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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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Verbürgte

Auflage 3000.






Verbürgte

Auflage 3000.


Abonuement:
Deutſchland u. Oeſterreich M 2.50
vierteljährlich, Ausland A 3.—.

Nr. I9.

Stuttgart, 9. Mai 1894.

Erſcheint woͤchentlich)

Auzeigen:
Die Nonpareilezeile oder deren
Raum 20 Pfennig.

2. Jahrgang.

Die Bezugebedingungen ſind auf der letzten
Seite in jeder Nummer abgedruckt. Erfüllungsort für
die Lieferung und für die Zahlung: Stuttgart.

Jaequard
und die Jaequardmaſchine.

(Mit 2 Illuſtrationen Seite 148 und 149.)
(Nacddruck yerboten.)

äur wenigen Män-

gemuſtexter Stoffe und enthielten eine große Anzahl
von Schnüren welche zuͤnächſt in höchſt uniftändlicher
Weiſe vorgerichtet werden mußten. Sodann mußten fie
von einem Gehülfen des Weber8, dem {og. Ziehjungen,
mit der Hand in beſtimmter Reihenfolge angezogen
werden, damit die Kettenfäden des Gewebes für jeden
Einſchuß in der erforderlichen Weiſe gehoben wurden.
Schon vor 1790 Hatte ſich SJacquard die Aufgabe ge-
itellf, eine mechaniſche Vorrichtung zu erfinnen, welche
die Arbeit des Ziehiungens ausführen jollte, doch erft
1801 mar ſein Apparat im Modell, 1802 im Großen
fertig. Aus Aulaß einer Preisaufgabe nahm er mun

nern, welche ſich durch
ſegensreiche Erfin-
dungen unſterbliche Ver-
dienſte um das körper-
liche und geiſtige Wohl
ihrer Mitmenſchen er-
worben haben, iſt es
beſchieden geweſen,
ſchon zu Lebzeiten An-
erkennung zu finden.
Zu dieſen Wenigen ge-
hört der Erfinder der
Jaequardmaſchine.
Joſeph Marie Jac-
quard wurde am 7, Juli
1752 zu Lyon in Fraͤnk-
reich geboren. Bereits
in früheſter Jugend
mußte er die Härten
des Lebens empfinden.
Er war noch ein Kind,
als ihn ſchon die Sorge
um das tägliche Broͤd
zwang in einer Seiden-
ſtoff⸗ Fabrik zu arbeiten.
Später war er Buch-
binderlehrling, dann
vorübergehend Schrift-
gießergehülfe, wandte
ſich aber ſchließlich wie-
der der Seidenweberei
zu und legte 1772 in
der Nähe von Lyon
eine eigene Werkſtätte
für gemufterte Seiden-
ſtoffe an. Allein das
Glück begünſtigte ſeine
Unternehmung nicht,
er verlor vielmehr ſeine ganze Habe und mußte ſogar
eine Zeit lang in einem Gypsbruͤch zu Bugey bei Lyon
arbeiten. MUnter dieſen ungünſtigen Verhaͤltniſſen ent:
Gloß er ſich an der Verkheidigung Lyon8 gegen die
Armee des Konvents ſich zu bethelligen. Doch auch
hierin war er nicht glücklih, denn die Stadt mußte ſich
1793 ergeben und Zachuard flüchten. Später kehrte er
jedoch wieder nach Lyon zurüc und ging mun mit Eifer
daran, die ſog. Zugitühle zu vervollkommnen! Dieſe
Stühle dienten nämlich damals faſt allein zum Weben

Pyramiden. Aegyptens Baudenkmäler, (Terxrt Seite 149.)
die Herſtellung einer Maſchine zum Netzſtricken in An-
griff, wofür er 1804 eine goldene Medaille, eine Staats-
belohnung von 3000 Fr8, und eine Anftellung im Barijer
Konſervatoxium für Künfte und Handwerke erhielt. Hier
lernte er eines Tages die Neberrefte einer von Baucanz
ſon für die Muſterweberet gebauten überaus verwickel-
ten Maſchine kennen. Er ſtellte dieſelbe wieder her und
ſein genigler Scharfblick erkannte ſofort die Möglichkeit,
daß ſich die Maſchine zır einer weit zweckmäßigern um:
geſtalten lafje. Sr ging nun nach Lyon zurück und

hatte ſchließlich bis 1808 ſeinem Apparat nicht nır eine
pöllig neue Geſtalt gegehen, welche mit ſeiner urſprüng-
lichen Maſchine auch nicht die entfernteſte Aehuͤlichkett
hatte, ſondern die neue Vorrichtung übertraf an Leiſtungs-
fähigkeit auch bei Weitem alle früheren Konſtruktionen.
Trotz des begreiflichen Widerſtandes der Stuhlarbeiter
gegen Einführung der neuen Maſchine waren bereits
1812 in und um Lyon 18000, bei ſeinem Tode im
Sanzen 30,000 Jaequardſtühle in Bettieb. Jaequard
ſtarb am 7. Auguſt 1834 in Qullins bei Lyon, wo er
ſeine lesten Lebensjahre frei von Sorgen verlebt hHatte,
1840 ehrte ihn ſeine Vaterſtadt durch Errichtung eines
von Foyatier gear-
beiteten broncenen
Standbildes.

Die geniale, durch
unſere Abbildung ver-
anſchaulichte Erfin-
dung Jaequards hat
eine voͤllige Umwälz-
ung in der Muſter-
weberei hervorgerufen
und gegenwärkig alle
die früher üblichen,
zum Theil ſehr ver-
wickelten Vorricht-
ungen verdrängt. Sie
ſtellt eine ſelbſtkhätige,
ausſchließlich zur Her-
ſtellung von Muſtern
dienende Maſchine
dar, welche ſich mit
Leichtigkeit an jedem
Webſtuhl anbringen
läßt. Der Mechanis-
mus bewirkt ſelbſt-
thätig die Trennung
der aufgeſpannten

Kettenfäden nach
irgend einem beliebi-
gen Muſter, er trifft
gewiſſermaßen Ddie
Auswahl der für je-
den Einſchuß zu heben-
den Fäden. Die

Kettenfäden ſind
durch Schleifen oder
Augen gezogen, die
mit oben oder unten
befeſtigten Zwirn-
fäden je eine Litze bil-
den. An dem unteren Faden hängt das fogenanute
Litzenble während der obere an einen Bindfaden
(Heber, Arkade) geknüpft ijft. Die Arkaden ſind ihrer-
jeit3 wieder, einzeln oder in Gruppen, mit einem {tarken
Bindfaden (Korde) in Verbindung gebracht, durch welchen
fie in die Höhe gezogen werden können, wodurch zugleich
auch eine Hebung der entſprechenden Kettenfäden bewirkt
wird! Die Korden ſind zır dieſem Zwecke einzeln am
untern hakenförmigen Ende von auftecht flehenden
Drähten, den jogen. Platinen, aufgehängt. Dieſe Pla-
 
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