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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (1) — 1919

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Nr. 51 - Nr. 60 (28. November - 9. Dezember)
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De; antWvrtk.: Für innere u. Süßere Politik, Nolkswirtschast n.FeuMetsn: Dr.
8. Kraus; für Kommunales u. soziale Rundschau: I. Kahn; sürLokales:
O. Geibel; Kr dir Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg.
Druck und Verlag derLnterbadischen Verlagssnffalt G. m. b. H., Heidelberg.
Geschäfts Mir: Gchröderjtraßr 39. Fernsprecher 2S4S.
GeschästöstunSen: s-'/,S Lhr. Sprechstunden der Redaktion: 11—iS Lkhr.

HsiKsBsrg, Samsisg, 6. Dezemßsr
M. SS » -1. IshtM^s

AkLsrdarbeit in den Kieler Werften.
Kiel, 6. Dez. (W.B.) Bei der gestrigen Abstimmung über
die Einführung der früheren Arbeitsbedingungen auf den Kieler
Werften insbesondere über dis Wiedereinführung der Akkordarbeit
stimmten 7743 für und 4600 dagegen. Mehrere Stimmen, die noch
ausstehen, können das Ergebnis nicht mehr ändern. Damit würde
also die Akkordarbeit auf den Kieler Werften wieder eingeführt.

B^vgspesis: Monatlich eisschl. TrSgerkshn 1.S9 M., durch die Kost
bezogen monatlich I SO Mk., siertelMMch 4.80 M. ausschl. Zustellung.
BnMsrnprsise: Dis einspaltige prtitzekke t ZS mm breit) ZS pfg., Re»
KMneÄnzsigrn (S3 mm breit) 1.8V Mk. Lei Wiederhslungs» Nachlaß
nach Tarif. Gehelmmittel-Anzeigen Werden nicht ausgenommen.
DoMch^SlorrtoKarlsruheRr. 22572. Tel.-Adr.: DnttSzettungHewÄdeeg.

FriftVerlLngerZLNg.
Amsterdam, 6. Dez. (W.B.) Nach einer Meldung des
Pressebüro Radio gestand der Oberste Rat in Paris der deutschen
Regierung für die Antwort auf die Bedingungen der Alliierten
eine Verlängerung der Frist von 6 Tagen dis zum 8. Dezember zu.

so ist —, dann richten wir an Euch, französische Arbeiter und Klas-
sengenossen, die ganz besondere Aufforderung, uns in unserem
Kampfe um die Befreiung unserer gefangenen Brüder wirksam zu
unterstützen.
Wenn Ihr das nicht tun wollt, dann fällt auf Euch die Ver-
antwortung dafür, daß in der Weltgeschichte das französische Volk
den Namen und Ruf einer Kulturnation für immer verliert.
Wir appellieren aber auch an die gewerfchaftlich organisierten
Arbeiter der ganzen Welt, mit d.n deutschen Arbeitern gemeinsam
ihre Stimmen zu erheben zum Protest gegen die ungeheure Ver-
gewaltigung des deutschen Volkes und die rohe Barbarei der fran-
zösischen Machthaber.
Der Allgemeine Deutsche Gewertschastsbund.
C. Legi'en.

Auslieferung der Schuldigen.
Amsterdam, 6. Dez. (W.B.) Laut Telegraph erklärte Lord
George im englischen Unterhause in Beantwortung verschiedener
Anfragen, augenblicklich werde die Liste geprüft, die die Personen
enthält, deren Auslieferung wegen ziviler und militärischer Ver-
brechen von den Feinden verlangt werden muß.
Wirtschaftliche Einsichtslosigkeit.
Oberhausen, 6. Dez. (W.B.) Infolge der auf der Zeche
„Concordia" von der Belegschaft seit Montag ausgeübten passiven
Ressistenz (Verweigerung der Arbeit auf der Arbeitsstelle) ist der
Betrieb heute auf Veranlassung des Reichskommissars geschloffen
worden.

iLsHLSAeiismg für Sie rverkkätise BevEemW ösr Amtsbezirks Heidelberg, Meslsch, Sinsheim, Eppingerr, CberSsch, Nosbach, Buchen, Adelshelm, Bsxöerg.
TKlKerKffchsfshsiM Md Wertheim.

