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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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— —

erbunrate

Auflage 3000.


O



2


I

— « —






Abouuement:
Deutſchland u. Oeſterreich M 2.50

Nr. 3.


Stuttgart, 17. Januar 1894,
Erſcheint wöchentlich.)

Anzeigen:
Die Nanparelllezeite oder deren
Raum 20 Pfennig,

2, Jahrgang.

Die Bezugsbedingungen ſind auf der letzten
Seite in jeder Nunımer abgedruckt, — Erfülungsort für
die Lieferung und für die Zahlung: Stuttgart.

Probe⸗Nummern. Sollte durch Zufall eine
Probe⸗Nummer an einen Empfänger gelangen, der
kein Intereſſe für Antiquitäten hat, ſo bitten wir, die-
ſelbe an einen Sammler weiterzugeben.

des Kgl. Bibliographiſchen Muſeums zu Leipzig.
Ein Barbarismus des 19. Jahrhunderts!
Von Geo. J. Bruck.
QNachdruck verbotem.

— — —

Es war im Mai d. J. 1878, als in einem von
der Paxiſer Antiquariats-Firma Bachelin= Deflorenne
‚ausgegebenen Auktions-Katalog vor den Augen der er-
ſtauuten Fachwelt ein bishet unbekannt gebliebene8
Exemplar der berühmten 42=zeiligen Gutenberg=, {oge:
nannten Mazarin-Bibel, auftaͤuchte.

Dieſes, in dem betreffenden Kataloge ziemlid) korrekt
Eſchriebene Exemplar war ein praͤchtoͤoll breitrandiges
Vergamentexemplar, und enthielt außer zahlreichen, in
Farben und Gold prangenden SInitialen, eine Anzahl
ſchön ornamentirter Raudkeiſten, Jowie 135 kleine Minia-
turen, Illuſtrationen zur Bibel. Der Katalog ver-
Ihmieg auch nicht, daß ein ganzes Blatt — durch den
Berühmten Reſtaurator Pilinskiy — erfegt fet und gab
zuch einige, von dem Künſtler hHerrührende „Raccomo-
dage3“ zu. Ddie in 2 Bände gebundene Bibel trug noch
ihren erften Einband in braunem Kalbsleder mit ein-
gepreßten Ornamenten, die leider nicht näher beſchrteben
jind, und Reſte der Ketten, mit denen fie an ihr Ge-
ſtell befeſtigt war. Die Herkunft der Bibel war nicht
‘angegeben — glauhwürdigen Berichten zufolge war fie
nebſt anderen werthvollen Büchern und Manufkripten
aus Spanien zum Vexkauf nach Paris gefandt worden.

Leider iſt — durch die inzwiſchen erfolgte Auflöfung
der Firma — jede Höffnung erlofchen den urſprüng-
lichen Aufbewahrungsort der Bibel ausfindig zu machen,
vielleicht daß ein deſonderer Glückszufall unzZ Hierüber
gelegentlich aͤufklärt.

Am Zuni 1878 fand im Hotel Drouot zu Paris
die Berſteigerung der im dem ermähnten Kataloge aufz
geführten „livres rares et precieux“ ſtatt, doch blieb der
erzielte Breis der Bibel jo weit hinter den gehegten
Erwartungen zurück chatte doch daͤs Perkins'ſche
Vergamenſeremblar derſelben Bibel, das/ einige Jahre
borher, 1873, in Loͤndon berſteigert worden war,
77,000 ME, erbracht —)-daß diefes auffalende Greig-
niß lebhaft in der Faͤchwelt beſprochen wurde und zu
den maumigfachſten Kommmentaren Veraulaffung gab.
Wie verlautet, haͤtten ſich die englifhen und franzöſi-
ſchen Liebhaber und Händler an der ſchlechten Erhaltung

der Bibel geftoßen, trotzdem der Katalog nur ein Blatt
als ergänzt und einige „NRaccommodages“ angab.

Seit dieſex Verfteigerung nun blieb diefes beftimmt
arakterifirte Exemplar der Guͤtenberg Bibel verfohollen.
Eingeweihte wollten zwar behaupten, daß es nach Deutſch-
land gewandert ſei fanden aber wenig Glauben, da
unſere Vibliophilen ſelten in der Lage, nodh feltener
in Dder Laune ſind, die für den Crwerb eines ſolchen
Bibliothekſchatzes noͤthige Summe opfern zu können.

vom 31. Oktoher bis 11, November 1883 veranſtaltete
der Verein Dresdener BuchhHändler zum Beiten des
Carola-Haufes eine Ausftellung feltener firchenhijtoriicher
Manufkripte und Druͤckwerke Dieje Ausſtellung umfaßte
zirfa 800 Werke, ausſchlichlich dem bibliographiſchen
Muſeum Heinrich Klemm’3 entlehnt, daͤs hiermit zum
erſten Mal einem größeren Bublikum vorgeführt wurde.
Als Hauptſtück der Ausſtellung paradirte ein Pergament-

Sremplar der Gutenberg⸗Bibel, deſſen Beſchreibung, von
Klemm herrührend und dem Kataloge dieſer Au3ftell:
ung entnommen, wir folgen lafjen.

