hinzusetzen, be-
finde sich wohl; Freunde der Weißen, die selbst viel der Partei we-
gen, die sie ergriffen, von den Schwarzen leiden müßten, hätten ihn
in ihrem Hause mitleidig ausgenommen. Sie schloß, daß sobald die
Landstraße nur von den bewaffneten Negerhaufen, die man erwar-
tete, befreit wäre, man sogleich Anstalten treffen würde, auch ihr/
der Familie, ein Unterkommen in diesem Hause zu verschaffen. Hast
du verstanden? fragte sie, da sie geendet hatte. Der Knabe, indem
er den Korb auf seinen Kopf setzte, antwortete, daß er den ihm be-
schriebenen Möwenweiher, an dem er zuweilen mit seinen Kame-
raden zu fischen pflege, gar wohl kenne, und daß er alles, wie man
es ihm aufgetragen, an die daselbst übernachtende Familie des frem-
den Herrn bestellen würde. Der Fremde zog sich auf die Frage
der Alten, ob er noch etwas hinzusetzen hätte, einen Ring vom
Finger und händigte ihn dem Knaben ein, mit dem Auftrage, ihn
zum Zeichen, daß es mit den überbrachten Meldungen seine Richtig-
keit habe, dem Oberhaupt der Familie, Herrn Strom!», zu über-
geben. Hierauf traf die Mutter mehrere, die Sicherheit des Frem-
den, wie sie sagte, abzweckende Veranstaltungen; befahl Toni die

Petersburgs und Moskaus, als sie Ende Februar 1917 das
Zarenrsgiment gestürzt hatten, wiederum zur Errichtung von
Sowjets, in die nun, da sich eine ganze Reihe von Regi-
mentern und Bataillonen der revolutionäre!» Bewegung
anschloffen, auch dis Soldaten ihre Vertrauensmänner hinein-
sandten. Doch konstituierte sich der neue Petersburger Sowjet
wieder nicht selbst als Regierung, sondern nur als Kontroll-
und Aufsichtsrat über die neue Regierung, die fast aus-
schließlich aus Liberalen und uralten Demokraten, aus sog.
Kadetten, bestand und nur einen Halbsozialisten, den Rechts-
gelehrten Kerensky als Mitglied hatte. Zu einen» eigent-
lichen Organ der Regierung sind die Sowjets erst geworden,
nachdem die Anhängerschaft Lenins und Trotzkys, die Bol-
schewik» (d. h. Mehrheitler) die dritte revolutionäre Koalitions-
regierung im Novsmbsr 1917 gestürzt und ihr diktatorisches
Regiment aufgerichtet hatte. '
Zunächst beabsichtigten jedoch auch die Führer
der Bolschewiki parlamentarisch zu regieren und eins
verfaffnnggsbtzKÄe NationalversamMlung, eine Reichs-
duma, einzuberufen. Die Arbeiter- und Soldatsnräte
sollten nur die Funktionen revolutionärer überwachungs-
und Sicherheitsausschüffe ausüben und die besonderen wirt-
schaftlichen Interessen der Arbeiter vertreten, gewissermaßen
sozialpolitische ArLeiterkammern sein; Die Bolschewik!
rechneten nämlich mit ziemlicher Sicherheit darauf, daß ihre
Partei infolge der revolutionären Gährung in den unteren
Volksschichten und des allgemeinen Friedensvsrlangens eine
sichere Mehrheit in der Reichsduma haben werde. Sie
ordneten deshalb allgemeine Wahlen für eine Rdichskonfti-
tuants an, fanden sich aber bitter getäuscht; die Bauern —
über vier Fünftel der Bevölkerung Rußlands wählten
meist nicht die Kandidaten der Bolschewik!, sondern Mit-
glieder der sozialrevolutionären Partei, die seit Jahrzehnten,
früher unter dem Rarnen „Partei des Volkswillens" bekannt,
unter den Bauern eine intensive Agitation betrieben hatte
und ihnen die Aufteilung der großen Herren- und Kloster-
güter versprochen hatten. Als in» Jahre 1918 die Wahl-
resultate bekannt wurden, stellte sich heraus, daß 459 So-
zialrevolutionäre und nur 185 Bolschewiki gewählt waren.
