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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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Verbürgte

Auflage 3000,


IIi


4

und Alterthumskunde.


*

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Verbürgte

Auflage 3000,


Abouuement:
Deutſchland u Oeſterreich A 2.50
vierteljährlich, Ausland A 3. —.

Nr. 29.

Stuttgart, 18. Juli 1894,

Erſcheint wöchentlich.)

Anzeigen ;
Die Nonpareikezeile oder deren
Raum 20 Pfennig.

2. Jahrgang.

Ellis Autographenſamuilung.
Novelle von Theodor veins.

— —

Nachdruck verboten,)

E Der Tanz hatte von Neuem begonnen. Mit 2
tiſchem Blick mufterte ich die nach den Klängen des
Pußppenfeewalzers ſich wiegenden Paare, um mir
jobald wie möglich die beſte Tänzexin zu einer Ertra-
tour zu holen. Beim Walzer tanze ich nämlich
immer nur Ertratouren; wer, wie ich, ein leiden-
ſchaftlicher Walzertänzer iſt, wird das ſchon begreif-
lich finden.

Ich wollte mich gerade untex die Tanzenden
miſchen, als ich einen leichten Fächerſchlag auf der
Schulter verſpuͤrte. Ich ſchaute mich um; unſere
liebenswürdige Gaſtgeberin ſtand hinter mir. „Wol-
len Sie mir einen Gefallen thun, lieber Aſſeſſor?“
Mit dem größten Vergnügen, gnädige Frau,“ Ein
feines Lächeln huſchte über ihr Geſicht. „Ich weiß,
datz Sie, wie Alle, ſo auch dieſen Walzer frei haben,
und — ſehen Sie, dort ſitzt Käthe Eckermann als
Mauerblümchen. Wollen Sie mir zu Liebe das
Opfer bringen —?“ „Wie können Sie nur ſo
fraͤgen, gnädige Frau! Selbſtverſtändlich, mit Freu-
Den.“ „Na, nal“ drohte ſie neckend; daun nickte ſie
wir zu und begab ſich in den Kreis der älteren
Damen zurück.

Ein Walzer mit Käthe Eckermann — das waren
ja hübſche Ausſichten. Ich hatte zwar ſelbſt noch
keinen mit ihr getanzt, aber bei allen Herren war
das ſonſt ganz nette Mädchen in dieſer Beziehung
gefürchtet. Es war ſchade — ich hätte ſo gerne —
aber was war da zu machen; kurz entſchloſſen
ſteuerte ich auf die mir angewieſene Tänzerin zu,
und bald befanden wir uns mitten im Wirbel des
Tanzes. Womit hatte ich nur den Zorn der mir
ſonſt ſo gnädigen Terpſichore erregt, daß ſie mich
zu einer ſo graͤuſamen Strafe verurtheilte?

Meine ünglückſelige Tänzerin haͤtte auch nicht
die leiſeſte Ahnung von einem Walzer, von Taͤkt-
halten war keine Kede; ſie ſtotterte gleichſam mit
den Füßen, die außerdem eine unwiderſtehliche Nei-
gung zeigten, mit den meinen in Berührung zu
kommen. Trotzdem, daß ich durch eifrige Unterhal-
tung das Tanzen nach Kräften zu vermeiden ſuchte,
mußte ich doch — die Muſik wollte kein Ende nehmen

Arbeiten. Seit drei Jahren war ſie in die Geſellſchaft
eingeführt. Wenn ſich in dieſer Zeit für ein ſolches
Juwel von einer jungen Dame, mwie es in unſeten
Tagen — verzeihen Sie, aber es iſt die Wahrheit —
ſo ſelten gefunden wird, noch kein Bewerber gemeldet
haͤtte, jo mar der Grund hierfür lediglich darin zu
ſuchen, daß Ellh außer einer guten ihr von einer ver-


der Gehalt des Vaͤters mit den Zinſen eines kleinen
Vermögens gerade aus zu einem ſtandesgem äßen Leben,
wobei jedoch alle überflüſſigen Ausgaben vermieden
werden mußten. Dies war ſo ziemlich bekannt, und
aus dieſem Grunde war Elly wohl die gefeiertſte Schön-
heit ihres Kreiſes, aber mit ernſten Abſichten war bis
ſetzt noch Niemand an ſie herangetreten!

