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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 16.1905

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Jaumann, Anton: Über Glasmalerei und Kunstverglasung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7502#0053

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INNENDEKORATION

AIDNSTOLZ

Dcirmftadf 1905.

FEBRUAR-H£n\

Uber Glasmalerei und Kunstverglasung.

Pa im modernen täglichen Leben eine grosse
Armut an Farbe um sich gegriffen hat und
unsere Augen gezwungen sind, die meiste
Zeit, sei es auf schwarzen Lettern eines Buches
oder schwarzen Zügen einer Schrift, auf grauen
Häusern, schmutzigen Strassen oder auf dem Rauch
von Fabrikschloten zu ruhen, wächst in uns, als
natürliche und notwendige Reaktion dagegen, eine
starke Sehnsucht nach Buntheit und Farbigkeit
heran. Unter den Mitteln, die dieser Sehnsucht,
Farbe ins Leben einzuführen, entgegenkommen, ist
eins der wichtigsten und aussichtsreichsten die Ver-
wendung bunter Fenster. Sie erfüllen diese Auf-
gabe nicht nur deswegen so gut, weil sie, als Quellen
des Lichts, eine relativ bedeutende Stellung im
Räume einnehmen und deshalb von den Augen
besonders oft getroffen werden, sondern auch weil
ihre Farben von der höchsten Intensität und Leucht-
kraft sind und somit das Prinzip der Farbigkeit
am allerstärksten vertreten.

In der Tat kann sich ihnen an Glut und Ein-
dringlichkeit nichts vergleichen; sie geben die Farbe
in ihrer vollsten Kraft; sie geben eine jede einzelne
rein, für sich, abgeschlossen und getrennt von den
Nachbarn durch die schwarzen Konturen des Bleis,
und es wirken in ihnen die Strahlen der Sonne
selbst, aus denen das Glas nur jeweils eine Farbe

herausholt. Alle übrigen Gegenstände sehen wir
in indirektem, reflektierten Licht, sie schicken uns
Licht erst aus zweiter Hand, und kein anderes Bild
kann so wie jenes aus Glas seine Farben, seine
Figuren aus dem Schein der lieben Sonne selbst
zusammensetzen. Und für seinen Raum übernimmt
das Fenster wirklich die Vertretung der Sonne.

Welch ein merkwürdiges Verhältnis ergibt sich
aus dieser singulären Eigenschaft des Glasbildes
zwischen ihm und den Gegenständen der Natur,
wenn es solche zur Darstellung bringt! Solange
es eine aufgehende Sonne, ein Mond oder deren
Spiegelungen im Wasser sind, bleibt das Leuchten
noch verständlich; nun aberleuchten auch Blumen,
Bäume, Tiere und Menschen! Wer hat solches je
in der Wirklichkeit gesehen ? Bei der gewöhnlichen
Malerei ist es gerade umgekehrt; sie erzeugt in der
Regel Farben und Licht von der gleichen Gattung, wie
sie die Vorbilder in der Natur haben; nur die relativ
seltenen Fälle machen eine Ausnahme, wo Sonne
oder Mond oder Lampenlicht im Bilde vorkommen.

Hier stehen wir vor Schranken, wie sie sich
um jede Kunst ziehen, und wieder wird es uns klar,
dass keine je vollkommene Naturtreue erreichen
kann. Allein, darum braucht das Kunstwerk vor
der Natur nicht zurückzustehen, wir erfinden eben
sozusagen eine andere Natur, für das Glasfenster

1805. 11.1.
 
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