Deutsche NKLiormlVLrsaMMLrwg.
Berlin, Z. Dezember.
Präsident Fehlen dach eröffnet um 1.20 Uhr di« Sitzung.
Zunächst wird eine Reihe von
Anfragen
durch die Regierung beantwortet. Daraus ist ersichtlich, daß dem vor-
bereitenden Reichswirtschaftsrat jetzt außer Vertretungen der
einzelnen Behörden und des Handwerks je ein Vertreter der Arbeitgeber
und Arbeitnehmer beigegeben wird. Der Entwurf über die geplante Zu-
sammensetzung des Reichswirtschaftsrates wird in den nächsten Tagen
dem Reichskabinett zur Beschlußfassung zugehen.
DieSteuerdebatte,
Die erste Beratung des Gesetzentwurfs eines Landessteuer-
gefetzes wird darauf fortgesetzt.
Der Sprecher der Sozialdemokraten.
Abg. Keil (Soz.): Der ungeheure Druck der Not hat die Regie-
rung gezwungen, schnell zu arbeiten. Die weiten notleidenden Massen
würden etwas erleben können, wenn die Rechte die Macht hätte, die
aufzübringenden Lasten nach ihrem Rezept zu verteilen. Die Finanz-
reform kommt natürlich stück- und abschnittweise, aber es geht nicht an-
ders. Auf die Erläge der Erbschaftssteuer, ist jahrzehntelang in sünd-
hafter Weise verzichtet worden. Das Roichsrwtopfer muß schleunigst ver-
abschiedet werden. Mr bedürfen einer einheitlichen Einkommensteuer
und einer einheitlichen Veranlagung dazu. Die Reichseinkommensteuer
betrifft nur die Besteuerung der physischen Personen. Hoffentlich wird
die Besteuerung der juristischen Personen auch bald vorbereitet, denn sie
müßte auch im April 1920 in Kraft treten. Da das Geld nur noch ein
Viertel seines Wertes hat, so müßte das Existenzminimum und damit die
äußeren Steuerstufen heraufgesetzt werden. Die Familiendrsteurrung
lehnen wir ab. Die Kapitalertragssteuer eignet sich ganz besonders als
Reichsstcuer, wird aber im einzelnen noch sehr nachzuprüfen fein.
Sie mutz progressiv gestaltet werden und nicht proportional. Den
größeren Kapitalerträgen wohnt eine viel größere Steuerfähigkeit inne
als den kleinen. Dem kleinen Rentner tut große Schonung not. Die
Zölle sollen vorwiegend Finanzzölle werden, aber das hängt von unserem
Verhältnisse zum Ausland« ab. Die Erträge aus den Zöllen sind daher
unsicher. Eine Verschärfung der Kohlensteuer ist bedenklich. Das Brannt-
weinmonopol bedarf der Umgestaltung, um den Ländern und Gemeinden
entgegenzukommen, wenn es nötig sein sollte.
Äbg. Zehnter (Zentr.): Eine Verarmung des deutschen Volkes
steht sicher bevor, dann werden die Erträge aus Vermögen und Einkom-
men sehr sinken. Die alten Fmanzbeamten der Länder, die noch arbeits-
freudig und arbeitsfähig sind, sollten nicht beiseite geschoben werden, wenn
auch jüngere Leute hinter ihnen auf ihre Posten warten. An der Not-
wendigkeit einer Reichscinkommensteuer zweifelt niemand. Der neue
Steüertarif verblüfft zunächst im Vergleich mit den früheren Tarifen.
Natürlich müßen die bisherigen vielfachen Zuschläge der Gemeinden in
Rechnung gezogen werden.
Reichsminister Erzberger:
Die 24 Milliarden müssen aufgebracht werden. Für 1920 müssen
16 Milliarden angesetzt werden. Die Regierung erklärt, der Entente stehe
das Recht nicht zu, die Erträge des Reichsnotvpfers anzutasten. Solange
Deutschland bezahlt, kann es aus die Art bezahlen, wie es will. (Der
Redner verliest die im 10. Ausschuß abgegebene diesbezügliche Erklärung
mit dem Gutachten des Reichsjustizministers.) Diese Erklärung, die die
Meinung der genannten Regierung enthält, wird mit voller Absicht der
Oeffcntlickkeit mitgeteilt. Das Körperschastssteuergesetz wird noch in
diesem Monat veröffentlicht werden. Ein eigenes Abwicklungsamt wird
geschaffen werden, das die etwa 2000 bestehenden Abwicklungsstellen zu-
sammenfassen wird, und bis zum 1. Mai 1920 spätestens die gesamte Ab-
wicklung nach der persönlichen Seite hin erledigen wird. Die materielle
Seite, die gesamte Liquidation des Krieges, wird mit allergrößter Be-
schleunigung durchgeführt werden.
Abg. Dernburg (Dem.): Die Entente müßte aus dem Ernst,
mit dem wir steuerlich gegen uns selbst Vorgehen ersehen, daß wir den

