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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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II

Verbürgte

Auflage 3000.



MN

und Alterthumskunde.


I

Auflage 3000.


Abonnement:
Deutſchland u. Deſterreich M 2,50
vierteljährlich, Ausland M 3. —.

Nr. 28.

Stuttgart, II. Juli 1894.

(Erſcheint wöchentlich.)

Auzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfennig.

2. Jahrgang.

Die Bezugsbedingungen ſind auf der lekgten
Seite in jeder Nummer abgedruct, — Erfüllungsort für
die Lieferung und für die Zahlung: Stuttgart.

Die Tulpeuwuth in Holland.

Von A. von James.

Gachdruck verboten.)

Die kleine wilde Tulpe, die eine gelbliche und aus-
wendig in’3 Graͤuliche ſpielende Farbe, dabei aber einen
Jüßen Geruch, jedoch kein ſonderliches Anlehen hat, wächſt

in Fraͤnkreich, in der Schweiz, auf den Appenninen, hin
und wieder in den Feldhölzern und Gras-
gärten Deutſchlands, und fogar in Sibi-
xien. Sie hat mit der gewöhnlichen Tulye,

die wir in den Gärten ziehen, ſo viel
Aehnlichkeit, daß man ſie bloß für eine
verwilderte Spielart derſelben anſieht; ſie
ift aber, trotz aller Aehnlichkeit, durch blei-
bende Kennzeichen von ihr weſentlich unter-
ſchieden. Die erſten unſerer Gartentulpen
famen im Jahre 1466 nach Boͤhmen. Ein
Liebhaber Hatte ſie in der Türkei gekauft,
und. fultivirte. ſie mit großer Sorgfalt, l
wodurch er ſie endlich an den Boden jeineS ffl
Vaͤterlandes gewöhnte. Im Iahre 1560 W
fand fie Konrad Gesner zu Augshurg in
Herwaͤrts Gärten, und gab eine Beſchrei-
bung und Abbildung dayon heraus. Davon
Hat auch dieſe Gattung Blumen den Namen
der Gesner'ſchen erhalten, Tulipa Ges-
neriana.

Ihr eigentliches Vaterland ſoll Kappa-
docien ſein; man trifft ſie aber guch in
einigen andern Ländern, 3. B. int ſüdlichen
Rußland, wo ſie wild wachſen Der Name
Tulpe kommt von ihrer Aehnlichteit mit
dem Turban der Türken hHer, den ſie Tul-
bant, oder Tulipant nennen. Die Tulpen-
Blüthe gehört nebit den Anemonen, Ranunkeln, Neifen und
MNurifelı zu denen, welche ſich an Verſchiedenheit der Farbe
Külle, Zeidnung und Größe bei fortgeſetzter Kultur in’3
Unendliche berfchieden bilden und geftalten. Die Iulpe
gehört übrigens zu den ſchönſten, Zierden unſerer Gär-
ter, und gewährt durch ihre anſehnliche Grzße aufrechte
Stellung und ſchoͤne Form einen reizenden Anblick. Die
urfprüngliche Farbe der Tulpe im natürlichen Zuſtande
ift dunfelroth, ſelten roſenroth und purpurbraun, häufig
aber ſchwefelgelb. Die Verſchiedenheiten und Miſchungen
der Farben aber, welche nach und nach durch die Kultur
entitanden, find unbeſchreiblich und zahllos. In dem
Fraͤflichen Garten zu Pappenheim will man einmal fünf-
taufend verſchiedene Sorten heifammen gehabt haben.

MNirgendZ erlangte die Iulpenliebhaberei und Tul-

S


penkultur einen ſo hohen Grad, als in Holland. Im

fiebzehnten Jahrhundert, beſonders in dem Zeitraume
yon 1634 bis 1637, ſtieg dieſe Liebhabexei bis zur Ra-


jpiel, wobet man Welten anftehte, was irgend eine he-
{timmte Sorte von Tulpen (die alle ihren beſonderen
Namen hHatten) zır einer gewiſſen Zeit gelten follte.
Dieſe Manier herkſchte nicht etwa ploß unter den Reichen
und BornehHmen, jondern auch unter den ärmeren Volks-
flafjen. ©3 mar nichts Sellenes, daß ganze Familien
durch dieſe Leidenſchaft ihres Oberhaupfes zu Grunde
gingen. Man fand bei den reicheren Kaufleuten Tul-
penbeete, von denen jedes einzelne Beet ſechs⸗ his acht-
taujend Thaler koſtete; ja man kaufte einzelne Zwiebeln
zu 300 bis 400 Louisdlor.