Da die Leiter der Bolschewiki ihre Herrschaft gefährdet
sahen, erklärten sie die Revolution in Gefahr und verkün-
deten die Diktatur des Proletariats, das heißt die Diktatär
jenes Teils des Proletariats, der hinter ihnen stand;
der bolschewistischen Partei. Die Reichsduma wurde
nicht einberufe»» uud nun als revolutionäres Dogma in die
bolschewistische Lehre ausgenommen: Alle politische Gewalt
gebührt ausschließlich den Arbeiter- und Soldaten-
räten. ' Die Rätediktatur der Bolschewiki wurzelt also gar-
nicht in alten politischen Grundsätzen dieser Partei, sie ist
gewissermaßen ein Vsrlegenhsitsprodukt — eine Folge der
Tatsache, daß die Bolschewiki bei den Wahlen zur ver-
fassunggebenden russischen Nationalversammlung nicht die
Mehrheit erhalten chatten. - - DW
Tatsächlich wurde nun in der neuen russischer» Reichs-
verfassung alle Macht formell den Räten zugewiesen und
bestimmt, daß überall lokale Sowjets, Kreissowjets, Gouver-
nementssowjets und Disiriktssowjets gebildet werde»» sollten.
An der Spitze der ganzen russischen Republik wurde ge-
wissermaßen als Ersatz der Rsichsduma der „Allrussische
RäLekongreß" gestellt, der nach der Verfassung mindestens
zweimal im Jahr zusammsntreten muß und aus seiner Mitte
den geschäftsführenden Ausschuß für die ganze russische
Republik zu wählen Hai, den „AKruMchs« Zeutral-
ereskuiivsmsschtttz."
Demokratisch ist dis jetzige Verfassrmg "'durchaus
Richt, weit eher kau« mau sie hierarchisch »rennen.
Zwar können Männer und Frauen schon vom 18 Lebens-
jahr an zu den Orts- und Gemeinde-Sowjets wählen; aber
nur solche Personen, dis ihren Lebensunterhalt eigener pro-
duktiver, der Allgemeinheit nützlicher Arbeit bestreiten und
keine gemieteten Arbeitskräfte beschäftigen, ferner alle Per-
sonen, die der roten Armee angehören. Ausgeschlossen von
dem aktiven wie passiven Wahlrecht sind daher nach Kapitel
Xll! der Verfassung: ,
1- alle Personen," die" stch'zwecks" Erzielung von Eewmn"ge7
mieteter Arbeitskräfte bedienen.
2. Personen, die vor» Einnahmen leben, die nicht selbst durch
Arbeit erworben sind, z- B. von Kapitalzinsen, Geschäfts-
gewinnen, Erträgen aus Vermögen usw.
3. Personen, die private Händler und Zwischenhändler sind.
4. Mönche und geistliche. Angestellte der Kirchen und Kulte.

Fensterladen zu verschließen, und zündete selbst, um die Nacht, die
dadurch in dem Zimmer herrschend geworden war, zu zerstreuen, an
einem auf dem Kaminsims befindlichen Feuerzeug, nicht ohne Müh-
seligkeit, indem der Zunder nicht sangen wollte, ein Licht an. Der
Fremde benutzte diesen Augenblick, um den Arm sanft um Tonis
Leib zu legen, und ihr ins Ohr zu flüstern, wie sie geschlafen; und
ob er der Mutter nicht von dem, was vorgefollen, unterrichten solle;
doch auf die erste Frage antwortete Toni nicht, und auf die andere
versetzte sie, indem sie sich aus seinem Arm lvswand: Nein, wem»
Ihr mich liebt, kein Wort! Sie unterdrückte die Angst, die alle diese
lügenhaften Anstalten in ihr erweckten; und unter dem Vorwand
dem Fremden ein Frühstück zu bereiten, stürzte sie eilig in das un-
tere Wohnzimmer hinab.
Sie nahm aus dem Schrank der Mutter den Brief, worin der
Fremde in seiner Unschuld die Familie eingeladen hatte dem Kna-
ben in die Niederlassung zu folgen; und auf gut Glück hin, ob die
Mutter ihn vermissen würde, entschlossen im schlimmsten Falle den
Tod mit ihm zu leiden, flog sie damit dem schon auf der Landstraße
wandernden Knaben nach. Denn sie sah den Jüngling vor Gott
und ihrem Herzen nicht mehr als einen bloßen Gast, dem sie Schutz
und Obdach gegeben, sondern als ihren Verlobten und Gemahl an,
und war willens, sobald nur seine Partei im Hause start genug sein
würde, dies der Mutter, auf deren Bestürzung sie unter diesen Um-
ständen rechnete, ohne Rückhalt zu erklären. Nanky, sprach sie, da
sie den Knaben atemlos und eilfertig auf der Landstraße erreicht
hatte, die Mutter hat ihren Plan, die Familie Herrn Strömli be-
treffend, umgeändert. Nimm diesen Brief! Er lautet an Herrn
Strömli, das alte Oberhaupt der Familie, und enthält die Ein-
ladung, einige Tage mit allem, was zu ihm gehört, in der Niederlas-
sung zu verweilen. Sei klug und trage selbst alles mögttwe dazu
bei, diesen Entschluß zur Reife zu bringen; Congo Hoango, der Ne-
ger wird, wenn er wiederkömmt, es dir lohnen! — Gut, gut, Base
Toni, antwortete der Knabe. Er fragte, indem er den Brief sorg-
sam eingewickelt in seine Tasche steckte: Und ich soll dem Zuge auf
seinem Wege hierher zum Führer dienen? — Allerdings, versetzte
Toni; das versteht sich, weil sie die Gegend nicht kennen, von selbst.
