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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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Verbürgte

Auflage 3000.


und Alterthumskunde.

W

— —

Verbürgte

Auflage 3000.


Stuttgart 1894.

Abonnement :

Nr. 41,

vierteljährlich,


Stuttgart, 10, Ottober 1894,

Erſcheint wödentlich,)

Auzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg,

2. Jahrgang.



Die Bezugsbedingungen ſind auf der Tegten
Seite in jeder Nummer abgedruckt, — Erfüllungsort für
die Lieferung und für die Zahlung: Stuttgart.,

Ueber Sammlungen.

(Nachdruck verboten.)

@ie Grenze zwiſchen einer bloßen Auhäufung von
werthpollen Kunftgegenitänden und einer Sammlıng —
im Sinne der zahlreichen Kabinette engliiher und fran-
zöſiſcher Siebhaber — wird bei uns bis jeßt noch wenig
beachtet. Denn unſere befitzende Klafje ermangelt noch
'theilweije des nur durch -algemeine und künſtleriſchẽ
Bildung zu gewinnenden feinerzn Kunſtſinnes, ohne
welchen e& nicht möglich iſt über die Eigenartigkeit und
den inneren oder Außeren Werth eines Kunft-SGegen-
ſtandes ein ſicheres Urtheil zu fällen, oder mit Sach-
kenntniß und Geſchmack eine Sammlıng anzulegen.

Ein Kunſtwerk iſt das Reſultat nicht des lechniſchen
‚RönnenS allein, ſondern vorzugsweife die Frucht eines
raſtloſen, oft mühſamen Vorwaͤrtoftrebens eines Arbeitens
nit ganzer Kraft, ganzem Fuͤhlen und ganzem Denken.
Nux wenn all’ diefe Bedingungen erfült find, gelingt
es dem wahren Künſtler, ein Werk zu ſchaffen, das ganze
Senerationen von Menſchen — troß der Verſchiedenheit
ihres Geſchmackes und ihrer Denkungsweije — anregt,
erfreut und begeiſtert.

Die Gedanken und Empfindungen, welche der Künſt-
ler in ſein Werk hHineinarbeitet, {prechen immer und
immer wieder zum Bejchaner, Steckt in einem Kunſt-
werk, ſei e& monumental oder der Kleinkunſt angehörig,
dieſer geiſtige Werth nicht, — danın „Jagt e8 un& nichts“
und wird bald nicht mehr beachtet.

Bielen Menſchen fehlt e8 jedoch an Beit, an Luſt
„oder an Selegenheit, ſich eingehender mit künſtleriſchen
Dingen zu beſchäftigen, und nıcht Zeder ift in der Lage,
7{9 ganz ohne Vorbereitung die Sprache des Geniu8 in
einem Kunſtwerk zu verfiehen. Ein geringer Grad geiz
ſtiger Bildung iſt zwar nicht immer ein Hinderniß, das
künſtleriſch Schoͤne erkennen zu fönnen. Die Meiſten
kommen aber über ein verſtänduißloſes Anjehen des
Kunſtwerkes nicht hHinweg, wenn ihrer ungeübten Auf-
faſſungsgabe nicht nachgeholfen wird. Diejes geſchieht
in erſter Linie durch daͤs immer erneute Studium und
das Hineinleben in die Axheiten der Künftler, ferner
‚aber auch durch die Kunſtgeſchichtsforſcher Khre Studien
und praktiſchen Kenntniffe alter und neuer Kunſt und
‚Künftler, verbunden mit tedhnijhem 1nd wiſſenſchaft-
lichem Verſtändniß, befähigen fie, durch faͤchliche Gr-
klärungen und vergleichende Hinweije die fehlende Ver-
trautheit mit Kunftgegenftänden bei dem Beſchauer zu
vermitteln, ſowie das Sehen und Erkeinnen der inneren
Schönheit eines Kunftwerkes dem ungeſchulten Auge zu
erleichtern. Denjenigen, welche alsdann durch ihre gei-
ſtige Arheit bei dem Sehen die ganze Tiefe einer künſt-
leriſchen Abſicht und Auffaffung ahnen oder zu erkennen
vermögen, ſteht das Thor zum Laradies des Kunſtge-

nuſſes offen und es wird ihnen gelingen einzudringen
in die Zaubermittel des Künftler2, und Form und Farbe
zu begreifen.

Der Kunſtſinn bedarf gerade ſo wie andere natlir:
lihe Anlagen — 3. B. ſcharfes Auge oder mufikalijches
Sehör 20 — einer {orgfältigen Ausbildung und viel-
ſeitigen Pflege, um ſich vol und ganz zu entfalten.
Dank jedoh dem Wirken zielbewußter Männer, unter
welchen namentlich RKünftler, Kunftforjeher und Kunſt-
liebhgher verallgemeinert fich mit zunehmender Kultur
und Bildung in allen Schihten der Bevölkerung die
Frende, das Verftändnik — und was die Blüthe der
Ziviliſation iſt das Behürfuißz nach Kunſt.


