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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

DOI Kapitel:
No. 115 - No. 119 (1. August 1867 - 29. August 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0397
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Herausgegekm im Msimge des Uerems^ Ausschusses.


Heidelberg, den 29. August.

Inhalt:
Wochenbericht. — Aus Preußen. — Die fünfzehn Franzosen in Kopen-
hagen. — Die würtembergischc Freiheit. — Aus Baden. — Aus Thü-
ringen. — Zur Parteistellung in Thüringen. — Zeitungsschau.

Wochenbericht.
Frankfurt, 27. August.
'-'-'"f Auch in der verflossenen Woche drehte sich das
politische Gespräch beinahe ausschließlich um die Salzburger
Begegmlug^Es war aufs Ausgiebigste dafür gesorgt,"käß
die öffentliche Neugierde ununterbrochen rege erhalten blieb.
Niemals, unseres Erinnerns, ist der bei solchen Anlässen üb-
liche Mißbrauch des elektrischen Telegraphen zu so schamloser
Höhe getrieben worden, und die Wiener Zeitungskorrespondentcn,
die in Masse zugcströmt waren, haben ihr anerkanntes Talent,
eine Welt von Nachrichten aus dem Nichts zu schaffen, nie-
mals so glänzend erprobt, wie dieses Mal. Alles den Um-
ständen nach Mögliche und Naheliegende, nebst verschiedenem
Unmöglichen und Abenteuerlichen, kam zur Verwendung; neben
Humoristischem, z. B. daß Oesterreich an der Tilgung der
mexikanischen Schuld bcthciligt werben solle, lief entschieden
Tragisches einher, z. B. daß Napoleon dem österreichischen
Kaiser den Text des russisch-preußischen Bündnisses vorgclegt
habe. Im Ganzen überwog jedoch die Idylle, die Betheue-
rung des „eminent friedlichen" Charakters und Zwecks der
Zusammenkunft. Salzburg ist der Friede, so hieß die schließ-
liche, offenbar von Oben ausgegebene Losung, wie sie von'
einem Wiener Blatte formulirt wurde. Diese Nachbildung
einer der übelberüchtigtstcn Napoleonischen Phrasen mag ebenso
harmlos gemeint sein als sie wohlfeil ist, jedenfalls dient sie
vortrefflich dazu, die besondere Art von Friedlichkeit zu be-
leuchten, welche man für die Salzburger Absichten und Er-
gebnisse in Anspruch nimmt.
Denn wenn anders in jener Wolke von Spreu und Lügen
einige Körner Wahrheit sind, und wenn anders das das allge-
meine Urtheil dieselben richtig heransgefundcn hat, so ist dieses
Wenige bedrohlich genug, wenn auch nicht für den Augenblick, so
doch für eine nicht sehr entfernte Zukunft. Wir haben zunächst die,
m den mannichsachstcn Lesarten und mir auffallender Beflissenheit,
vor Allem in den der österreichischen Negierung vertrauten
Blättern wiedergekchrte Andeutung im Auge, daß eine der
Bedingungen, von welchen die beiden Mächte die von ihnen an-
gestrebte friedliche Entwickelung abhängig machen, die Einhal-
tung des Prager Friedens fei. Es braucht nicht erst gesagt zu
werden, daß es sich dabei weit weniger um das Schmerzenskind der
Kölnischen Zeitung, um den fünften, als um den vierten Artikel,
das Verhältnis; zum deutschen Süden, mit Einem Wort, „m
unsere nationale Lebensfrage handelt. Freilich, daß in diesem
Punkte die beiden Kaiser sich verstehen, hierin vor Allem ein
gemeinsames Interesse finden würden, war nicht anders zu
erwarten; auch find wir heute wie vor acht Tagen überzeugt,
daß es bei einer Verständigung „im Princip" vorerst geblie-
ben, zu bestimmten und förmlichen, auch nur eventuellen
Abmachungen nicht gekommen ist. Aber was wir nicht er-

