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Baumeister: das Architektur-Magazin — 7.1909

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Jansen, Hermann: Die Baukunst auf der grossen Kunstausstellung zu Berlin 1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.52602#0109

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DER BAUMEISTER <> 1909, JUNI.

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Arch. Otto Marcb, Charlottenburg.

Landhaus Jul. Vorster, Oberkassel.

die Anerkennung vorzuenthalten, müssen wir zugeben, dass
wir vor einer Unsumme von Unkultur bewahrt geblieben
worden wären.
Dabei wollen wir dem Einwande gleich begegnen, wir seien
einseitig und blind gegenüber so und so vielen mühsamen
Versuchen und Erfolgen, ohne die das heute angebahnte
Niveau gar nicht denkbar sei und dass jedem, selbst stärke-
ren Talenten, als die, welchen damals die Führung anvertraut
war, diese Entgleisung und Verkennung des Wesens passieren
musste. Sollen neue Versuche gemacht werden, sind Irrungen
abseits der Richtlinie unvermeidlich; bei dem einen Architekten
geschiehts mehr, beim andern weniger. Nur möchte man
wünschen, dass für die grosse Menge der Architekten, deren
Aufgabe es gar nicht sein darf, zu experimentieren, sondern
die sich damit genügen soll, die eigenen Leistungen ähn-
lich den nebenan Schaffenden durch Vervollkommnung in der
künstlerischen Formgebung wie in der
praktischen Benutzbarkeit fortwährend
im Werte zu steigern.
Kleine formelle Abirrungen oder Un-
vollkommenheiten einiger von ihrer sieg-
haften Genialität besonders überzeugter
Pfadfinder sind für die Gesamterschei-
nung der Baukunst bei dem wachsenden
Bildungsgrade der Architekten nicht so
grosse Schädlinge mehr; zu wünschen
ist nur, dass die Leistung der Gesamt-
heit endlich wieder auf den gesunden
Bahnen sich bewege, wie es vor drei und
mehr Generationen als selbstverständlich
galt. Erscheint dann weiterhin auch dem
Volke diese Art von Baukunst wieder
als selbstverständlich, dann kann man die
lange gerade* so bitter vermisste Kultur-
stufe wieder als erreicht betrachten. Dann
erst ist die berechtigte Ueberschreitung
dieses Niveaus normaler Schöpfungen
durch wirklich beanlagte Künstler wieder
erleichtert und begehrt.
Gerade unsere Generation muss es als
vornehmste Pflicht ansehen, das wenige
Gute und Charakteristische, aus früheren
Seiten noch Erhaltene, zu schonen und
vor allem durch Aufklärung und Er-
ziehung es durch die Gesamtheit der

, benachbarten minderwertigen Neuschöpfungen nicht in brutaler
Weise in seiner Wirkung einfach erdrücken zu lassen. Im
Sinne der Denkmalpflege also zu schaffen, das Bild zu erhalten
und weiter auszubauen, sind unsere Architekten moralisch
verpflichtet, an solchen Stätten historischer Umgebung.
Die Hauptsache ist, dass wir wieder gute und anständige
Leistungen im einzelnen, wie besonders im Strassen- und
Platzbilde erstreben — sie können dabei doch durchaus
selbstständigen Charakters sein. Die besonders jüngere
Gemüter längere Zeit so nervös machende Frage, ob
neuartig in der Form, kommt erst in 3. und 4. Reihe zur
Bewertung. Fragen wir uns heute ehrlich, was an positiver
Leistung diese modernen Stürmer nach ca. 20jähriger Arbeit
ihr eigen nennen, müssen wir sagen, in Summe herzlich
wenig dafür, dass sie ihr starkes Wollen nicht auch zwecks
Erhaltung vorhandener Kunstwerte durch Anpassen und Aus-


Arch. Ernst Rossius vom Rhyn, Berlin.

* Landhaus in Nikolassee.
 
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