Eine praktiſche Folge hiervon ift, daß ſowohl Ver-
itändniß und Liebe für einheimijche Kunſt, als auch
Intereſſe und Achtung für die fremdländiſche geweckt
wirb; ferner daß jest — mehr als in früherer Zeit —
aud) bei uns verftändnigvole Berfonen anfangen, ſich
Sammlungen anzulegen, namentlich aber den nicht
immer ausreichend dolirten Mufjeen und Inſtituten Zu-
wendungen, Stiftungen oder Vermächtniſſe zu maͤchen,
theils um werthvolle Kunftgegenitände zu erwerben, theils
um ſolche dem Lande zu erhalten und einer Verſchlepp-
ung vorzubeugen.

Durch ſolche patriotiſche Handlungsweiſe und Be-

ſtrebungen wird der Reichthum des Landes — der öffent-
liche Beſitz in Mufeen — vermehrt. Ferner. wird den
einheimijchen Künften und Indultrieen dadurch weſent-
lich gemüßt, 3 B. durch muſtergiltige Borbilder, Au-
regung neuer Sedanken, Verbeſferung in der TeHnik,
in der Form, in der Farbe, Verniehrung der VBerwens
dungsarten und Erzeugung neuer Bedürfniſſe und Inz
duſtrieen re.

Schließlich muß noch erwähnt werden, daß durch
öffentliche Kunſtiuſtitute der Bevölkerung Gelegenheit
geboten wird, das natlirliche Bedürfniß nach Ruhe und
Bergnügungen in anregender und belehrender Weiſe zu
hefriedigen, und zur Verbefferung des guten Geſchmackes
beizutragen.

So ſehr lange iſt es bei uns in Deutſchland nicht
her, daß Kunſt für ein unnöthiger Luxus gehalten
wurde und die mißverſtandenẽ Einfachheit bei WohHnungen
und Gehrauchsgegenſtänden in Geſchmackloſigkeit und
Kleinlichkeit auszartete,

Die fortſchreitende Kultur und der politiſche und
wixthſchaftliche Auffchwung haben auch dies gebeſſert
und eine große Zahl erfprießlicher Unternehmungen ge-
zeitigt, bel denen die verjchiedenen Kunftinduftrvieen eine
hervorragende Role ſpielen

Verſtändnißbolle Fürften (darunter namentlich der
Lönig von Württemberg. D, R.) und eine zielbewußte
Regicrung ſehen ihr wohlberſtandenes Intereffe darin,
den Handel und die Künfte fich kräftig entwickeln zu
laſſen für Mühe und Arbeit Gewinn und Nutzen —
und hierdurch SchaffenSfreudigkeit und Ausdauer — zu
fördern wohl wiſſend, daß je reicher Die Bevölkerung
wird/ defto opferfähiger, fteuerfräftiger und opferwilliger.

Zur Entwicdelung unferer, trotz mancher Hinderniſſe
{tetig fortſchreitenden Kuktur bedarf es großer, mate-
rielex Mittel und der Unterftüßung von Wiſſenſchaft
und Kunſt, welche ihrerſeits wieder durch erhöhte Kultur
gefördert werden Die Kunft aber hat vor der Wiſſen-
ſchaft voraus, daß ſie leichter allen denkenden Menſchen
zugänglich und verſtaͤndlich ift, Die wahre Kunſt erfreut,
beruhigt, regt an, und belehrt alle Die, ſo Augen haben
zu ſchen und Herz haben zu fühlen, deun man braucht
Kunſt nicht ſtudirt zu Haben, um fie zu genießen.
(Springer)

Erſte Erfahrungen des Schwei-
zeriſchen Laudesmuſeunis.

Nachdem die Organifation des Landesmuſeums in
Zürich nun ſchon fo lange in Thätigkeit geweſen ift,
laffen ſich mit ziemlicher Sicherheit gewiſſe Schlüffe
ziehen, die ein allgemeines Intereffe beanjpruchen fönnen,
berichtet Direktor Angft. AMbgejehen von politiſchen und
finanziellen Bedenken find fruͤher zwei ſachliche Haupt-
gründe gegen die Errichtung eines Lande8mujeums vor-
gebracht worden, die zur Zeit nicht ſo leicht zu wider-
legen waren. ©3 wurde erftenz gejagt, dak e& unmöglich
jeti, eine des Landes wuͤrdige Sammlung anzulegen,
indem das Material Hiezıu nicht mehr eriſtire, und
 
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