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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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Seite 194,


und Alterthumskunde. N 25.

zweite Tagesgebäckſel wartet ſchon lange aufs Au8-
kragen.“

Domenico folgte ihm ſchweigend und beſchäut über die
nachſichtige Güte feines Lehrherrn in's Haus Er war
ſeelenfroj, daß der Meiſter nicht weiler mit Fragen
in ihn drang über ſein langes Ausbleiben, denn er
konnte ja auch nicht einen triftigen Grund dafuͤr anz
geben und auf's Lügen und Ausflüchtemachen verftand
ſich der brave, kleine Menieo herzlich ſchlecht.

Er packte die friſchen, noch warmen Maizbrode
Reihe für Reihe auf ſein Kopfbrelt, während der Meiſter
den Inhalt des Ledertäſchchens nachzaͤhlte und zuletzt
agte:
® „Sut, es ſtimmt! Aber Höre, Menico, ehe ich's
vergeſſe: Zwei von dieſen Brödchen bringſt Du gleich
zuerft. zum Signor Sacdhint nach der Strada Santa
Lueia. Sie ſind heſtellt, — für täglich, hörſt Du wohl?“

Werd's beſtens ausrichten, ſagte Menico, hob
ſein Brett auf den Kopf und machte ſich wiederum auf
den Weg zu den Kunden des MeifterS, zu denen fich
heute, wie er ſoeben vernommen, ein neuer gefellt hHatte,
— Das war nichts Außergewöhnliches — dabei war
nichts Bemerkenswerthes für Domenico. Es galt nur,
ſich den Namen des Beſtellers und ſeine Wohnung ein-
zuprägen.

Und darin beſaß Domenico ein große Uebung,
Sicherheit und Kewandtheit. Bald hatfe er auch die
Wohnung des Signor Saechini in der Strada Santa
Lueig ausfindig gemacht. Eine alte Magd öffnele auf
ſein Anklopfen.

„Ich bringe die beſtellten Maisbrode vom Meiſter
Matteo aus der Toledoſtraße.“

„Sut, hier iſt die ausbedungene Bezahlung.“

Domenico hatte die Rechte ausgeſtreckt, ıum das
Geld in Empfang zu nehmen, aber klirrend fiel es zu
Boden.

Aarum hältſt Du auch nicht feſt, Junge!“ ſagte
die Magd ſcheltend. „Nun? — meinſt Du etwa, daß
hes meinem von der Laſt der Jahre gebeugten
NRüden zumuthen ſoll, dieſe Geldſtücke für Dich aufzu-
eben?“

Domenico bückte ſich haſtig darnach und ſteckte die
Münzen in ſein Ledertäſchchen.

„Verzeiht,“ ſagte er dahei in ſichtlichex erwirrung,
„ich wollte gewiß nicht unhöflich ſein. Ich — — ich
war ſo erſchrocken —“

„Dah,“ rief die Alte, „haſt wohl noch nie einen
Menſchen die Geige ſpielen hören?“

O ja, viele, erwiderte Domenico, „aber ſo ſo,
wie fie eben da drinnen im Gemach geſpielt wird, ſo
habe ich ſie noch von Niemand {pielen hören.“ Und
er neigte ſich lauſchend gegen die Thür vor und maͤchte der
alten Magd eine flehende, ausdruͤckvolle Geberde, uur
jetzt nicht zu ſprechen ihn nicht zu ſtören in dem Ge-
nuſſe dieſes Augenblickes.

Die alte Tereſina ſchien exfreut und geſchmeichelt
durch den Eindruck, den das Spiel ihres Herrn auf
den Bäckerjungen gemacht hatte. Noch einmal ſo freund-
lich als zuvor hlickte ſie auf ihn heräb und wilfaͤhrte
gern ſeiner Bitte, ſich ſchweigend zu verhalten.