An die ArbeiLerschsst Mer .Länder.
Ei« Appell an das Kulturgewiften der ganzen Welt.
Seit einem Jahre ist der Krieg zu Ende. Am 18. Mmember
hat Deutschland die Waffenstillstandsbedingungen unterschrieben
und am 28. Juni 1919 den Friedensvertrag anerkannt.
Ein Jahr ist verflossen, seit der Kriegszustand zwischen Frank-
reich und Deutschland aufgehört hat, und noch immer schmachten
über 400 000 Deutscher in französischer Kriegsgefangenschaft, zum
allergrößten Teils deutsche Arbeiter, deutsche Proletarier.
Als am 9. November 1918 in Deutschland das alte, Regime
zusammengestürzt war und eine aus Erwählten des arbeitenden
deutschen Volkes bestehende Regierung an seine Stelle trat, war
es eine ihrer ersten Taten, daß sie — noch vor der Unterschrift des
Waffenstillstandsvertrages — die in Deutschland befindlichen
Kriegsgefangenen, soweit sie sich nicht in Konzentrationslagern be-
fanden, der deutschen Bevölkerung gleichstellte. Und als der Waffen-
Mstandsvertrag unterzeichnet war, hat Deutschland trotz ungeheu-
rer Transpvrtschwierigkeiten feine Pflicht zur Ablieferung der in
feinen Händen befindlichen Kriegsgefangenen in kürzester Zeit
restlos erfüllt.
Die deutschen Gewerkschaften haben auch vom ersten Tage an
gegen die Deportation der belgischen Bevölkerung Protest erhoben.
Und wenn sie die Deportation unter den damaligen Verhältnissen
auch nicht Haden verhindern können, so Haden doch viele Hunderte
von nach Deutschland geschleppten belgischen Arbeitern auf die
Verwendung der deutschen Gewerkschaften hin in ihr Vaterland
zurückkehren können. Die deutschen Gewerkschaften haben weiter
ihren Einfluß dahin geltend gemacht, das Los der in Deutschland
zwangsweise verbliebenen Belgier nach Möglichkeit zu erleichtern
und sie haben das nicht ohne Erfolg getan.
Trotzdem schmachten noch immer unsere Söhne und Brüder
in französischer Kriegsgefangenschaft; noch immer ist der Zeitpunkt
ihrer Rückkehr nicht festgesetzt — trotzdem Deutschland sich erbötig
gemacht hat, mit eigenen Mitteln — wie es verpflichtet ist — und
eigenen Arbeitern am Wiederaufbau der zerstörten Gebiete in
Frankreich mitzuarbeiten. Es gewinnt mehr und mehr den An-
schein, daß die jetzt in Frankreich befindlichen deutschen Kriegsge-
fangene» nur dann erlöst werden können, wenn Deutschland —
andere Gefangene dafür zur Verfügung stellt! Denn auf eine Ein-
gabe der „Union nationale" der Architekten und Unternehmer
Frankreichs hat der Minister der befreiten Landesteile erklärt, daß
deutsche Architekten und Unternehmer nicht nach Frankreich herein-
gelaflen würden. Die französischen Unternehmer haben weiter ver-
langt, daß ihnen deutsche Arbeiter zur Verfügung gestellt Verden
solle». Die deutsche Kommission hat das — mit Recht — abgelehnt.
—- In Frankreich scheint aber offenbar die Meinung vorherrschend
M sein, daß im Gegensatz zu den klaren, rechtlichen Bestimmungen
des Friedensvertrages Frankreich — als Sieger — nur zu befehlen
Und das besiegte Deutschland zu gehorchen hat — ohne Rücksicht
auf Recht und Gerechtigkeit.
Die Tatsache, daß Deutschlands Söhne noch immer in fran-
zösischer Kriegsgefangenschaft schmachten müßen, ist ein Schuld-
und Brandmal für die angeblich ritterlichste Nation der Welt, die
