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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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J

Verbürgte

Auflage 3000.


und Alterthumskunde.


Verbürgte

Auflage 3000.


Abonnement :
Deutſchland u. Oeſterreich M 2.50
vierteljährlich, Ausland M 3.—.

Nr. 31.

Stuttgart, I. Auguſt 1894,

Erſcheint wöchentlich)

Auzeigen:
Die Nonpareilezeile oder deren
Raum 20 Pfennig.

2. Jahrgang.

Die Bezugsbedinguugen find auf der letzten
Seite in jeder Nummer abgedruct. Exfullungsort für
die Lieferung und für die Zahlung: Stuttgart.

Korallen und Koralleninſeln.

Mit 2 Illuſtrationen.
(Nachdruck verboten)

Waͤhrend man früher unter Korallen niedere See-
-thiere aus fehr verſchiedenen Abtheilungen verſtand, pe-
zeichnet man jetzt als Korallen nur die ſogenannten
"Bolypenftöcke. Die Thiere, welche dieſelben vilden,
gehören in der Mehrzahl der Fälle zu der Ordnung der
Korallpolypen, in der Min-
derzahl zu der Ordnung der Hy-
dromeduſen. Zur Bildung
von Korallen iſt ſtets eine Kolo-
nie (Stock) von Einzelthieren er-
forderlich. Es ſind daͤher alle
Arten der angeführten Ordnungen,
die kein zuſammenhängendes Stke-
lett beſizen, von dem Begriff
„Koralle“ ausgeſchloſſen. Die
Thiere, welche jene kalkigen oder
hornigen, als Korallen bezeichneten
Skelelte erzeugen, ſtellen in der
Hauptſache einfache Schlauche mit
je einer don Fühlern (Tentakeln)
umgebenen Mundöffnung dar. Alle
dieſe zu einer Kolonie vereinig-
ten Einzelthiere ſtehen durch ein
Gefäßnetz miteinander in Ver-
bindung, ſo daß die vom einzel-
nen Thier erzeugten Nährſtoffe
von der Gejammtheit verbraucht
werden.

Ein bezeichnendes Beiſpiel
für die ſoeben geſchilderten Ver-
hältniſſe liefert die allbekannte
Gdelkoralte (Gorallium rubrum Lamk.), welche unſer
Bild auf Seite 242 darſtellt. Sie gehört zur Familie
der ſogenannten Rindenkorallen aus der Ordnung der
Fiederkorallen und lebt im Mittelmeer, Adriatiſchen Meer,
an der Nordweſtküſte von Afrika und an den Capber-
diſchen Inſeln in einer Tiefe von 70—180 m. Die
Stöcke find bis 30 cm hoch, haumartig verzweigt, der
Unterlage feſt aufgewachſen und beſitzen eine ſteinharte,
roth bis weißlich gefärbte Achſe. Lestere iſt nach außen
mil einer dünnen, orangerothen Slinde bekleidet, in
welcher die einzelnen Koxaͤllenthierchen ſitzen und in die
ſie ſich pöllig zurijckzuziehen vermögen. Die Thierchen
ſind weiß und winzigen, achtſtrahligen Sternchen ver-
„gleichbar. In der Rinde nun verläuft ein reich ent-
wickeltes Gefäßnet, das alle Einzelthiere miteinander
in Verbindung fetzt. Das Harte, roͤthe Achſenſtelett

wird ſchon ſeif alter Zeit zu geſchätzten Schmuckſachen

verarbeitet, weßhaͤlb die Gdeltotalle namentlich für den
Haͤndel und die Induſtrie der Mittelmeerländex große
Bedeutung erlangt hat. Ie zarter die rothe Färbung
diefes Skelettes iſt, deſto hoͤher ſteht e3 im Preiſe; von
den theuerſten Korallen koͤſtet das Kilogramm bis zu
500 Frca. An den Küſten von Italien, Sizilien, Sar-
dinien, Algier und Tunis iſt die Korallenfiſcherei ein
eigener Erwerbszweig geworden Von Neapel allein,
neben Livorno und Genua, der Hauptſitz der Korallen-
fijcherei, laufen alljährlich mehrere hundert Fiſcherharken
aus. Ohngefähr 4000 Fiſcher, meiſt Italiener, fördern
ſaͤhrlich ‚60 bis 70,000 kg Korallen zu Tage, welche
einen Rohwerth von rund Millionen Frc3., nach
der Verarbeitung aber einen Werth von mehr als 20
Millionen Fres. beſitzen.