Als aber das Tonſtück zu Ende geſpielt war, ſagte
ſie mit um ſo geläufigerer Zunge:

„Ja, ja, mein Kleiner, Du haſt einen ganz guten
Geſchmack, wenn Du findeſt, daß der Signor Sacchini
unvergleichlich ſchön ſpielt, denn das Haben vor Dir
ſchon Kaifer und Könige geſagt, und viele Leute, die
S beſſer zu beurtheilen verſtehen, als ſolch ein kleiner
Teigkneter wie Du ! — Na, laß nur gut ſein! Braͤuchft
nicht grimmig drein zu ſchauen Ich will Dich ja da-
mit nicht herabſetzen. Das Handwerk ernährt auch
jeinen Mann, und es wäre ja ein Unglück, wollteſt Dır
Dir in den Kopf ſetzen, ein großer Geigenſpieler zu
werden wie mein Maeſtro.“

Domenico ging. „Wäre das denn wirklich ein Un-
glüd?“ fragte er ſich wieder und wieder, ohne eine an-
dere Antwort als viele tiefe und ſchwere Seufzer da-
rauf zu wiſſen.

Unter einem / Unglück! ſtellte er ſich doch eigentlich
ganz etwas Anderes vor. Wenn er den Vater dder die
Mutter plöglich durch den Tod verlöre; wenn er jebt
ſiele und ſich Arm und Beine bräche; wenn eine Krank:
heit ihm das Augenlicht oder Gehör raubte, — ja,
das wäre alles Ungluͤck zu nennen! Mber warum
ſollte er denn nicht auch ein Sänger und Mufiker
werden? Wäre es nicht viel eher ein Unglück für ihn
zu nennen, wenn er Teigkneter hleiben müßte? Brode
hacken, allenfalls Maiskuchen und dergleichen ; die Kunden
hedienen; die Haufen kleiner Münzen durchzaͤhlen welche
alltäglich für die Waare einging. Puh, und die Hibe
am Backofen, die weißbeſtäubten Haare und Kleidungs-
ſtücke der unaufhörliche widerliche ſüße Geruch der
friſchen Backwaare — es erſchien ihın ale8 jeßt in
einem fremden, abſchreckenden Lidhte, Cr begriff nicht,
wie er es bisher dabei haͤtte aushalten fönnen.

Mit ſolchen Betrachtungen wirb Niemand pünktlicher,
fleißiger und eifriger in ſeinem Berufe, und die Anſicht
der Frau Sybilla, daß aus dem Domenico ſchwerlich
ein tüchtiger Bäcker werden würde, gewann tagtäglich
an Berechtigung. Sogar Matteo begann jetzt ernſtlich
an dem Menico zu zweifeln und enifchloß fich endlich,
zu ſeinem Freunde Cimaroſa zu gehen und ihn zu
bitten, den Knaben aus feinem Hauſe fortzunehmen,
da in der That ſeit einiger Zeit nicht3 mehr mit ihm
anzufangen ſei.

Meiſter Eimaroſa war natürlich über dieſe, ihm
durch ſeinen Sohn angethane Schmaͤch äußerft aufge-
hracht und Domenico Hatte ſchwere Zeiten zu iber-
ſtehen. Der Vater behielt ihn nun im eigenen Hauſe
und meinte, eine ſtrengere Zucht als die vom guten
Matteo ausgeübte werde ſchoͤn Alles wieder in’z rechte
Geleiſe bringen.

So trug denn nun Domenied nach wie vor Backwaaren
zum Verkanf durch die Straßen von Neapel, denn
Veiſter Cimaroſa war ſo gut ein Bäcker als Meiſter
Matteo ; nur leider kein ſo guter Baͤcker als dieſer, —
eine Wahrnehmung, welche Signor Sacchint {hon am
erſten Tage des inzwifchen eingetretenen Wechſels machte.
‚ „STerefina,“ ſaͤgte er, „die Maisbhrode find heute
nicht halb ſo gut als ſonſt! Sie find wohl nicht vom
Meiſter Matteb?“

„Doch, doch, Signor“, erwiderte Terefina, „der Junge
hat ſte eben gebracht.“

Sacchint hegnügte ſich damit, den Kopf zu ſchütteln.
* * dachte den Tag über nicht wieder an die Mais-
rode.