Doch wirst du möglicher Truppenmärsche wegen, die auf der Land-
straße stattfinden könnten, die Wanderung eher nicht als um Mitter-

ö. Angestellte und Agenten der früheren Polizei, des Gens-
darmeriekorps, sowie Mitglieder des früheren Herrscher-
hauses usro.
Dazu kommt, daß die Wahlordnung den große«
Städten ein Übergewicht über das flache Land ver-
leiht und daß ferner die Kreis-, Gouvernements- und Di-
striktsräts nicht aus allgemeine»! Wahlen hervorgehen, son-
dern aus Vertretern der ihnen untergeordneten Räte be-
stehen. Der Kreisrat wird z. B. von den örtlichen Sowjets
aus ihrer Mitte gewählt, der Gouvernementsrat wieder von
den Kreisräten aus ihrer Mitte ufw. Dadurch findet eine
scharfe Sichtung und Fernhaltung andersdenkender Elements
statt. Tatsächlich liegen alle wichtigeren Regierungs-
f'mMvtten heute vollständig in den Händen des Mos-
kauer Ze«LVK!e«ekutiVauSschuffes oder richtiger der in
ihm maßgebenden Personen.
Dis Heimat des Rätefystems ist demnach Rußland.
Als aber in» November 1918 auch in Deutschland und in
Österreich-Ungarn der Zusammenbruch der alten Regierungen
erfolgte, übernahm zunächst die Revolution von den Bol-
schewiki auch das Rätesyftem. Und in dem Wirrwarr des
Zusammenbruchs besonders aber in den aus den feindlichen
Gebieten zurückflutenden Truppsnmaffen nach Möglichkeit
Ordnung zu schaffen und der Revolution eine feste Grund-
lage zu geben, bildeten sich überall nach russischem Muster
deutsche Arbeiter- und Soldatenräte.
Von der sozialdemokratischen Partei wurden diese Räte
meist nur als Behelf für dis Zeit des Überganges betrachtet.
Sobald dis revolutionäre Bewegung es gestattete, sollten die
Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung aus-
geschrieben und dann aus den Mehrheitsparteien eine parla-
mentarische Regierung gebildet werden. Anders dis Sparta-
kisten und die Mehrheit der Unabhängigen Sozialdemokratie.
Sie wollten bekanntlich von der Einberufung einer National-
versammlung nichts wissen, sonder»» verlangten unter dem
Feldgeschrei „Diktatur des Proletariats" und „Alle
politische Macht den Räten" den Ausbau des Rätesystems
nach russischem Muster. Im Einzelnen finden wir freilich
innerhalb der Parteien mancherlei abweichende Ansichten
über das Rätesyftem.
Dis deutsche kommunistische Partei schließt sich voll-
kommen dem russischen System und seiner Begründung an.
In dem Prograrnm des Spartakusbundes voin 14. Dezem-
ber 1918 heißt^es^wörtttch: MjiMÄ
,,Von"der"1obe»ftLU Spitze des Staates bis" zur kleinsten
Gemeinde muß deshalb die proletarische Masse die über-
kommenen Organe der bürgerlichen Klassenherrschaft, dis
Bundesräte, Parlamente, Gemeinderäte durch eigene Klassen-
organe, die Arbeiter- und Soldatenräte ersetzen, alle Posten
besetzen, alle Funktionen überwachen, alle staatlichen Bedürf-
nisse an dem eigenen Klasseninteresse und den sozialistischen
Aufgaben messen . . _ .«
""Auf fast gleichen Standpunkt stellt sich die große
Mehrzahl der Auabhängigen. Auf dem zweiten Räte-
kongreß in Berlin hat ihre Fraktion folgenden Antrag
gestellt:
Der zweite Rütckonßreß stellt sich aus den Boden des
Rätefystems. Danach »st der politische und wirtschaftliche
Aufbau Deutschlands aus die Räteorganisation zu gründen.
