rung von Gebirge, Wasser und Uferhöhenrand über eine Landschaft gelegt,
die im Letzten nur Vorwand ist, um jene Melodie erklingen zu lassen, die an
jenem einen Sommerrnorgen, da Corinth malte, aus der Seele des Schöpfers
heraus zum Ausbruch drängte.
Diese beiden hier als Beispiel reproduzierten Landschaften sind zwar in
Anlehnung an die Natur als Modell des Göttlichen entstanden, aber ich weiß
trotzdem, daß Corinth sie mit fast geschlossenen Augen gemalt hat. Auch in
seinem Atelier kann er solche Dinge malen wie jener alte Chinese, der von
dem dreitägigen Versenktsein in Berg und Tal, in Sonnenaufgang und -Unter-
gang heimkehrte, um bei geschlossenem Auge seine Landschaft zu malen.
Man vergleiche, um sogleich zu erkennen, wie stark gerade in diesen beiden
Werken das Musikalische an sich nach zwei entgegengesetzten Polen hin im
Malerischen festgehalten würde. Die Luzerner Seelandschaft ein Furioso mit
allen Registern eines vollbesetzten Orchesters; der Blick vom Urfelder Land-
haus auf den See ein dolce und allegro, das stark die Sinne umschmeichelt.
Man sage auch nicht, daß Corinth einfach das Vorbild der Natur mit dem
hellen Klang seiner Palette auf die Leinwand übertrage, wie es die typischen
Impressionisten taten, wenn sie nicht mehr wie eine virtuosenhafte Fingerfer-
tigkeit besaßen. Im Gegenteil: In jedem dieser Corinthschen Bilder ist Gestal-
tung und malerische Komposition, wenn vielleicht auch nur unbewußt. Eine
einzelne Tanne kann — wie auf der Walchenseelandschaft — Zentrum des
Blickfeldes und damit Träger der gesamten Bildkomposition sein, während
mächtige Häuserblocks im Gegenüber fast zu einem Nichts verschwinden und
auch Gebirge, das den Horizont abschließt, nichts als Umrahmung ist. Oder
einer Uferlinie des Vierwaldstätter Sees, die das Auge des Malers reizt, wird
selbst im überragenden Dahinter der Schweizer Bergketten malerisch die Be-
deutung gegeben, durch die das ganze Bild in sich zusammengehalten und
aus der Zufälligkeit einer Tagesstunde losgelöst ist. Drüben der Pinsel in leich-
ter huschender Bewegung, nur hin und wieder kräftigere Akzente verteilend,
dort ein spachtelartiges Hinmauern und Zusammenraffen von Tonkomplexen,
das in dieser Tollkühnheit einfach grandios genannt werden muß. Immer aber
sind es die Gesichte, die aus dem Innern der Künstlerseele ans Tageslicht
drängen, immer wirkt eine schöpferische Kraft, die nicht der Natur erliegt,
sondern sie zu sich hinabzwingt.
Und diesem Künstler, der oftmals in den Spiegel schaute, wird die eigene
Erscheinung — je mehr die Jahre der Vollendung entgegengehen — zum gro-
ßen Frage- und Antwortspiel an das Schicksal. Im Werk des Meisters gibt es
kein Selbstbildnis, wie . immer es aufgefaßt sei, das nicht als Bekenntnis des
inneren Menschen wichtig wäre. Wem dichterische Imagination verliehen ist,
könnte sogar die nicht geringe Zahl dieser Corinthschen Selbstporträts zu
einem wundervollen Kranz zusammenbinden, und der wäre wie die Beichte
eines herrlich großen Menschen, der zeitlebens ein reines wundervolles Kind
geblieben ist. Aber in diesem Kranze gäbe es dennoch Dinge, die nur zufällig
sind. Ausbrüche von Übermut und Sinnlichkeit, die lediglich an der Oberfläche
des Daseins haften. Die Selbstbildnisse des Alters gestatten dagegen keinen
Vergleich mit anderen und bilden durchaus eine Klasse für sich. Es sind
„Confessiones“ schlechthin, Tatsachen, die weniger der rein malerischen
Freude als vielmehr dem inneren Ohr ihres Schöpfers die Entstehung danken,
d. h. Spiegelungen der Seele, die freigeworden ist vom Leben und sich im
Selbstbildnis auf der Leinwand in Bejahung, Verneinung, in Kraft und Ver-
zicht, in Freude und Kummer entlädt. Ob ähnlich oder nicht, das ist hier völlig
einerlei. Ein Selbstbildnis aber, wie das hier abgebildete, das Corinth im letzten
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die im Letzten nur Vorwand ist, um jene Melodie erklingen zu lassen, die an
jenem einen Sommerrnorgen, da Corinth malte, aus der Seele des Schöpfers
heraus zum Ausbruch drängte.