französische Nation. Der Kampf gegen Wehrlose hat noch immer
in der Welt als ein besonders hoher Grad von Brutalität und
Feigheit gegolten. Das altrömische „Vae victis" (Wehe dem Be-
siegten) wird hier zu einer Höhe der Vollendung getrieben, die ein
blutiger Hohn aus alle moderne Kultur ist. Wir appellieren daher
an das Kulturgewisfen der ganzen Welt, daß es sich unserem Pro-
test anfchließt und das französische Volk daran erinnert, daß es
auch ein Mindestmaß von Pflichten zu erfüllen hat, wenn es fer-
nerhin zur Kulturgemeinschast der Rationen gezählt sein will.
Es gewinnt fast den Anschein, als wolle die französische Regie-
rung durch ganz besonders raffinierte Maßnahmen den völligen
psychischen und physischen Zusammenbruch des deutschen Volkes
herbeiführen. Denn darauf kommt die Zurückhaltung der deutschen
Kriegsgefangenen hinaus. Es kann den Leitern des französischen
Staatswesens doch nicht verborgen sein, welche seelisch vernichten-
den Wirkungen die Zurückhaltung der deutschen Kriegsgefangenen
sowohl auf diese als auch auf deren Angehörigen in Deutschland
und letzten Endes auf das ganze deutsche Volk ausüben muß.
Wir appellieren an das Kultur-gewissen der ganzen Welt, mit
uns seine Stimme zu erheben gegen die klar zu tage liegende bar-
barische Absicht, ein ganzes Volk auf „friedlichem" Wege ausrotten
And zerstören zu wollen!
Wir fordern die Heimseirdung unserer noch immer in franzö-
sischer Gefangenschaft schmachtenden Söhne! Wir wenden uns ins-
besondere auch an die französischen Arbeiter und die französischen
Gewerkschaften.
Wir weisen darauf hin, daß sich der Allgemeine Deutsche
Gewerkschaftsbund bereits am 30. September d. I. an den Inter-
nationalen Gewertschastsbund mit der Bitte gewandt hat, zugun-
sten der deutschen Kriegsgefangenen bei der französischen Regierung
vorstellig zu werden und daß der Internationale Gewerkschaftsbund
tatsächlich eine in diesem Sinne gehaltene Eingabe am 7. Oktober
an den Präsidenten Clemenceau gerichtet hat. Darauf ist bis
heute eine Antwort nicht eingegangen. Statt besten aber hat Herr
Clemenceau die bekannte Rede gehalten, wonach Deutschland die
Pflicht auferlegt werden soll, an Stelle der Kriegsgefangenen den
französischen Unternehmern 900 000 deutsche Arbeiter zur Ver-
fügung zu stellen — d. h. also: Deutschland erhält feine Kriegsge-
fangenen nur zurück, wen« es an deren Stelle andere Gefangene
nach Frankreich entsendet!
Angesichts dieser Tatsachen fragen wir die französischen Ar-
beiter und insbesondere die französischen Gewerkschaften:
Seht Ihr denn nicht, wie das französi^>e Unternehmertum in
trauter Gemeinsamkeit mit Eurer Regierung die deutschen Kriegs-
gefangenen, Eure Klasfengenosfen, zurückhält, nur zu dem Zweck,
Am sich aus der Sklavenarbeit der Kriegsgefangenen dis Taschen
M füllen?
Seht Ihr nicht, wie die deutschen Kriegsgefangenen zugleich
«Ach dazu mißbraucht werden, um Eure eigenen berechtigten For-
derungen nisderzuhalten, daß sie, die Kriegsgefangenen, gebraucht
werde«, um sie gegen Euch ausnutzen zu können, wenn Ihr es
wage« wolltet, einen gerechteren Anteil am Ertrage Eurer Arbeit
Su fordern!
Wem,. Ihr das einfeht — und Ihr müßt Za erkennen, daß es