Am folgenden Morgen aber konnte er ſich nicht
enthalten, die gleiche tadelnde Bemerkung zu machen.

Es iſt wahr,“ ſagte Tereſina. „Wir nehmen die
Waare doch nun jHon feit Jahr und Jag vom Meilter
Matteo aus der Toledoſtraße, aber ſo gran und unan-
ſehnlich ſah ſte noch nie aus wie feit geftern.”

„Höre, Zunge, redete ſie am nächften Tage Do-
menico an, als dieſex wie gewoͤhnlich pünktlich mit
ſeinem noch warmen Gebäck in dem bekannten Hauſe
in der Strada Santa Lucia erſchien, „Deine Brode
ſind feit einigen Tagen fpottichleht, — wenn Du nicht
beſſere bringen kanuſt, Dbeftelle ich unſele AWaare an:
derswo!“

Domenico wurde purpurroth, aber er erwiderte
fein Wort. Am andern Tage brachte er wieder tadel-
loſe Maisbrödchen.

„Sieh da,“ ſagte Terefina zu ſich „die Drohung
hat geholfen. Man muß nur immer gleich deutlich re:
den, dann verſteht's ein Zeder.“

Ganz erfreut brachte ſie ihrem Herrn das köſtliche
Gehäck in’8 Zimmer und verfehlte nicht, ihm zu er-
zählen, wie ſie es angeſtellt hatte, wieder gute Waare
zu erhalten.

„Es iſt ein drolliger Junge, dieſer Bäckerburſche,“
ſagte ſie dabei. „Cin Mufikfreund, wie's Kkayınm einen
zweiten giht in Neapel. Wenn er feine Waare bringt
und kann dabei Signor muſtziren hören, {o ift er ganz
außer ſich vor Freude und vergißt ganz, daß er außer
un8 gewiß noch viele andere Kunden zu bedienen hat,
benn er ſteht und ſteht und Laufcht, alz Hätte er ſonſt
nichts auf der Welt zu thun.“

Sacchini hatte nur mit halben Ohren auf die Er-
zählung der alten Terefina gehört. Der Bäckerburſche
intereflirte ihn ungemein menig. Zudem fomponirte er
gerade ein größeres Mufikwerk und war faͤft ausſchließ-
lich mit ſeinen Gedanken bei demfelben, ſo daß er {0-
gar mit Ungeduld auf den Schluß von Terefina’8s VBor-
trag gewartet hatte, ım wieder ungeſtört feiner Be-
ſchäftigung obliegen zu fönnen.

Er arbeitete mit großem Fleiß. Nur zu den Mahl-
zeiten gönnte er ſich KRuhe, Gr legte einen großen
Verth auf die Auserleſenheit der Gerichte, welche
Terefina’3 Kochkunſt ihm Tag aus, Tag ein vorſetzte,
denn er war ein gründlicher Kenner, und auch der ge-
ringſte Fehler entging ihm nicht, wie wir ſchon bei Ge-
legenheit der Maisbrod-Angelegenheit geſehen haben,
daß er ſehr genau beobachtele und verglich.

Eine geraume Zeit hindurch waren die von Dome-
nico abgelieferten Maisbrödchen auch wieder gut, wie
zupor, allein plötzlich eines Morgeus fand Sacchini ſie
piederum ſchnacklos und unanjehnlich und gerieth, als
ſich das täglich wiederholte, in eine gewiife Aufregung,
jo bdaß Terefina ſich endlich die Freiheit nahm, den
fleinen Uebelthäter in Perſon vor ihren geſtrengen Herrn
zu führen.

