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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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Zentral⸗Organ für Sammelweſen

„ |

Auflage 3000, * ⏑ ⏑ Auflage 3000.
Serausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerſtraße 2.

; H } MAbonnenient:
%t‚. 20. Deutſchland . Defterreih A 250

vierteljährlich,


Stuttqart, 16. Mai 1894,

Erſcheint wöchentlich)

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfennig.

2. Jahrgang.

Die Bezugebedingungen ſind auf der letzten
Seite in jeder Nucnner abgedruckt! — Erfülungzort für

die Lieferung und für die Zahlung: Stuttgart.

Aus der Merouingerzeit.
(536—748,)
Mit Illuſtrationen Seite 153 und 157.
(Naddruck verboten.)
DE

Ein Beweis, daß auch unker der Franken-
herrſchaft das alemanniſche Volksthum ſeine
Eigenthümlichkeit ſich wahrte, iſt die ſchrift-
Liche Aufzeichnung des alemanniſchen Geſetzes,
welche ‚nad) mehreren Vorarbeiten unter dem
Frankenkönige Dagobert (628—638) durch
die rechtserſtändigen Männer Claudius, Cha-
doinus, Magnus und Agilulf cletzterer wahr-
ſcheinlich ein Biſchof von Balence) erfolgt.

Den Hauptinhalt desſelben bildet ein
Verzeichniß der Geldbußen, welche in Folge
widerrechtlicher Handlungen an den Kläger
entrichtet werden mußten, Mordanſchlag auf
den Herzog und Tödtung eines Biſchofs wird
mit dem Tod, Landesberkätherei und Meuteret
mit Tod oder Verhannung Empörung eines
Herzogsſohnes mit Cnterbung beſtraft. Sigen-
thümlich iſt die Strafe, die auf der Flücht
in der Schlaͤcht geſcht iſt: nämlih Be-
zahlung von 160 Schilling an den Reben-
mann, welcher fortfämpfte. Einen Vorzug
räumt das Geſes den Frauen und den Prieftern
ein. Die Tödtung eines Mannes aͤns dem
Stande der Edlen wird mit 240 Schilling,
die einer edlen Frau mit 480 Schiling ge-
hüßt, während die Tödtung eines Pfarrers
600 Schilling koſtet. Noch ſtrenger wird die
Tödtung eines freien Mannes beſtraft, der
hinterliſtig in Jeinem Hauſe überfallen wird,
nämlich mit 1440 Schilling. Eine ganze
Menge von Körperverlekungen wird aufge-
führt/ von der einfachen Beule bis zum Zer-
ſchlagen des Hirnſchädels Diebſtaͤhl wird
durch einundachtzigfachen Erſatz des Werth-
betrags gebüßt.

Die Aburtheilung der Miſſethäter fand
in einer Volksverſammlung der freien Männer
{tatt, welche der Gaugraf oder ſein Stellver-
treter oder der Landvorſteher zuſammenrief.
Wenn ein Eid geſchworen wurde, ſo mußte
der Schwörende Eidhelfer haben, das heißt
ſolche Perſonen, welche zu dem Eid des
Schwörenden hin die Wahrhaftigkeit des
Mannes noch durch einen beſonderen Eid bekräftigten.
Die Entſcheidung einer Sache, welche ſonſt nicht zum
Austrag gebracht werden konnte, wurde dem „Gottes-
urtheil! (Ordal), das heißt in den meiſten Fällen dem
Zweikampf überlaſſer

Die LehenzZweije iſt bereit® etwas verfeinext. Der
unfreie Bauer bepflangse- alll ſeiner Tamilie das ihir
zugewieſene Grundſtück, worauf er jedoch ſeine beſondere
Huͤtte Stallung und Scheuer hatte. Der Freie hatte
ſein Vergnügen in Feld und Wald. Die Reitkunſt

wurde auch von Frauen geübt. Zum Zeitbertreibe
hielt man ſich gezähmte Rehe, Tauben, Störche, Raben,
berſchiedene Singbögel; ſelbſt davon, daß Büren ge-
hegt wurden, findet man Spuren. Die große Lich-
haberei für die Jagd und die Ausdehnung des Waid-

werks zeigt ſich beſonders in den ſorgfältig unterſchiede-
nen Arten der Jagdhunde irn alemannſſchen Geſetze
recht anſchaulich.

In den Häuſern unterſcheidet man jetzt Stuben,
Säle, Scheunen, Keller, Kornböden. Zum Hausbau
ſcheint immer noch vorwiegend Holz verwendet
worden zu ſein. Den Hof umiſchloß der Zaun,
welchen der Hund bewachte.

Der Weinſtock wird noch nicht erwähnt,
dagegen iſt der Ackerbau und die Viehzucht,
namentlich die Schweinezucht ſtark entwickelt.
Die Gewerbe anlangend, ſo treten nament-
lich die verſchiedenen Arten von Schmieden:
Grob⸗ Waffen-, Goldſchmiede hervor; es gab
guch Bäcker, Köche, Zimmerleute; an den
Bächen klapperten jetzt die Mühlen. Aus-
heſſerung und Aufertigung von Kleidern wurde
im Haufe von den Weibern beſorgt.

Als Münze wurde von fränkiſchen Königen
der Denar gehrägt, nach unſerer Rechnung
zwanzig Pfennig werth, gerechnet wurde übri-
gens naͤch Schillingen lein Werth von unge-
fähr zwei Mark vierzig Pfennig) Die Todlen
wurden in gemeinſamen Grabſtätten beerdigt,
ohne daß man von Leichenverbrennung eine
Spur entdeckt hHätte. Man nennt dieje ale-
manniſch⸗frankiſchen Grabſtätten im Unterſchied
von den Grabhügeln oder Rundgräbern der
aͤltern Zeit „Reihengräber.“ Nuͤr zuweileu
ſindet man ein vereinzeltes Grab eines Vor-
nehmen aus der alemanniſch fränkiſchen Zeit,
wie zum Beiſpiel ein ſolches auf dem Oeten?
berg bei Obertürkheim aufgedeckt worden iſt.

Neihenweiſe ſchreibt Ludwig Maher, wie
der Name Reihengräber beſagt, ſind die
Leichen in ungefähr metertiefe Gräber im
gewachſenen Boden mit dem Geſicht gegen
Sonnenaufgang gebettet, meiſt liegend, mand-
mal auch in ſitzender Stellung! Ie nach Um-
ſtänden waren die Gräber mit unbehauenen
Steinen umfriedigt, an den Wänden mit
rohen Platten ausgelegt, auch mit ſolchen ge-
deckt („Plattengräber“), oder begnügen fie
ſich mit der Feſtigkeit des natürlichen Erd-
reichs Auch finden ſich Spuren von Brettern,
auf welchen der Leichnant, oder wenigſtens
der Kopf ruhte.

In dieſen Gräbern hat man nun aller-
hand gefunden, der kriegeriſchen Anlage des
Volks entſprechend, haupfſächlich Waffen, und
zwar von Eiſen: das Schwert (spatha), den
kleinen Sax, fodann den Langjox und den
meſſexartigen Seramaſax; von Speeren na-


Der griechiſche Geſchichtſchreiber Agathiaz
gibt eine anſchauliche Schilderung, wie die Franken mit
dem Ango kämpften. „Bogen, Schleuder oder andere
Waffen zum Fernkampf tragen ſie nicht, ſondern nur
zweiſchneidige Aerte und die Angonen, die fie mit Vor
liebe benützen. Dieſe Angonen find Speere von mittz
 
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