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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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Verbürgte

Auflage 3000.


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4

un d Alterthumskunde.


Verbürgte

Auflage 3000.


Abonuemieut:
Deutſchland u. Oeſterreich M 2.50
vierteljährlich, Ausland S. .

Stuttgart, 21. März 1894.

Erſcheint woͤchentlich.)

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfennig.

2. Jahrgang.

Die Bezuasbedingungen ſind auf der letzten
Seite in jeder Nummer abgedruct, Erfüllungsort für
die Lieferung und für die Zahlung: Stuttgart!

Die Funde von Oberflacht.
Mit 6 Illuſtrationen.
Nachdruck verboten)

— — —

4 die alten Zeiten der Minneſänger, in die Zeiten
der altdeutſchen Heldenſagen fühlen wir uns

ſe daß vollſtändiger Luftakächluß das Vermodern ver-
hinderte. Die Füße der Tooͤten waren noch Oſten ge-
legt. „Die Todtenbäume waren faſt alle aus Eichen-
Holz, mur einige wenige, welche aber zerſtört waren, aus
Birnbaumholz. Auf den Deckeln der Nännerſärge ſind
zwei Schlangen ausgearbeitet, ſo daß ihre gezahnten
Leibex auf dem Rücken des Sarges zuſammenlaufen,
ihre Köpfe aber an beiden Enden des Deckels hervor-
ſtehen und als Handhaben dienen. Einige dieſer
Schlangenköpfe haben Zähne und Hörner oder Ohren.
Einige Särge waren keine Todtenbäume, ſondern Tooͤten-

Särgen. . Zu, Füßen der Todten ſtanden Hokzteller,)


oft von achtunggebietendem Inhalt; auch Zhongefäße.
Schwerter, LZanzen, Bogen und Pfeile lagen ſtets zur
Kechten der Todten; zur Linken befanden ſich ier
die Meſſer und die weiblichen Seräthjhaften.“ 3u
Füßen der Todten ſtehen oft kleine Holzacfäße mit Haſel-
nüjjen. Schwerter, Lan zenſpitzen, Meſſer, Pferdegebiſſe,
Schlüffel waren von Eiſen, zum Theil mit Bronce,
Silber und Gold verziert; Bronce mar Pferdeſchmuck,
ferner Bartzangen und ein Sriffel. Aus Holz waren
gefertigt außer den Zodienbäumen, Todten-

zurückverſetzt, wenn wir den neuentdeckten
alemanniſchen Grabfund betrachten, von dem
Direktor Dr. A. Voß einen Theil in der
letzten Sitzung der Anthropologiſchen Ge-
ſellſchaft in Berlin vorzeigte. Schon im
Anfang dieſes Jahrhunderts wurden am
Lupfen beim Dorfe Oberflacht, unweit der
durch ihre vielen Grabfunde bekannten Stadt
Tuttlingen in Württemberg, durch einen
Ziegelbrenner beim Lettegraben eigenthüm-
liche Gräber entdeckt. Doch erſt 1846 wur-
den durch Hauptmann v. Dürrich und Dr.
W, Menzel methodiſche Ausgrabungen vor-

beitſtelen und den um ſie gezimmerten

Bohlenmänden, noch Schaalen, Schüffeln,
Trinkbecher, Flaſchen auf einer Seite flach
wie die ſogenannten Pilgerflaſchen, Bogen,
Pfeile, Stäbe, ein Schild, ein Krug eine
Kufe, ein Fäßchen und mehrere größere
Kübel auch jymbolijche Gegenſtände waren
aus Holz geſchnitzt, beſonders ſogenannte
Todtenſchuhe mit reicher Kerbſchnitzerei,
hölzerne Hände, eine Tafel mit Zeichnungen
Handſchuhe, Sandalen und Reſte anderer
Fleidungsſtücke beſtanden aus Leder; auch

genommen, angeblich bis zur Erſchöyfung
des ganzen Gräberfeldes, welchẽ vollſtändig
neue Ergebniſſe lieferten. Die Gräber von
Oberflacht bieten einen bis zur Auffindung
vollſtändig unbekannten Typus von Gräbern.
Die Todten ruhen nämlich in „Todten:
bäumen!, das heißt in Särgen, die aus
vollen Eichenſtänimen gearbeitet ſind. Man
ſpaltete einen an den Enden mit der Art
hearbeiteten Bauniſtamm von 21/„ Meter
Länge und höhlte die Hälfte aus. Der-
artige Baumſärge ſind auch von einigen
anderen Fundſtätten bekannt; die Gräber
von Oberflacht unterſcheiden ſich indeſſen
durch ihren ganzen Aufbau, die Ausſchmück-
ung der Saͤrge und durch die Beigabe ſo
vieler hölzerner Geräthe, die anderwärts
gar nicht oder ſelten vorkommen, v. Dürrich
und Menzel öffneten nicht weniger als vier-
zig Gräber; zwölf von dieſen waren ganz

