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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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Verbürgte

Auflage 3000.

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und Alterthumskunde.





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Verbürgte

Auflage 3000.


Abonnement:
Deutſchland u. Oeſterreich 2. bo
vierteljährlich, Ausland A 3.—.

Nr. 37.

Stuttgart, 12. September 1894,

Erſcheint woͤchentlich.)

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.

2. Jahrgang.

Die Bezugsbedingungeu ſind auf der letzten
Seite in jeder Nummer abaedruckt. Erfüllungsort für
die Lieferung und für die Zahlung: Stuttgart.

Der Archäologen⸗Kongreß in
Sarajeiuo.

Jener mächtige Prozeß der Keltenbewegung, der
zu Beginn des IV. Jahrhunderts eingeleitet und auch
für Italien verhängnißvoll wurde, hatte die Kultur der
Balkanillyrex mächtig beeinflußt, ja ſie vernichtet. Schon
im Jahre 335 finden wir Kelten an der Adria, von wo
aus ſie ſich erobernd und zerſtörend über das Binnen-
land und nach dem Süden verbreiten.

Nach dem Tode Alexanders des Großen vernichteten
die Kelten den mächtigſten illhriſchen Stamm der Anta-
riaten, deſſen Ueberreſte, 20,000 Mann ſtark, nach Pan-
nonien gedrängt und dort von Caſſander 310 v. Chr.
beſiegt wurden Dieſe Antariaten waren aber die ein-
ſtigen Bewohner Mittelbosniens und der ſüdöſtlich an-
grenzenden Gebiete, und das Nekropolengebiet von
Slajinag iſt das letzte Denkmal ihrer einſtigen Macht.
Wir fönnen ſonach annehmen, daß in der zweiten Hälfte
des IV. vorchriſtlichen Jahrhunderts mit den Antariaten
auch die Kultur von der Bildfläche verſchwindet, die wir
aus den Broneen von Glaſinatz kennen.

Im weiteren Verlaufe ſeiner Ausführungen ſtellt
Montelius das Vorhandenſein theils originaler, impor-
tirter griechiſcher Stücke feſt, namentlich einer großen
Fibel, eines Helmes und aͤnderer Stücke, theils aber
griechiſchen Muſtern nachgebildeter Stücke, darunter
dreier getriebener und gravirter Beinſchienen. Den
Reichthum des Gräberfeldes von Glaſinatz würde er nur
durch die Annahme erklären fönnen, daͤß durch jenes
Gebiet entweder eine wichtige Handelsftraße hindurch
führte, oder daß dort Mineralerze verarbeilet mwurden.
Am Glaſinatz finde man Häufig große Brocken von Maͤn—
ganeiſen im Steinmatertal der Hügelgräber, und es ſei
möglich, daß dort eine Gijeninduftrie war, Eine chenuſche
Analyie der Giſenfunde von Glaſinatz würde, falls fie
Mangan nachweiſen würde, für letztere Annahnie fprecheu.

M, Salomon Reinach ſchlteßt daraus, daß das
Hochplategu von Glaſinatz gegenwärtig unfruchtbar iſt
und an Waſſermangel leidet daß ebenſo wie heute auch
in prahiſtoriſchex Zeit die Bevölkerung nur eine ſpaͤrliche
ſeine fonnte. AWenn wir aber trotzdem dort ſo zahl-
reiche Hügelgräber finden, ſo ließe ſich das vielleicht
dadurch erklaͤren, daß das Plateau ein geheiligtes Lauid
der benachbarten Illhrer war, wo ſie ihre Todten be-
ſtatteten. Der Glaſinatz ſet ſonach gewiſſermaßen als
hriſcher Campoſanto zu betrachten. Er neige zu dieſer
Anficht, weil er beobachten könnte, daß diele Ring-
wälle eher als Sacraldenkmäler denn als Befejtigungen
zufzufaſſen ſeien, und ſet geneigt, wenigſtens {o lange,
Di3 er nicht deutliche Beweife dafür habe, daß die

gfiägmäfle beſiedelt waren, dieſe für Sacralwerke zu
alten.

Prof. Dr. Hampel verſucht e& auf Grund von
Münzenfunden, die Hichtung einer Handelsſtraße zu
xekonſtruiren, die SIMyricum durchzon. Münzen voͤn
Apollonid und Dyrrhachium ſeien bis in die Donau-
länder gelangt, folglich beſtand eine Handelsftraße, die

Siegel der Stadt Stuttgart von 1483,

von dieſen beiden Emporien über Bosnien nach Pan-
nonien führte, Auf den Verkehr zwiſchen dem Glaſinatz-
Illyrien und Pannonien könne man auch daraus ſchließen,
daß einzelne Formen in ungariſchen Funden mit Gla-
ſinatzer Lokalformen verwandt ſind. Er führt als Bei-
jpiel den Goldfund des Grafen Dzieduſzickh und den
Fund von Fokoru an. Uebrigens, wenn wir aus der