Die Korallenthierden wohnen nicht nur kolonien-
weiſe zu vielen Taͤufenden auf einem Stocke, ſondern


(Text oben.)

an gewiſſen, für die Entwicklung der Korallen günſtigen
Stellen der Ozeane ſiedeln ſich zahlloſe Stöckẽ neben-
und aufeinander an und bilden dann die ſogenannten
Korallenriffe und Koralleninfeln. Die Grö-
zenberhältuiſſe dieſer Bauten ſind im Verhältniß zur
Größe ihrer Baumeiſter ganz außerordentlich. Die
Breile mancher Riffe betraͤgt mehrere Stunden, ihre
Hoͤhe zuweilen mehrere hundert Meter. Einzelne ring-
Förmige Riffe umſchließen Waſſerbecken von mehr als
70 Kilometer im Durchmeſſer. An der Nordküſte Au-
ſtraliens hat man Riffe entdeckt, welche ſogar bis 150
Kilometer breit und 1800 Kilometer lang ſind. Wenn
auch unter günftigen Umftänden. die Bauthätigkeit der
Korallthiere eine ſehr lebhafte iſt, ſo gehören doͤch Hun-
derttauſende von Jahren dazu, ſolch' rieſige Bauten auf-
zuſchichten.

Die riffbildenden Korallen gehören in ſehr zahlreichen

Arten den verſchiedenſten Geſchlechtern an Da die Thiere
am beſten bei einer Waſſertemperatur) von 20° 09
gedeihen, zu ihrem FJortkommen aher mindeſtens eine
Temperatur von 18° C, nöthig ijt, ſo ſind ſie naturgez
möäß auf die märmeren Meere beſchräukt und im Adgez
meinen nur über die Aequatorialzone ungefähr zwijcdhen
dem 280 3) nördl. und fuͤdt Breite*) verbreitet. Abküh-
fende Bolarftröme5) einerfeit® und erwärmende Aegus-
torialftrömneS) andererſeits verſchieben die Grenzen- ein
wenig. So dringen die Korallen im Rothen Meer bis
309° nördl. Breite. vor, mährend ſie an einzelnen Punkten
der auſtralifchen Kijte nicht über den 25° füdl, Breite
Hinausgehen. Merkwürdiger Weiſe fehlen ſie an den
Mejftküjten Afrikaz und Amerikas gänzlich.
Die riffbauenden Polypen vermögen nur in einer
Meerestiefe von 35 bis hoͤchſtens 40 m zu leben und
zwar in farem Waffer, nicht an Mündungen großer
Ströme oder an feinſchlanimigen
Ufern, wo das Waſſer getrübt iſt.
Die zahlreichſten Korallenbauten
befinden ſich in den tropiſchen)
Theilen des ſtillen Ozeans. Dort
ſind außer unzähligen Korallen
bänken und Küſtenriffen bereits
mehr als 300 wirkliche Korallen-
inſeln aufgefunden worden. Die
Lakkediven und Malediven im In-
diſchen Ozean ſind die größzten
Koralleninſeln der Erde. Die Ber-
mudas im Atlantiſchen Ozean, die
Bahamabänke und -Inſeln, ein
großer Theil Floxidas ſind Ko-
rallenbauten. An der Oſtküſte Au-
ſtraliens, beſonders aber in der
Torresſtraße iſt die Bauthätigkeit
der Korallen eine ſo lebhafte daßz
der dortige Schiffsberkehr im Laufe
der Zeit gänzlich geſperrt werden
wird. 1
Die Korallen bilden anfangs
auf dem Meeresgrunde nur einzelne
Höcker. Später ſiedeln ſich auf
demſelben neue Geſchlechter au, die
Zwiſchenräume überwölbend. Das Wachsthum ſchreitet
derhaͤltnißmäßig raſch vor. So theilt Darwin, der be-
rühmte englijche Naturforſcher, mit, daß ein im Per-
fiſchen Meerbujen untergegangenes Schiff bereits nach 20
Moͤnaten von einer 60 cm dicken Korallenkruſte bedeckt war.

1) Temperatur — Wärmemaaß.

2) 20° C, — 20 Grad Celfius, d. h. nach der Eintheilung de3
von dem ſchwedifchen Aftronomen Anderz Celfiu3 geſchaffenen Ther-
mometer3 (Wärmemeljer3) in 100 Theile oder Grade zwiſchen Ge-
friers und Siedepunkt.

3) © oder Grad — der 360. Theil des CErdumfangs,

4) Breite Abſtand eines Ortes von der um die Erdenge-
zogen gebachten, dieſelbe in Nord⸗ und Südhalbkugel theilenden Kreis-
linie Aequator).

5 Polarſtrom — Strömung,
Aequatox geht.

6) Mequatorialiirvom — Strömung, welche vom Aequator nach
einem der Pole ſich richtet.

7) tropild — dem heißen Erdſtreifen angehörend.

welche von den Polen zum
 
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