Frieden erfüllen wollen. Di« Relchsemkvmmcnstcucr halten wir nach
Absicht und Aufbau für zweckmäßig. Die Kriegs- und Revolutions-
gewinnler muffen auf das stärkste herangezogen werden. Das Reichs-
notopser darf erst dann zur Erhebung gelangen, wenn die Absichten der
Entente klar ersichtlich sind. Zweifellos ist, daß das Reichsnotopfer zu
einer ungeheuren Kapitalabwanderung geführt hat. Aus unserer Valuta-
not können wir nur herauskommen, wenn wir dafür sorgen, daß uns das
Ausland mehr schuldet als wir ihm. Sonst wird der Kapitalflucht auch
eine Menschcnflucht folgen. Auf Auslandskrebitc können wir zurzeit
nicht rechnen. Auf den guten Willen des amerikanischen Volkes bitte ich
keine allzu große Hoffnungen zu sehen. Wir müssen allein aus unserer
Not herauszukvmmen suchen. Wir sind für die Forderung des llni-
tarismus aber nicht des Zentralismus. In diesem Sinne werden wir an
den

Gesetzentwürfen Mitarbeiten. (Beifall.)
Weiterberatung Samstag 1 Uhr.
Schluß nach ^7 Uhr.
-----
Politische Übersicht.
Di« Untersuchung über die Vorkriegszeit.
BerIin, 4. Dez. Der erste Unterausschuß des parlamen-
tarischen Untersuchungsausschusses der Nationalver-
sammlung beendete in seiner letzten Sitzung unter dem Vorsitz
des Abg. D r. Ouarck die Vorbereitungsarbeiten über die Er-
hebungen über die Vorkriegszeit. Unter der lebhaftesten
Mitwirkung der zugezogenen Sachverständigen, unter denen sich
Graf Montgelas und Kautsky befanden, wurde der Frage-
bogen im Wortlaut festgestellt, der zuerst zur schriftlichen Beant-
wortung dis Anfang Januar an etwa dreißig Auskunftspersonen
geht. Unter diesen befinden sich v. Bethmann Hollwsg,
Iag 0 w, Zimmermann, die Spitzen der Militär- und Ma-
rineverwaltung und eine Anzahl diplomatischer Persönlichkeiten.
Nach Einlaufen der schriftlichen Antworten wird Anfang Januar
zur mündlichen Vernehmung geschritten werden.
Prozeß Marloh.
Berlin, 4. Dez. Im Marloh-Prozeß fand heute die V
nehmung des wichtigsten Zeugen, des Kommandeurs der Reichs-
wehrbrigade. Ober st Reinhard, statt. Der Oberst sagte im
wesentlichen aus, daß er glaube, den Leutnant Schröder zu Ober-
leutnant Marloh geschickt zu Haden, um ihn darauf aufmerksam zu
machen, daß er rücksichtslos Vorgehen müsse und solle, und daß die
Leute, die sich mit der Waffe in der Hand zur Wehr fetzen, er-
schossen werde» sollten, ebenso die Leute, die beim Plündern erwischt
werden. Die Einzelheiten der Durchführung überlieh er Marloh.
Als ihm Schröder später meldete, Marloh ließe nochmals um
dringende Unterstützung bitten, da sich auf der Straße ein Auflauf
bilde, befahl ich ihm, daß er Marloh sagen solle, er hätte ausgiebig
von der Waffe Gebrauch zu machen. Die beste Unterstützung fei-
die Kugel. Oberst Reinhard erklärte: Den Befehl, Marloh solle
150 Mann erschießen, gab ich nicht. Ich kann mir denken, daß der
> Borwurf der Schlappheit Marloh hart treffen mußte. Ich be-
dauere dies. Ich weiß nicht, ob Leutnant Wehmeyer zu seiner
Aeußerung Marloh gegenüber berechtigt war.
Die Beamtenbesoldungsreform.
Berlin, 5. Dez. In seiner gestrigen Sitzung beschäftigte
sich der interfraktionelle Ausschuß mit der Frage der BeaM-