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Aelteſtes Siegel der Stadt Stuttgart.
Aus unſerer Bildermappe.

hiſtoxiſchen Zeit, wo eine ſolche Verbindung zwiſchen
der Adria und Pannonien beftand, auf die vorhiftorifche
ſchließen dürfen ſo kann ein Handelsverkehr als ſicher
angenommen werden. Dies wird durch den Umftand
vollends zı erweiſen ſein, daß in vorhiſtoriſcher Zeit
die Ausbreitung der Illyrer gegen Norden eine größere
war als ſpäter/ und daß die älteſten Geographen Pau-

nonien zu Illyrieum zählen. Hierauf weiſt Geheimrath
Virchow aus dem am Glaſinatz erworbenen Material
zwei Schädel vor, die von einander verſchieden ſind,
und erklärt dies durch den Altersunterſchied der Indi-
viduen. Vährend des türkiſch⸗montenegriniſchen Erieges
habe ſich Virchow ſehr viel mit der iüyriſchen Anthro-
pologie beſchäftigt, und es ſei ihm gelungen, vom Kriegs-
reporter der „Times“ Stilemann einen albaneſiſchen
Häuptlingsſchädel und ſpäter mehrere andere zu erhalten,
die er unterſuchte. Er habe als eigenthümliche Eigen-
ſchaft dieſer Schädel eine ungewöhnliche Entwickelung
des Schädelumfanges erkannt, es waͤren ſogenannte
Kephaloden. Das Prozentvexhältniß der Kephaloden
wäre ihm nirgends am Mittelmeere ſo groß wie hier
vorgekommen. Die beiden vorliegenden Schädel können
aher auch als Muſter von Kephaloden gelten und be-
ſtätigen die Annahme, daß die Arnauten Nachkommen
der Illyrer ſind.

Was die Kultur von Glaſtnatz anlangt, ſo ſei ſie
keinesfalls eine primitive, fondern eine Hochentwickelte,
und der Handel nahm wohl in erſter Linie ſeine Rich-
tung von und zur See. In Santa Lucia waren die
Verhältniſſe analog, denn auch dort kamen ſüdliche im-
vortirte Formen vor. Die Fundreihen von Glaſinatz
enthalten wohl wenige direkt eingeführte Originalftücke
aber eine große Anzahl von unter lokalen Sinflüfjfen
entſtandenen Nachbildungen.

Virchow faßt ſich dahin zuſammen, daß der Embrio
der Kultur von Glaſinatz auf Handelswegen von der
Küſte in das Binnenland eindrang.

Dr. Vexneau findet eine Verwandtſchaft zwiſchen
den Schädeln von Glaſinatz und den Schädelm ausz
anderen Gräberfeldern der Haͤllſtattperiode im weftlichen
Curopa, Namentlich hHabe e& ihn überraſcht, daß die
Schädel dolichoid find und am Scheitel eine merkliche
Abplattung zeigen. Verneau glaubt die von ihm detail-
lirt augefuͤhrten, da und dort angetroffenen Merkmale
auf eine Stammesperwandtſchaft zurücführen zu follen,
und die Foxmenperwandtſchaft aller Fundſekien der
erſten Eiſenzeit wirde den thpologiſchen Nachweis für
ſeine Annahme liefern. Verneaus Anſicht gewinnt
aber dadurch an heſonderem Intereſſe, weil er in Frank-
reich einen ähnlichen Typus an Schädeln älterer Peri-
oden nachweiſen konnte, und fomit wäre er zur Theorie
geneigt, daß der dolichoide Hallſtattthpus von Weſten
über die Alpen und auch nach Bosnien drang. Diefe
Wanderung von Weſt nach Oſt findet ſpäter in der
Keltenwanderung ihre Analogie,

Chefarzt Dr. Weißbach, der ſich ſeit langer Zeit
mit der Anthropologie der Bosnier beſchäftigt und eine
bedeutende Anzahl von Soldaten gemeſſen haͤtte, be-
richtet daß Dr. Glück unter den prähiſtoriſchen Schädeln
von Glaſinatz 56 Prozent Dolichoiden gefunden hat.
Dieſes Verhaͤlnißz hat ſich im Laufe der Zeit bedeutend
geändert. Im Bezirke Rogatiea, wozu auch Glaſinatz
gehört, fand Dr. Weißbach unter den Soldaten uur
acht Prozeut Dolichoiden, in Bosnien (1500 Mann
gemeffen) 7 Prozent, in der Herzegovina (500 Mannn
gemeſſen) gar nur 6 Prozent Dolichoiden. Dieſes Ver-
hältniß wuͤrde ſich, wenn man die Katholiken, die in
 
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