Die Arbeiterräts sind die berufene Vertretung der werktätigen
Bevölkerung auf allen Gebieten des politischen und wirt-
schaftlichen Lebens . . .
Die gesamte politische Macht hat der Rätskongretz.
Dieser setzt sich aus den Vertretern der Arbeiterräte zusammen.
Mindestens alle drei Monate tritt der Rätekongreß zusammen.
Er wählt den Zentralrat, der dis Volksbeauftragten einsetzt
und kontrolliert.
"Wie in Bezug" auf andere Forderungen ""find jedoch
auch betreffs dieser die Unabhängigen uneinig. Während
ihr linker Flügel sich von den Spartakisten kaum unter-
scheidet, wollen andere das Rätesyftem durch eine Art par-
lamentisches System ergänze!» und diesen» dis eigentlichen
politischen Regierungsfunktionen zuweisen. Die Räte sollen
sich nur mit Wirtschaftsfragen, speziell mit Arbeiterfragen
beschäftigen und auf diesem Gebiet eine Art Gegengewicht
gegen das rein parlamentarische System bilden.
Am schärfsten gegen das reine Rätesystem haben sich
»mter Hinweis auf die Erfahrungen in Rußland Karl
Kautsky, der Haupttheoretiker der Unabhängigen Sozial-
demokratie, und Heinrich Ströbel erklärt.

MlkiSkMkl, W »kl IM


nacht autreten; aber dann dieselbe auch so beschleunigen, daß du vor
der Dämmerung des Tages hier eintriffst. Kann man sich auf dich
verlassen? fragte sie. — Verlaßt Euch auf Nanky! antwortete der
Knabe; ich weiß, warum ihr diese weißen Flüchtlinge in die Pflan-
zung lockt, und der Neger Hoango soll mit mir zufrieden sein!
Hierauf trug Toni dem Fremden das Frühstück auf; und nach-
dem es wieder abgenommen war, begaben sich Mutter und Tochter
ihrer häuslichen Geschäfte wegen, in das Wohnzimmer zurück. Es
konnte nicht fehlen, daß die Mutter einige Zeit darauf an den
Schrank trat, und, wie es natürlich war, den Brief vermißte. Sie
legte die Hand ungläubig gegen ihr Gedächtnis, einen Augenblick
an den Kopf und fragte Toni, wo sie den Brief, den ihr der Fremde
gegeben, wohl hingelegt haben könne. Toni antwortete nach einer
kürzen Pause, in der sie auf den Boden niedersah, daß ihn der
Fremde ja ihres Wissens wieder eingesteckt und oben im Zimmer
in ihrer beiden Gegenwart zerrißen habe! Die Mutter schaute das
Mädchen mit großen Augen an; sie meinte sich bestimmt zu erin-
nern, daß sie den Brief aus seiner Hand empfangen und in den
Schrank gelegtthabe; doch da habe sie ihn nach vielem vergeblichen
Suchen darin nicht fand, und ihrem Gedächtnis mehrerer ähnlichen
Vorfälle wegen mißtraute, so blieb ihr zuletzt nichts übrig als der
Meinung, die ihr die Tochter geäußert, Glauben zu schenken. In-
zwischen konnte ihr lebhaftes Mißvergnügen über diesen Umstand
nicht unterdrücken und meinte, daß der Brief dem Neger Hoango,
um die Familie in die Pflanzung hereinzubringen, von der größten
Wichtigkeit gewesen sein würde. Am Mittag und Abend, da Tom
den Fremden mit Speisen bediente, nahm sie, zu seiner Unterhaltung
an der Tischecke sitzend, mehreren»«! Gelegenheit, ihn nach dem
Briefe zu fragen; doch Toni war geschickt genug das Gespräch, so ost
es auf diesen gefährlichen Punkt kam, abzulenken oder zu verwir-
ren; dergestalt, daß die Mutter durch die Erklärungen des Fremden
über das eigentliche Schicksal des Briefes auf keine Weise ins reine
kam. Sv verfloß der Tag; die Mutter verschloß nach dem Abend-
essen aus Vorsicht, wie sie sagte, des Fremden Zimmer; und nach-
dem sie noch mit Toni überlegt hatte, durch welche List sie sich von
neuem am folgenden Tage in den Besitz eines solchen Briefes setzen
könne, begab sie sich zur Ruhe, und befahl dem Mädchen gleichfalls
zu Bette zu gehen. (Fortsetzung folgt.)
 
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