Mir hatte das ſchöne Nädchen gleich bei unferer
erſten Begegnung ein lebhaftes Intereſſe eingeflößt,
und da ich, als Sohn eines Jugendfreundes, häuftg
im Hauſe des Regierungsrathes verkehrte und da-
durch Gelegenheit hatte, das ſinnige Walten Ellys
im Familienkreiſe zu bewundern, ſo hatte ich baͤld
eine innige Zuneigung zu ihr gefaßt, die allem An-
ſchein nach von ihr erwidert wurde. Bei mir ſtand

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*

es bombenfeſt: Dieſe und keine Andere wird einmal
Deine Frau!

Doch zurück in den Ballſaal! Sie wiſſen ja
nun genau, wer Elly Homberg war. Nachdem ich
mich von meiner famoͤſen Walzertänzerin veraͤbſchtedet
hatte, ließ ich meine Blicke ſuchend durch den Saal
ſchweifen! ohne jedoch Elly entdecken zu können.
Sie mußte in einem der Nebenräume fein, und ſo
ſchlenderie ich denn durch die lange Flucht der Zim-
mer, bis ich ſie endlich im letzten dem Bondoir der
Hausfrau, fand. Sie ſatz auf einem Divan und
unterhielt ſich angelegentlich mit einem neben ihr
ſitzenden Herrn. Es war Gerhard Becker. Immer
wieder diefer fatale Menſch!

Ein unbehagliches Gefühl der Eiferſucht ſtieg
in mir auf. Mußte mir denn dieſer nichtsfagende
glattraſirte Millionärsſohn ſtets in die Quere kommen?
Seitdem Becker aus London zurückkehrte und als
Theilhaber in das Geſchäft feines Vaters einge-
treten war, hatte ich ſchoͤn verſchiedentlich Gelegen-

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heit gehabt zu bemerken, daß zwiſchen ihm und Elly,
die doch ſonſt anderen Herren gegenüber ſtets 10
viel Zurückhaltung beobachtete, eine Art Einver-
ſtändniß vorhanden war, das mich beunruhigte. Man
konnte Beide in Geſellſchaften, auf dem Eiſe, oder
wo ſie ſich ſonſt trafen, häufig in eifrigſter Unter-
haltung finden, die ſtets abgebrochen wurde, ſobald
ein Dritter ſich nahte.

Dies war ſchon Anderen aufgefallen, die weniger
intereſſirt waren, als ich, und wenn auch meine Be-
mühungen um die Gunſt Elly's in der Geſellſchaft.
nicht unbemerkt geblieben waren, ſo wurde doch
auch von der Möglichkeit einer Heirath Elly's mit

— drei Kunden durch den Saal mit meiner Part-
nerin machen. Erleichtert athmete ich auf, als die
Qual zu Ende war. Ich führte meine Dame auf
ihren Platz zurück und nach einer kurzen Unterhaltung
verabſchiedete ich mich, um Elly Homberg anfzufuchen,
welche ich für den nächſten Lancier engagirt Hatte,
Elly Homberg war meiner Anſicht nach das ſchönſte
Mädchen, das ich je geſehen. Ich könnte ein Bild von
ihrem Ausſehen entwerfen, aber wozu? Die Worle
würden doch hinter der Wirklichkeit zurückbleiben. Da-
bei war ſie hoöchgebildet und, wie ich aus eigener An-

Der Zuckerbäcker vor 100 Jahren. (Text Seite 228.)
ſtorbenen Tante vermahten Ausſteuer nur eine ganz
geringe Mitgift zu erwarten hatte.

Du lieber Himmel, in unſerer heutigen Zeit, mit
den hohen Anſprüchen, die an das Leben geftellt werden,
ſind eben die mieiſten Heirathskandidaten gezwungen,
bei der Wahl ihrer Lebensgefährtin auch mit auf das
Beld zu ſehen. Elly's Vater war Regierungsrath und
hatte fünf Kinder, von denen die dret Herren Söhne,

Gerhaͤrd Becker geſprochen. Für die arme Beamten-
tochter war ja der einzige Sohn des reichen Kom-
merzienrathes eine brillante Partie.

Ich trat zu den Beiden heran, als habe mich nur
der Zufall in das Zimmer geführt. Bei meinem Nahen
hatten ſie augenſcheinlich ihr Geſprächsthema gewechſelt,
das deutete die leichte Verlegenheit Ellys an. Gerhard
Becker erhob ſich. „Seien Sie berſtchert, gnädiges Fräu-
lein, den Goethebrief erhalten Sie in den nächſten
Tagen,“ ſagte er, indem er ſich mit einer leichten Ver-
beugung zum Gehen wandte.
 
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