„91. Biblia sacra vulgata. Mainz, Joh. Gutenberg
1450—1455. Die zweinndvierzigzeilige, auch Mazarinz
Bibel genannt, in zwei ſtarken Folio-Bänden auf Perga-
ment gedruckt.

Von diejent erhabenſten Denkmale der größten Er-
findung des Menfchengefchlecht3 , das Johann Gutenberg
ſich ſelbſt errichtete, Haben wir hier unter allen noch be-
fannten S Bergament-Cremplaren das CGinzige mit Minia-
tur Malereien und zugleich das {hönfte in jeder Be-
ziehung vor uns, deffen waͤhrhaͤft fürftliche Ausſtattung
ſich ſelbſt auf die Einbände erſtreckt, die im Gelhmace


der Früh⸗Renaiſſance aus perſchiedenfarbigen Holzarten
zuſammengeſetzt und mit ſtarken Silberbeſchlägen reich
ornamentitt ſind.

Auf ausgeſucht ſchönes großes Pergament mit ſehr
breitem Rande gedruckt, macht das herriiche Werk beim
erſten Anblick mehr den Eindruck eines häͤndſchriftlichen
Coder, da es ganz in jener Iuxuridjen Weije ausSge-
ſtattet ijt, in welchev ſchon vor Gutenberg’3 Zeit hoͤhe
fürſtliche Berfonen einzelne Manufkripte für den eigenen
Handgebrauch durch Maler und Schreibkünſtler erften
Raugẽs herſtellen ließen.

Sänimtliche Zeilen des 641 Blätter umfaſſenden
Werkes ſind nämlich mit roiher Tinte unterftirihen und
jede einzelne Kolumne noch beſonders duͤrch Ddoppelte
rothe Linien höchſt gleichmäßig eingerahHmt. 3 mwareit
daher auf den überhaupt bedruckten und Lintirten 1276
einzelnen Spalten nicht weniger als 122,752 QLinien
jorgfältig mit der Hand auszuführen! .

Jedes einzelne Buch durh das ganze Bibelwerk
heginnt mit einem großen, buntgemalten und reich mit
aͤchtem Golde belegten Initial-Buchitaben, an welchen
ſich jedeSmal eine prächtige Randmalerei in Gold und
mehreren Farben anfchließt und meift über die ganze
Länge und Breite des Blaͤttes geht. Dergleichen große
Initialen ſind 104 vorhanden, alle in ihrer ur|prüng:
lichen wundervollen Schönheit wie neu erhalten.

Dazu geſellen ſich aber noch eine ungleich groͤßere
Anzahl von mittleren und kleineren Initialen, alle eben-
jo ISn in Gold und Farben gemalt. Mit einem ſolchen
Initial Buchſtahen beginnt nämlich jede8 einzelne Kapitel
durch das ganze Bibelwerk, ſo daß fihH ihre Gefammtzahl
auf 1334 belaͤuft. Alle wechſeln unter fich ſtels in den
Hauptfarben ab.

Eir wahres Unikum in ſeiner Art bildet aber unſer
Exemplar durch die Hunderte von bildlichen Darſtellungen
be3 Bibeltexte8, wie ſie nach Gutenberg’3 Zeit in ähn-
licher Weiſe durch Holzſchnitte eingedruckt und dann zu-
weilen bunt ausgemalt murden. SIn unfer m Eremplare
ſind dieſe Miniaturen auf den untern Rand der Blatt-
ſeiten mit der Hand gemalt, und jede&smal von reichen
Arabesfen in Gold und Farben umgeben; fie find jeden-
falls das Werk eines nicht unbedentenden Künftler3, uınd
ſicher wurde unjer Erenplar nur für eine hHohe fürft-
liche Perxſon ſo prachtvoll ausgeftattet

Außer den acht Bergament-Cremplaren kennt man
von dieſer ehrwuͤrdigen Gutenberg Bibel noͤch neun auf
apier, wopon das hubſcheſte bei Sord Spencer. Das
Bergament-Cremplar von Perkins in Londoͤn ging 1873
für 77,000 Mark in andere Hände über. Nır vier
Sremplare dürften zur Zeit noch in Privatbeliß fein.
Aber leider nicht alle find fomplett; jelbit in dem Ber-
gament-Cremplare der Königlichen Bibliothek in Berlin,
das im Nebrigen als eines der ſchönſten gilt, fehlen ein
paar Vlätter 20 26, 26

Auf allgemeinen Wunfh“ fand bald darauf eine
Wiederholung der Ausſtelluug in der Buchhändlerbörfe
zu Leipzig ſtatt: Die Frucht dieſer Auzftelungen reifte
auch alsbald in Geſtalt einer Landtagsvorlage, die
zwecks Ankauf der gefamniten Sammlung 400,000 ME.
zur Begründung eines Kgl. Bibliographiſchen Muſeunis
 
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