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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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— —



Verbürgte


und Alterthumskunde.


ın

M

/ Auflage 3000.


Abonuement:
Deutſchland u. Oeſterreich A 2.50
vierteljährlich, Ausland M 3. —.

Nr. 9.

Stuttgart, 28. Februar 1894,

Auzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfennig.

2. Jahrgang.

(Erſcheint wöchentlich.)

LE Ar

Die BezugSbedingungen ſind auf der letzten
Seite in jeder Nummer abgedruct. — Erfüllungsort für
die Lieferung und für die Zahlung: Stuttgart.



m Spätſommer des
Sahre8 1846 ſprach die
ganze Stadt Paris von
einem Gaſte, der ziem-
lich unerwartet bei dem
König Ludwig Philipp
eingelroffen war und
fich nun oft und mit
jidhtbarem Behagen
öffentlich zeigte. €
war dies Sidi Achmed,
der Bey von Tunis,

- — * Mit Vorliebe befuchte
er die eleganten Kaufläden der Boulevards, beſonders


enthielten, und ſo trat er denn auch eineS Tages
bei dem Juwelier Poſſart ein, in deſſen Schaufenſtern
derſchiedene uberaus koſtbare und prächtige Schmuck-
garnituren fuͤr Damen ausgeſtellt waren. Sr ließ ſich
dieſelben vorlegen und betrachtete ſie lange mit dem
lebhafteſten Wohlgefallen. Sie waren ſämnitlich in den
neueften FaconZ gearbeitet und mit den edelſten Steinen
befetzt; bei den nieiſten war die Auordnung der Steine
eine ſo kunſtreiche, daß ein wahres Brillaͤntfeuer auf-
blitzte wenn die Sonnenſtrahlen auf den Schmuck fielen.

Schließlich erklärte der Bey, er werde mehrere von
dieſen Garnituren kaufen, allein er befinde ſich dabei
in einer mißlichen Lage. Sämmtliche Schmuckgegen-
ſtände ſeien im modernſten Geſchmacke gehalten, und das
ſei ja auch an und für ſich ganz recht; auch er liehe
dieſen Geſchmack, er halte ihn für den heſten der Welt
— aber Diejenigen, für welche die Schmuckgarnituren
beſtimnit feien, die Damen ſeines Harems daheim , die
feien noch nicht ſo weit vorgeſchritten in der Kultur,
die liebten noch vornehmlich die brientaliſchen Formen,
und wenn er auch keineswegs dieſen alten Geſchmack

weiter pflegen wollte, ſo müſſe er ihm doch immerhin
noch einige Konzeſſionen machen.

„Dann würden dieſe Schmuckgarnituren wohl dem
Wunſche Eurer Hoheit entſprechen,“ verſetzte Herr Poſſart,
„wenn ſie nur ſo einigermaßen im orientaliſchen Ge-
ſchmacke gehalten wären. Eine dahin zielende Aender-
ung dürfte aber nicht zu ſchwierig ſein. Schon durch die
Verſetzung einiger Steine und Ornamente könnte ein ge-
wiſſer orientaliſcher Charakter bei verſchiedenen Kolliers
und Armbändern hervorgebracht werden, und wenn Eure
Hoheit mir gütigſt geflatten wollen, ſo werde ich die
gepünſchten Apänderungen zur vollſtändigen Zufrieden-
heit Eurer Hoheit beſorgen laſſen.“

Der Beh blickte etwas ungläubig auf.

„Die Aufgabe wird mir noch dadurch exleichtert,“
fuhr der Juwelier fort, „daß mein vorzuͤglichſter Ge-
Hülfe, dem ich die Umänderungen anpertrauen würde,
den Feldzug in Algier mitmachte uud daher den orien-
taliſchen Geſchmack ſowohl in Bezug auf Farbenzu-
famnienſtellung, als auch auf Form an Ort und Stelle
ſtudirte.“

„Das iſt ein großer VBorzug,“ erwiderte der Bey,
„und doch trage ich noch immer Bedenken, meine Ein-
willigung zu dieſen Abänderungen zu geben. Sie kennen
unſere Damenwelt nicht, mein verehrker Herr Poſſart.“
Dabei glitt ein Lächeln über das gelbe Geſicht des hohen
Herrn. „Aber,“ nahm er ſodarn wieder das Wort,
pielleicht konmen wir doch zu Stande. Da ich nun doch
einmal eine erhebſiche Summe für die Sache anlegen
will — ich will etwas Ordentliches aus ParizZ mit-
bringen ſo kommt es auf einige hundert Piaſter
mehr auch nicht an. Wie wäre es alfo, wenn Sie mir
Ihren Gehülfen auf eine kurze Zeit mit nach Tunis
güben und er machte dort die Aenderungen an den gleich-
falls mitgenommenen Garnituren nach den eigenen An-
gaben meiner Damen, und vielleicht auch erſt, nachdem
er noch verſchiedene von deren beſonders charaktexiſtiſchen
Schmuckgegenſtanden genau ſtudirt hHätte? Ich genöſſe
dann vielleicht auch noch den Vortheil, einige SGarni-
turen mehr mitnehmen zu können, als ich kaufen will,
7 meine Damen hätten dann auch noch die Aus-
wahl.”