t e n b e s 0 l d u n g s r es 0 r m. Es wurde einstimmig beschlossen,
die Reichsregierung zu ersuchen, die Vorbereitungen zur Besoi-
dungsresorm so zu beschleunigen, daß die Neuregelung ab 1. April
1920 bestimmt erfolgen kann. Im Hinblick auf die aufs Aeußerste
gefährdete wirtschaftliche Lage der Beamten beschloß der Ausschuß,
auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung die Frage der T eu e.-
rungszufchlägezu setzen.
Die Verfassung Heftens.
Darmstadt, 4. Dez. Die höfische' Volkskammer
trat heute wieder zusammen und beriet die Regierungsvorlage bett,
den Entwurf einer hessischen Verfassung. Einleitend bemerkte Mi-
nisterpräsident Ulrich: Nach Annahme der vorläufigen Ver-
fassung im Februar d. I. habe die Kammer der Regierung den
Auftrag gegeben, eine endgültige Verfassung vorzulegen. Diesem
Auftrag komme die Regierung hiermit nach. Der entscheidende
Einfluß auf die Arbeiten der Kommission war die Reichsverfas .
sung, die grundlegend für die Verfassungsrechte Heftens ist. Der
Satz, daß Reichsrecht vor Landesrecht gehe, diente dabei in erster
Linie als Kennzeichnung der Situation. Zur Mitarbeit fei Pro-
fessor Dr. Gmelin in Gießen herangezogsn worden. Die Reichs-
verfassung habe die politischen Grundrechte und Grundpflichten auch,
der Einzelstaaten festgestelit. In dem hessischen Entwurf sei der
Grundsatz befolgt, daß man nicht wiederholen brauche, was in der
Reichsverfaftung festgeiegt fei. Es handelt sich bei der hessischen
Versüßung um eine Art Einführungsgefetz zur Reichsverfaftung.
Das Verhältnis zwischen Reich und Einzelstaaten ist heute anders ,
geworden, da klipp und klar gesagt sei, daß das Deutsche Reich aus
den einzelnen Ländern zusammengesetzt sei. Einzelne Bestimmun-
gen, die durch Hie Reichsverfaftung festgelegt feien, schieden für die
hessische Verfassung aus, doch habe die Kammer einen gewissen
Einfluß darauf insofern, als sie Entschlüsse fassen könne, die in der
Nationalversammlung zur Geltung gebracht werden könnten. Da-
rauf ging der Ministerpräsident auf die Einzelheiten der Verfassung
näher ein.
Der Völkerbund.
Brüssel, 4. Dez. Die Konferenz der Vereinigungen für
den Völkerbund nahm den Statutenentwurf der Versammlung an,
der allerdings als provisorisch erklärt wurde und auf der
nächsten Konferenz einer Revision unterzogen werden soll. Als-
dann wurde eine Reihe von Anträgen beraten, darunter ein von
den italienischen und fftmzösischen Delegierten unterstützter Antrag,
der dahin geht, daß es jedem Mitgliedsiaate überlassen bleiben sott,
die Art und Weise der Ernennung der Delegierten selbst zu be-
stimmen, ferner daß von Absatz 2 Artikel 4 des Pariser Paktes so
schnell wie möglich Gebrauch gemacht werde (Erweiterung der
ständigen Vertretung des Rates). Diese beiden Anträge wurden
angenommen, desgleichen ein Antrag, daß eine Sonderkommission
einen Entwurf der Rechte und Pflichten des Völkerbundes ausar-
beiten soll. Im Zusammenhang hiermit gelangte ein schwedische?: .
Antrag zur Annahme, der den Völkerbund auffordert, sobald
möglich die Richtlinien festzustellen, die den einzelnen Naüsnali-
 
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