1867.

wartet hatten, was auffallen und beunruhigen muß, das ist
die ostensible, pomphafte, geräuschvolle Weise, mit der von
Wien aus dieses Etnverständniß in die Welt posaunt wird.
Waltet hier nicht ein ganz besonderes Ungeschick ob, so muß
eine böse Absicht zu Grunde liegen, die Absicht, für eine
baldige neue Verwicklung Preußens mit Frankreich die Saat
auszuftrcucn. Denn diese unerträgliche Anmaßung Napoleons,
Preußen, wenn auch nur durch den Mund eines Dritten, in
einer inneren deutschen Frage ein Bishieher und nicht weiter
zuzurufcn, cs ist kaum zu glauben, daß man sie in Berlin still-
schweigend und ohne einen Gegenzug hinnehmcn sollte. Werden
also jene dreisten Angaben der Wiener Blätter nicht alsbald in
der bündigsten und unzweideutigsten Weise widerrufen, so steht
binnen Kurzem ein neuer Wortwechsel mit Frankreich zu er-
warten, unter der stillen Begleitung verstärkter Rüstungen
hüben und drüben..
Dazu kommt nun weiter die mit großer Bestimmtheit auf-
trctendp Nachricht der Krenzzeitung, wonach die Herstellung
eines deutschen Südbundes unter Betheiligung Oesterreichs
den Kern der Salzburger Uebereinkunft gebildet habe. So
unglaublich das klingt, unglaublich vor Allem, daß die beiden
Brächte in dem nämlichen Augenblick, wo sie den Prager
Frieden als Grundsäule der Zukunft hinstellen, diesen näm-
lichen Frieden zu brechen sich vornehmen: so scheint doch, nach
einer Reihe sonstiger Jnzichtcn, kaum noch ein Zweifel daran
gestattet. Nicht als wäre bereits irgend ein Ergebniß erreicht,
im Gegcntheil, soweit zur Grundlegung des Südbnnds
schon in Salzburg ein erster Versuch gemackst wurde, ist der-
selbe allem Anschein nach vollständig gescheitert. Ob wirklich
der junge König von Bayern der Einladung Napoleons Folge
leisten wollte, nnd nur durch die entschiedene Einsprache Hohen-
lohe'S sich abhalten ließ, mag dahin gestellt bleiben. Genug,
von den vier südstaatlichen Fürsten, die man sämmtlich hätte
dabei haben müssen, war nur einer erschienen, der zufällig
in der Nähe befindliche Großherzvg von Hessen, dessen un-
zweifelhaft große Willigkeit glücklicher Weise zu seiner Bedeu-
tung im umgekehrten Verhältnisse steht. Und daß auch die
weiteren Bemühungen, dem Dinge zum Leben zu helfen, in
ein klägliches Nichts auslaufen werden, dafür ist, aus all-
bekannten Gründen, vor Allem durch die unüberwindliche Ab-
neigung Baierns, hinlänglich Sorge getragen.
Bei Alledem ist schon der bloße Versuch, eingestellt unter
dem Vortritt Frankreichs, eine offene Herausforderung, eine
grobe Beleidigung Preußens und Deutschlands. Es bedarf
darüber keiner Worte und keiner Gründe; diese Schmach
muß Jeder empfinden, der nur einen Anhauch vaterländischen
Ehrgefühls hat. Einerlei, ob und wie die preußische Regie-
rung dagegen auftrcten wird; vor Allem ist es Pflicht der
Nation, diese bodenlose Unverschämtheit nach Gebühr zurück-
zuwciscn. In erster Linie müssen sich die Nächstbcthciligten,
die Süddeutschen, rühren, und durch unmißverständliche Kund-
gebungen dem Bonapartismus das Gelüste, Rheinbund zu
spielen, gründlich und einfürallcmal verleiden. Es darf über
ihre Gesinnungen hierüber, mögen sie über den Eintritt in
den Norddeutschen Bund und alles Andere denken wie sie
 
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