Folgeuder Auszug aus einem Holländiſchen Blu-
miſten enthält die Preiſe der Tulpen in den drei vorhin
angegebenen Jahren. „In dieſen Jahren“ — ſo heißt

Mn
MIMln
ñ


es in jenem Buche — „ließen Leute von allen Ständen,
von den Bornehmiten bis zu den Niedrigſten, ihre Ge-
ſchäfte und Handwerke liegen, und verkauſten ſogar
ihrenm Hausrath, um ſich mit dem Tulpenhandel zu be-
jchäftigen.“ Denn daͤnials koſtete:

Der Semper Auguſtus 550 Pfund Sterling.

Der Admiral Liefkens 44005 i
Der Vizekönig — 4
Der Admiral Van Eys 1600
Der Schilder . 8 160 20 Ö

— E R S 7

Im IJahre 1637 wurde die Tulpenſammlung des
Wouder Brockhofnreifter von ſeinen Erben ür 9000
Bfund Sterling verkauft. Ein ſchönes ſpaniſches Ge-
mäldekabinet, das über 1300 Pfund Sterling werth
war, gab man hin für einen einzigen Semper Auguſtus.

— Ein Edelmann kaufte drei Exemplare von dieſer
Sorte, und gab für jedes tauſend Pfund Sterling.
Demfelben bot man für fein Blumenbeet einen jähr-
ſche MiethHzzintz von 1500 Pfund Sterling auf ſteben
SKahre, wobei ſich der MiethHzmanın bloß den jährlichen
Srirag ausbedungen hatte. Sin Blumiſt gewann durch
ſeinen Handel in vier Monaten ſechstauſend Pfund
Sterling. Sin. aufmnerkjamer Beobachter rechnete aus,
daß eine Stadt in Holland in einem Zeitraume von
drei Zaͤhren drei Millionen Pfund Sterling durh den
Tulpenhandel gewonnen habe. Dieſer Handel erhielt
aber im SJahre 1637 einen ſehr empfindlichen Stoß.
Die Mikbräude griffen immer weiter um fid, und die
Tulpenwuth bracte viele der angeſehenſten Handelzleute
an den Bettelftab. Die Regierung ſah ſich deßhalb ge-
nöthigt, dieſem Handel durch Geſetz Schranken zu ſetzen,
und annullicte alle über Tulpenzwiebeln geſchloſſenen
Kontrakte, fo daß man eine Zwiebel für
fünf Bfund Sterling kaufen konnte die ei-
nige Wochen borher 500 Pfund gekoſtet hatte.

Sn Antwerpen ſah man ein Beiſpiel,
wie die Tulpenliebhaberei zur Tollheit aus-
arten fanın. Ein Blumenfreund beſuchte
einmal einen Andern, von dem er gehört
Hatte, daß auf ſeinen Beeten eine Tulpe
blühe, von der kein anderes Exemplar exi-
{tirte. — „Mein Bruder, was verlaugen
Sie dafür 2“ fragte er den Freund. Diejer
forderte dafür achttauſend holländiſche Gul-
] den. Der Erſtere zieht eine Brieftaſche
l Dheraus, reicht ihm Ddafür eine Banknote
bon dem angegebenen Werthe, reißt alsdann
die Tulpe anZ dem Beete, und zertritt
die Zwiebel davon mit Füßen.

Cin. Bürgermeifter verſchaffte einem
Blumenfreunde eine eintraͤgliche Stelle,
wofür ſich dieſer erbot, feinen Einfluß zu
vergrößern. Der ſchlane Bürgermeiſter
lehuͤle dies Auerbieten ab, und vexlangte
nur die Tulpenbeete ſeines Freundes, zu
jehen, was ihmn auch endlich bewilligt
wurde. Zwei Jahre darauf beluchte er
den Bürgermeifter, und ſah mit Schrecken,
daßz dieſer ihm eine ſeltene Zwiebel ent-
wendet hatte. Hieruͤber wurde er ſo entrüftet, daß er
augenblicklich naͤch Haule lief, ſeine Stelle, die ihm jähr-
lich taufend. Pfund Sterling einbrachte, niederlegte,
jeinenm foftbaren Garten verwültete, und in die weite
54 lief, ohne je wieder Etwas von ſich hören zu
aſſen.

Ein anderer Blumenliebhaber war von der Tul-
penfucht ſo beſeſſen! daß er beſorgte, ein Opfer ſeiner
Leiden|hHaft zu werden, weil er eine in ihrer Art ein-
zige Tulpenzwiebel verloren hatte Dieſe in der That
4 ſeltene Zwiebel, der unſer Tulpenfreund eine faſt
abgöttijge Verehrung bewies wurde von einem Wurme
geftochen. Die Blume zeigte, als ſie im Frühling auf-
blühte, nicht den Glanz, das Farbenſpiel und die Schön-
Heit, die fie in den vorhergehenden Jahren gehabt haͤtte,
jondern war eine ganz gemeine, ausgeartete Tulpe.
 
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