„Da,“ ſagte fie, ihn in die Thür von Sacchini's
2 ſchiehend und fie Hinter ihm wieder in’z
Schloß ziehend. „Nun machen Sie’3 f{elbit mit dem
Schlingel au8, Signor, — meine Drohung hat diesmal
nichts geholfen.“

Domenico ſtand zitternd und erſchrocken vor dem
Maeftro, der erſtaunt von ſeiner Arbeit aufſah und
durchaus nicht zu begreifen {chien, wen Tereſina herein-
geführt. und was er denn eigentlich mit diejem Knaben
au8zumadjen habe. So ftanden ſich die beiden eine
Zeit lang ſprachlos gegeniüber, bis Sacchini, den Anzug
* Knaben muſternd auf die rechte Fährte zu fommen

ien.

Ach ſo,“ lagte er halblaut, „vermuthlich der
Bäckerburſche. Dieſe Terefina wird mich noͤch krank
ärgern mit ihren ewigen Störungen.“

Domenico drehte ein flaͤches Tellermützchen, das
recht dick gepolſtert war, da es ja zugleich als Unter-
lage für das ſchwere Kopfbrett diente, verlegen in den
Haͤnden hin und her. Er haͤtte wer weiß was darum
gegeben, wenn er jetzt nicht hier hätte ſtehen dürfen,
denn dem Verhör, daͤs nolhwendiger Weife nım folgen
mußte, ſah er mit hedenklichem Herzklopfen entgegen.
Sr hatte ein ſchlechtes Gewifjen, der Keine Buͤrſche,
darum wagte er auch nicht, die Augen aufzuſchlagen.

Sacchint betrachtete ihn mit waͤchfendet Theilnahme.
Domenico war durchaus Lein auffallend ſchöner Knabe,
allein c8 lag in ſeiner Erſcheinung etwas, das den ge-
lehrten Mujiker ungemein fefjelte,

„Du biſt ein Lehrburiche bei Meiſter Matteo auͤs
der Toledoſtraße? begann er endlich, in der Neberzeu-
gung daß er doch irgend etwas fagen müſſe, ehe er
ſeine Unzufriedeuheit wegen der zulcht gelieferten Back-
waare ausſprechen wolltẽ Allein wie erſtaunt war er,
al3 ber Kuabe verlegen ſtotterte: Ach nein, Signor!
Verzeiht, Signor! . .. Ich habe ſehr unrecht gethan!
Ich will es gewiß nie, nie wieder thun ! Bei der heiligen
Mutter Goltes {hwöre idh e8 Euch, Signor! Aber
vergeht mir, vergebt mir nur dies eine Mal !”

Ter Knabe war auf die Aniee gefunken und drückte
die widerſtrebende Hand Sacchini’3 an feine Lippen.

‚ „Sind,“ ſprach dieſer eruſt und gedankenvoll,, Du
ſcheinſt in der That ein großes Unrecht begangen zu
haben. Wenn Dit es aber aufrichtig bereuſt, wird e8
Dir an der Verzeihung nicht fehlen. Nım glaube ich
annehmen zu müjjen, daß D Dich in meiner Berfon
terſt. denn ich wüßte in der That nicht, maz Du gegen
mich verſchuldet haben könnteſt, um in einer ſolchen
*— Nachſicht anzuflehen.“

Omenico ſah ihn halb zweifelnd, halb ſcheu an.

„Ach Herr/“ ſagte er, „e8 ift wegen der Mais-
* Tereſina ſagte mir, Sie ſeien {0 ſehr böſe da-
rüber.“

Sacchini war nahe daran zu lachen, allein er be-
zwang ſich und ſagte:

„Und war ich nicht mit Recht böſe darüber? —
Aher laſſen wir das Du verſprichſt mir, nie wieder
ſolche Maisbrode wie geſtern und biele Tage zuvor ab-
zuliefern — und Alles ift wieder in Richtigkett.“

Domenieo ſtarrte den Sprecher verwirrt art.

