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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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Verbürgte

Auflage 3000.



u

2

und Alterthumskunde.


* —





Abonuement:
Deutſchland u. Deſterreich A 2.50
vierteljährlich, Ausland M S. —.

Nr. 6.

Stuttgart, 7. Februar 1894,
Erſcheint wöchentlich.)

Auzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfennig.

2. Jahrgang.

Die Bezugsbedingungen ſind auf der lebten
Seite in jeder Nummer abgedruct. Erfüllungsort für
“die Lieferung und für die Zahlung: Stuttgart.

Probe⸗Nummern. Sollte durch Zufall eine
Probe? Nummer an einen Empfänger gelangen, der
Kein SIntereffe für Antiquitäten hat, ſo bitten wir, die-
feibe an einen Sammler weiterzugeben.

Der römiſche Soldat.
(Mit Illuſtrationen Seite 45.)
Nachdruck verboten.)

Die Art, wie der römiſche Staat entftand, das
BerhHältniz, das zwiſchen ihm und den ringz ihn um-
gebenden kleinen italienijchen Staaten gebildet ward,
gab den Römern gar pald eine gewiſſe Fertigkeit, mit
den Wajfen unmzugehen, und bildete allmahlich in
MNufftellung ihrer Meinen kampfz und raubgiexigen
Schaaren, in Sicherung derfelben gegen einen über-
ſegenen Feind durch Wahl des Lokals, Benutzung
desfelben und ſo weiter gewiſſe Grundlätze, ein ge-
wiffes Syſtem aus, das durch ſtete Erfahrung in.
faſt immer nen euͤtſtehenden Kriegen immer vollz
fommener murde, und am Ende aͤlles, was ſelbſt
die Griechen darüber erdacht und als MNorm ange:
nommen hHatten, durch Vielſeitigkeit und Vollſtändia-
feit bei Weitenı übertraf und übextreffen mußte:
weil der Römer {Hon früh mit Galliern, ſpaͤter
mit Mirikanern, Spaniern, Griechen, kurz mit allen
Rölfern der damals hekannten Welt kämpfen mußte,
und von alleır mehr oder weniger das Brauchbare
anzunehmen fuchte oft durch ſchmerzliche Erfahrung
fennen lernte. Zum Theil find eine Menge Dinge,
die der römijhe Soldat zeigt, noch jetzi für den
unfrigen wünfchenZwerth, zum Theil geben fie wenig-
fleus zu interefjanten Vergleichungen mit dem Unſri-
gen Anlaß. .

Der roͤmiſche Soldat würde zunächſt das Loos
der Heutigen Krieger bei Weiten angenehmer finz
den, al8 das Seinige war. So groß auch immer
die Beſchwerden des Letzteren find, ſo jehr man na-
mentlih den Soldaten in den letzten Feldzügen zu
übermäßigen Märſchen — ohne auf Jaͤhreszeit,
MAlter, BWitterung Rückſicht zu nehmen — zum
Tragen einev Menge Effekten verurtheilt Hat: 10
ifit er doch noch viel beſſer daran, als der roͤmiſche
Arieger. Man begreift kaum, wie ein Menſch ſo viel
tragen, und dabet {o weit gehen, und vielleicht von
Zeit zu Zeit auch wohl kämpfen konnte

Ber römijdhe Soldat wurde, nach Vegetius, bei
ſeiner Einuͤbung dazu angehalten, in fünf Stunden des
Sommers zwanzigtaufend gewöhnliche Schritte zu machen
Dies war denn der gewöhnliche ordentliche Tagesmarſch
eine8 Heere3, ein justum iter diei, wie es Cäfar nennt;
„allein wo Zeit und Umftände Gewaltnärfche anriethen,
da überfitegen diefe fajt Alles, maz wir in der Art ſelbſt
in den neuͤeſten Zeiten fahen! Jene zwanzigtaufend

Schritte machen nämlich alich nicht mehr, als etwa
fieben Stunden; aber Cäjar maſchirte zum Bei-
jpiel in der Nacht einmal, um einer Empörung der
MNeduer in Sallien zuvor zu kommen, acht volle Stun:
den weit Hintereinander, machte — al3 er durch den
Maͤrſch imponirt und ſeinen Zweck, wie er vorausge-
jehen hatte, erreichte — drei Stunden Halt, und ging
dann wieder in ſeine alte Stellung, in einem Marſche,
in fein altes Laͤger zurück. Alſo ſechzehn Stunden in
einem Tage. Claudius Nero marſchirte einmal — um

dem Hannibal fich zu entziehen und mit ſeinem Kollegen,

Relief vom früheren Siebenrohrbrunnen
(Cext Seite 44.)