Herr Poſſart war zunächſt etwas verblüfft, dann

gewann er aber ſchnell ſeine klare Ueberlegung wieder
und verſetzte: „Sine Anzahl Sarnituren auf furze Zeit
mit nach Tunis zu geben, würde ich recht gern bereit
ſein; über meinen Gehülfen, Herrn Monier, kann ich
jedoch in ſo weitgehender Weiſe nicht verfügen; auf den
Wunſch Eurer Hoheit werde ich aber mit ihm ſprechen
und ihn zu beſtimmen ſuchen, mit Eurer Hoheit die Reiſe
nach Tunis zu machen.“
Gut denn,“ antmwortete der Bey, nicht ganz be-
friedigt, da er wohl unwillkürlich angenommen hatte,
auch hier könne der Herr über ſeine Arbeiter ſo unum-
ſchränkt gebieten, wie daheim in ſeinem Lande, und
waͤndte ſich zum Gehen. „Zur Abnahme von mehreren
Garnituren würde ich mich dann verpflichten.“

„Noch heute Abend werde ich Eurer Hoheit Ant-
wort zukommen laſſen,“ verſicherte Herr Poſfart und be-

gleitete den Bey mit höflichen Verbeugungen bis zur

Thür. Als ſich dieſe aber wieder hinter dem Orien-
talen geſchloſſen hatte, verwandelte ſich das verbindlich
freundliche Geſicht des Juweliers in ein ſehr ernites,
Noch bis zum Zahre 1830 haͤtten die Vorgänger des
jetzigen Bey die Seeraͤuberei auf das Schwunghafteſte
beirieben und auch jetzt ſah es mit der Gerechtigkeits-
pflege in Tunis noͤch jehr übel aus; durfte er cS da-
her wagen, eine Anzahl werthvoller Schmuckgegenſtände.
für die im günſtigen Falle nur eine Summe im Voraus
bezahlt wurde, welche dem ungefaͤhren Werthe von viel:
teicht drei Schmuckgarnituren entſprach, in dieſes noch
halb vom Barbarismus beherrſchte Land zu ſenden, und
durfte er ferner einen jungen Mann, den er ſchätzte
auffordern, eine ſo gefährliche Reiſe zu unternehmen?

Sr ging wehrmals im Laͤden auf und ab; ie mehr
er ſich die Angelegenheit überlegte, deſto gefährlicher kam
fie ihm vor. Konnte der verſchlagene Bey nicht ſchon
voͤn vornherein die Abſicht haben, auf billige Weije zu
werthvollen Schmuckgegeuſtaͤnden zu gelangen? Sein
Gerede über den Geſchmack ſeiner Damen war vielleicht
nur ein Vorwand, der Ueberbringer dex Schmuckſachen
fonnte auf eine räthſelhafte Weiſe verſchwinden und der
Bey würde dann gewiß einfach nach Paris berichten
laͤffen daß es trotz der eifrigſten Nachforſchungen nicht
gelungen fei, zu enidecken, was aus ihn geworden. Ueher
die Verfehlagenheit und Verſchmitztheit der nordafrika-
nifchen Völkerſchaften und ihrer Beherrſcher hatten die
Fraͤnzoſen in dem Kriege in Algier ja eben erſt eine
ganze Menge von Erfahrungen gemacht.

Voͤſfark begab ſich jetzt in ſein anſtoßendes Kabinet,
ließ Monier rufen und legte ihm die Angelegenheit dar.
Er betonte, daß wenn Alles regelrecht abgewickelt würde,
ja ein recht huͤbſches Geſchäft gemacht werden könnte,
daß e& ihHm aber dennoch nicht räthlich erfcheine, die
Reife zu wagen. Monier hegte jedoch dieje Befürcht-
ungen nicht, er war ein junger uuternehmender Maun,
der in Algier manchen Strauß erfolgreich ausgefochten
und uun ſeinem Prinzipal verſicherte, auch in Tunis
werde er mit den verſchmitzten Arabern fertig werden;
das Geſchäft dürfe auf keinen Fall fahrengelaſſen wer-
den. „Ich ſtehe Ihnen für die richtige Ahwickelung der
MAngelegenheit,“ rief er ſchließzlich mit einem gewiſſen
Gnthuſtasmus aus, „meine Kenntniß der arabiſchen
Sprache ſoll mir dabei auch noch zu ſtatten kommen,
und ich will niemals in Algier geweſen ſein, wenn ich
nicht mit dieſen Geſellen umzugehen verſtehe.“

Das rege Intereſſe, welches Monier ſofort für die
ganze Angelegenheit bekundete, ftimmte Herrn Poſſart
um.. „Sie müjjen am Ende die Verhältniſſe dort beſſer
kennen als ich,“ verſetzte er, „und auch die Gefahren,
die Ihrer dort warten, richtiger zu beurtheilen per-
mögen. So ſei c& denn, wir wollen einmal vor dem
Riſiko nicht zurückſchrecken.“

Darauf meldele Herr Poſſart dem Bey, daß ſein
Gehülfe bereit ſei, die Reiſe nach Tunis zu machen,
und zuͤgleich wendete er ſich an die Regierung, machte
ſie mit der Angelegenheit bekannt und bat fie, den fran-
zöſiſchen Konful in Tunis anzuweiſen, Moniex mit
jeinen Schaͤtzen die größte Aufmerkſamkeit angedeihen

zu laſſen.
 
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