„Daz iſt's, Herr!“ſtotterte er endlich.Ich glaubte,
— icch dachte, ... Nun wahrlich Signor, ich weiß nicht
mehr, wie ich mich herausfiuden jol! Gerade ſolche
Maishrode, wie ich ſie geftern und in letzter Zeit immer
gebracht habe, kaun ich ja mur abliefern, wenn ich
wieder ein ehrlicher Junge ſein will Ich — ich —ich
habe Sie ja betrogen!“

Der Knabe ſchluchzte laut. Saechini wußte nicht,
was er davon denken ſollte, die Gedanken wirbelten
ihm durcheinander

Nun,“ ſagte er endlich, „ich ſehe ſchon, wenn Dır
nicht eine ordentliche, ausführliche Beichte ablegſt,
fomme ich nicht dahinter, morin eigentlich das Vergehen
beſteht, deſſen Du Dich ſelbſt anklagijt. Aljo ſprich —
ich werde Dich anhören!“

Domenico trocknete ſeine Thränen.

„Signor“, ſagte er, „als ich noch Lehrburſche beim
Veiſter Matteo war, beſtellte Terejina alltäglich zwei
Maizbrode für Euch bei meinem Lehrherrn Ich braͤchte
ſie Guch ins Haus, und da, Herr, Hörte ich Euch {hielen.
Das war ein Unglück für mich/ Herr, denn — dak
ih’3 mur geſtehe — feit jener Stunde hHatte ich nur noch
Hedanken für Euch und Cuer Spiel. IO brachte täg-
lich die beſtellten Brode, und täglich lauſchte ich ſtun-
denlaug in einem dunklen Winkel an der Treppe, wo
Niemand mich ſehen konnte, CGurem Geſange auf der
Geige. Den Meiſter verdroß e3, daß ich täglich jaum-
ſeliger und nachläßiger wurde. Seine Frau war mir
längit gram, und fo famı’3, daß fie mir den Dienft auf-
fündigten. Mein Vater, Signor, ijt auch ein Bäcker,
und ſo mußte ich denn fortan bet ihnm in die Lehre
treten. Aber freilich, ſo gut als der Matteo verſteht
er ſeine Sache nicht. Sr hat auch bei Weitem kellie ſo
große und vornehNme Kundſchaft. Ich truͤß alfo nın
meines Vaters Backwaare zu den Kunden desſelben —


daß es anderes Gebäck war, was ich Euch nun in’8
Haus brachte.“

Saechini mußte lächeln über dieſen Widerſpruch in
des Knaben Bericht, der doch ſoeben noch anerkannt
hatte, daß die väterliche Backwaare bedeutend weniger
gut ſei, als die des Meiſters Matteo, MAber er jagte
nichts, ſondern hedeutete Domenico, nur fortzufahren,

Tereſing ſchalt mich damals {ehr“, nahım - der
Knghe nach einer kleinen Pauſe wiedek das Wort. Sie
drohte mir, kein Gebäck mehr von mir entnehmen zu
wollen, wenn ich nicht wieder ſo gutes brächte, wie zU-
vor, da — — Herr, da lief ich jeden Morgen naͤch der
Toledoſtraße und lauerte dem Zungen auf, der nun an
meiner Stelle die Maisbrode Matteo’3 dustragen mußte,.
kaufte von ihm zwei der ſchönſten und brachte fie danır
ſchleunigſt zu Fuch, froh, Euch wieder zufrieden zu
ſtellen, und froh, Euch wieder ſpielen hören zu Lönnen.“

Nun, und warum blieb es nicht dabei?“ fagte
Sacdhint, als ietzt der Lnabe ſchwieg.