Seidenband und waffelförmig und einfacher
gemuſtertes Tuch wurde gefunden.
Schmuck dienten Ringe, Schnallen und
Broſchen von Bronee, Kämme, Amethyſt
Bernſtein, viele Glasperlen. Eigenartig iſt

auch die Beigabe vieler Haſelnüſſe, Wallnuͤſſe,

FPfirſich⸗ Pflaumen⸗ und Kirſchſteine, Birnen
und Birnenkerne, zweier Kürbiſſe, ferner

von Moos, Stroh und Blättern, von Haſel-
ſtecken, ſchließlich von Speiſereſten in den
meiſten Gefäßen! Sin Leichnam ſcheint der
eines Hingerichteten zu ſein! Der Kopf lag
ihm zwiſchen den Füßen, das Geſicht nach
oben gewandt; ſein Bogen war, in drei


Theile zerhaͤckt, ihm auf den Leib gelegt
worden. Die merkwürdigſte Beigabe aber
bildete ein Theil eines Saiteninſtrunientes,
das neben dem Schwert im rechten Arm
eines Mannes, nach dem Schwert zu ur-
theilen, eines Freien oder Herrn lag. Leb-

ohne Beigaben, die übrigen zerftelen in drei
Gruppen nicht regelmäßige Reihen! Die

erſte höchſtgelegene Gruppe barg nur Gräber

von Männern, bei denen ſich Eiſenwaffen

und andere Auszeichnungen des freien oder Herrenſtan-
des fanden; die mittlere Gruppe enthielt Männergräber,
bei denen ſich nur Bogen und Pfeile und lange Stäbe,
vielleicht als Zeichen der Knechte, befanden; die dritte
Gruppe, unten in der Wieſe gelegen, enthielt nur Gräber
von Frauen und Kindern. Alle Särge waren von Eich-
bäumen und lagen 4 bis 5 Fuß tief mit ihrem höchſten
Punkt unter der Oberfläche. Alle Holztheile waren von
wunderbarer Erhaltung, da die über den Gräbern liegende
Lettenſchicht das Eindringen der Tagewäſſer verhinderte,
andererfeits aber die Gräber mit Waſſer gefüllt waren,

Fig. 6. Oberflachter Todtenbaum.


und der Leuchter Fig. 1, S, 983,

bettſtellen und zeigten zwiſchen vier Pfoſten zierlich ge-
drechſelte Geländer! Der eine war in zwei Stockwerke
getheilt. Ein anderer von 111 Fuß Länge hatte drei
Abtheilungen der Länge nach Siner hHatte ein Giebel-
dach auf deſſen Firſt die beiden Schlangen, wie an dem
Deckel der Todtenbäume angebracht waren. Die ge-
ringeren Särge lagen frei in der Lette; die beſſeren
lagerten unter einer Bedachung von Längs⸗ oder Quer-
brettern, einige der beſten Särge waren von dicken Eichen-
bohlen umgeben, wie von einem beſonderen Kaſten.“
Die Beigaben lagen mit wenigen Ausnahmen in den

haft werden wir hier an die Minneſänger
und an die Helden alter Zeit gemahnt,
welche zu ihrer Laute Klang ihrer Vorfah-
ren und ihre eigenen Heldenthaten den
Stammesgenoſſen beim frohen Gelage vor-
ſangen. Denn daß fie auch mannhafte Zecher waren
geht aus den vielen Trinkgefäßen hHervor, die ſie bet
ſich haben. Es waͤren eben alte Deutſche, und die
tranken immer noch Sins“,

Einer der reichſten Funde iſt nun der, der vor
Kurzem durch Herrn Stadtoberpfarrer Schad in Tutt-
lingen zu Tage gebracht und gegen Erſtattung der
Baarauslagen dem Berliner Mujeum für Völkerkunde
überlaſſen wurde. Es iſt ein Grab mit Todtenbett-
ſtelle gewejen, umgeben von einem großen Kaſten von
4 Zoll ſtarken Eichenbohlen, von denen ſich die ganze
 
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