dem Konſul Libius, fich zu vereinigen, und ſo den Hasdru-
bal zu vernichten, der Hannibal zur Huͤlfe 30g — in
fechs Tagen von Canoja nach Sinigaglia, ein Weg,
wo der Soldat ohne Raft zum mindeſtens täglich neun
deutſche Meilen wachen mußte. Allexdings war ſein
CorpzZ uur ſechstaͤuſend Mann Infanterie und tauſend
Reiter ſtark/ aber doch übertrifft e3 die angeſtaunten
Zuͤge Tichernitfhew’3 1813 nach Halberſtadt und Leip-
zig in großem Maaße. Bemerken muß man aber frei-
lich dabei, daßz die Truppen überall in den befreundeten

Städten und Dörfern gedeckte Tafeln fanden , und mit.

Wagen und Pferden zum Transport der Ermatteten
fräftig unterftüßt wurden.

Seine meijten Siege verdankte indeſſen wohl Cäjar
den Geſchwindmärſchen mit welchen er den Feind bald
überfiel, bald um den Vortheil der Stelluns. brachte.
Nur menig neuere Feldherren kommen ihm darin gleich,
jowie - überhaupt die römiſchen Heexe ſich dadurch aus-
zeichneten, daß ſie bon einem Ende der damals bekann-
fen Welt zum andern marſchirten. Allerdings hatte
ihre ganze militäriſche Einrichtung Ddabei bedeutenden
Sinfluß. Die Heere waren kleiner/ alfo darum beweg-
licher. Noch mehr aber wurden ſie es, weil unter
guten, ſtrengen Feldherren nur wenig Gepäck folgte,
denn unter der Hand wuchs dies beſoͤnders nach den
letzten puniſchen Kriege, wo der Lurus immer mehr
und uüberall ſtieg, ungehener an — übrigens aber
fehlten denn doch wenigſtens jene großen Züge von
Gefchuͤtz Pontons, Munition, die unjere Heexe ſchwer
beweglich machen, und ſelbſt der Mundvorrath wurde
meiſt vom Soldaten ſelbſt getragen. Kriegsmaſchi-
nen, Katapulten, Balliften, waͤren in offener Feld-
ſchlaͤcht nicht eher gewöhnlidh, als bis das römiſche
Reich ſchon zerfiel; bei Belagerungen erbaute man
fie an Ort und Stelle. Man ſieht, daß ein General-
Quartiermeifter damals weniger zu thun hatte, als
jeßt, mo die Eintheilung des Heeres in mehrere
Kolonnen, auf mehreren Wegen — um ſich nicht zu
yerwirren, zu verhungern, und dann doch gleichzeitig
auf verſchiedenen Punkten, wie es der Zweck und
Blan erfordert, einzutreffen — viel Einſich terfordert,
und mwarum jetzt ein guter General: Quartiermeifter
die rechte Hand des Heeres iſt, ohne welchen der
Feldherr gar nichts vermag.

Schiffbrücken, Pontonzüge, jagte ich, heſchwerten
nicht den Maͤrſch eines rönüſchen Heeres. In ſpätern
Zeiten finden wir allerdings kleine Fahrzeuge, die
der Armee auf Wagen folgten. Aber gerade da war
das Militärmejen der Nömer nicht mehr in ſeiner
Volllonmenheii und weder Cäjar, noch die ihm


baͤs dabon, als inſofern ſie bisweilen eine Vor-
tichtung der Art trafen. So hatte zum Beiſpiel
ſchon Aexander viele Galeeren in zwei his drei
Stüce zerlegen laſſen, um den Hydaſpiz paſſtren zu
fönnen, und ließz fich dieſe Theile auf Wagen nach-
fuͤhren! Etwas Achuliches thaͤten die Tarentiner auf


{fluß in Spanien zu ſetzen; ſowie ſpäter Trajan, als er
den Tigris paſſiren wollte: aber immer war eS nur
MNAuznahme von der Regel, ſie nicht bei ſich zu führen,
und e3 ſcheiit, als haͤbe man den beſchwerlichen
Transbort zu ſehr geſcheut, um ihn zur Letzteren zu
machen. Kleine Flüjje waren dem im Schwimmen herr-
ſich Geublen Kleinigkeiten; er watete, er ſchwamm Hin
durch ; über große Flüſſe baute man in kurzer Zeit ſehr
feſte und dauerhaftere Brücken, als gewoͤhnliche Pontons
geben fonnten. Cäjar baute feine Kheinbrücke in zehn
Tagen, und ſchützte ſie gegen alle Zufälle, die fie etwa,
wie die von Napoleon bei Aöspern, Treffen konnten. Frei-
ſich war auch hier wieder eine Eigenheit des römiſchen
 
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