Ach, Herr”, rief Domenico, „der Vater haͤtte e
erfahren, daß ich Matteos Brode hei Euch für die fetz
nigen ausgab. Er mar fehr aufgebracht dariiber 11nd
verbot es mir ein für alle Mal. Er meinte, wenn fein
Maisbrod Luch nicht ſchmecke, ſo möchtet Ihr e& doch
wieder direkt vom Matteo entnehmen, ich ſein Lehrz
burſche, ſei nicht dazu da, einem andern Meiſter zu Ver-
dienft zu verhelfen ſondern die eigene Kundſchaft zu
vergrößern, und ſo, Herr, mußte ich Euch wieder die
grauere Waare bringen!“

Und das Alles um mich ſpielen zu hören?“ ſagte
Sacchini gedankenvoll.
unferer Begabung ſind nicht intmer dort zu finden wo
vir ſte ſuchen. Diejer Anabe . , .“ Sacchint legte jeine
Hand auf Domenico's Scheitel und blickte ihm Lange
forſchend in die Augen. Dann ſagte er: „Mir i{t3,
als hätte ich Dich ſchon irgendwo zeſehen! Richtig, am
legten Sonntage auf dem Wege naͤch dem Kaftell Sanr
Elmo war’s. — O, jetzt entfinne ich mich genan. Wie
fonnte ich es doch vergeſſen, iſt mir doch das Liedchen
jelbit feitdem nicht aus dem Gedaͤchtuiß gefommen. DHe,
Menieg, ſing e& mir noch einmal, — willit Du ?”

„Ja, Herr — welches Lied denn?“ fragte der Knabe
erſtaunt.

„Nun, jenes Lied, das Du damals ſangſt, als ich
Dich zuerſt jah. Weißt Du's nicht mehr? Die Leute
jtanden alle ſtill und hörten Dir zu, und als Du zu
Ende geſungen mußteſt Du e& noch zwei:, ‚dreimal da
capo fingen. Oder ſollte ich mich in Deiner Berfon irren ?
Sag’, warſt Du es oder warſt Du e8 nicht?“

„Nun, Signor, ich werd's wohl gewejen fein, ob-
gleich ich mich virklich nicht genau darauf befinnen kanır,
denn daß Ddie Leute meine Lieder da capo verlangen, ift
mir nichts Neues. Sie hören mich Alle gern trällern,
mur die Hran Sybilla nicht, — das iſt nämlihH Meifter
Matteo’3 Ehehälfte, Signor. Ich glaube, ſie konnte
mich nur deßhalb nicht leiden, weil ich den ganzen Tag
ſang und pfiff, wo ich ging und ſtand.“

„St”, jagte Sacchint, „wenn dem wirklich ſo iſt, ſo
wäre ja die Abneigung der Frau Meijterin Längit auf-
gewogen durch die Zuneigung, welche Dir Dein Gejang
in_bden Herzen vieler anderer Menfchen {hon erweckt
hat und wohl auch ferner noch erwecken wird. Yber
nun ſinge mir das Liedchen, um das ich Dich vorhin
ſchon bat.“

Waxss vielleicht: „La madre mi sgrida“*) Siguor?“

Sacchini ſchüttelte den Kopf.

„Nein”, ſagte er ohne Befinnen, „das war'z nicht,
Der Worte weiß ich mich zwar nicht mehr zu erinnern,
aber die Melodie begann jo ...“

Under ſang halblaut einige Takte des kleinen Liedes,
in das Menico ſofort einfiel, um es ſo friſch Iuftig und
keck zu Ende zu fingen, daß Sacchini mit ungetheilter
Aufmerkſamkeit zuhoͤrte.

Als Domenico ſchwieg, ſagte er mit einent beifäl-
ligen Kopfnicken:

Das iſt gar ſo übel nicht, mein kleiner Mann,
Per Baccho, Dı trällerft ja wie eine Lerche im Zrüh!
lingſonnenſchein! Wo haſt Du denn daͤs Liedlein auf-
geſchnappt, mein Buͤrſcſchen? He? Es iſt mir neu.“.

Menico ſah den Maeſtro einigermaßen erftannt an.

Aufgeſchnappt?“ wiederholtẽ er „Acoh, Signor,
ich finge immer, wie mir der Schnabel gewachſen ift,.

*).Die Mutter ſchilt mich.


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