Diese beiden hier als Beispiel reproduzierten Landschaften sind zwar in
Anlehnung an die Natur als Modell des Göttlichen entstanden, aber ich weiß
trotzdem, daß Corinth sie mit fast geschlossenen Augen gemalt hat. Auch in
seinem Atelier kann er solche Dinge malen wie jener alte Chinese, der von
dem dreitägigen Versenktsein in Berg und Tal, in Sonnenaufgang und -Unter-
gang heimkehrte, um bei geschlossenem Auge seine Landschaft zu malen.
Man vergleiche, um sogleich zu erkennen, wie stark gerade in diesen beiden
Werken das Musikalische an sich nach zwei entgegengesetzten Polen hin im
Malerischen festgehalten würde. Die Luzerner Seelandschaft ein Furioso mit
allen Registern eines vollbesetzten Orchesters; der Blick vom Urfelder Land-
haus auf den See ein dolce und allegro, das stark die Sinne umschmeichelt.
Man sage auch nicht, daß Corinth einfach das Vorbild der Natur mit dem
hellen Klang seiner Palette auf die Leinwand übertrage, wie es die typischen
Impressionisten taten, wenn sie nicht mehr wie eine virtuosenhafte Fingerfer-
tigkeit besaßen. Im Gegenteil: In jedem dieser Corinthschen Bilder ist Gestal-
tung und malerische Komposition, wenn vielleicht auch nur unbewußt. Eine
einzelne Tanne kann — wie auf der Walchenseelandschaft — Zentrum des
Blickfeldes und damit Träger der gesamten Bildkomposition sein, während
mächtige Häuserblocks im Gegenüber fast zu einem Nichts verschwinden und
auch Gebirge, das den Horizont abschließt, nichts als Umrahmung ist. Oder
einer Uferlinie des Vierwaldstätter Sees, die das Auge des Malers reizt, wird
selbst im überragenden Dahinter der Schweizer Bergketten malerisch die Be-
deutung gegeben, durch die das ganze Bild in sich zusammengehalten und
aus der Zufälligkeit einer Tagesstunde losgelöst ist. Drüben der Pinsel in leich-
ter huschender Bewegung, nur hin und wieder kräftigere Akzente verteilend,
dort ein spachtelartiges Hinmauern und Zusammenraffen von Tonkomplexen,
das in dieser Tollkühnheit einfach grandios genannt werden muß. Immer aber
sind es die Gesichte, die aus dem Innern der Künstlerseele ans Tageslicht
drängen, immer wirkt eine schöpferische Kraft, die nicht der Natur erliegt,
sondern sie zu sich hinabzwingt.
Und diesem Künstler, der oftmals in den Spiegel schaute, wird die eigene
Erscheinung — je mehr die Jahre der Vollendung entgegengehen — zum gro-
ßen Frage- und Antwortspiel an das Schicksal. Im Werk des Meisters gibt es
kein Selbstbildnis, wie . immer es aufgefaßt sei, das nicht als Bekenntnis des
inneren Menschen wichtig wäre. Wem dichterische Imagination verliehen ist,
könnte sogar die nicht geringe Zahl dieser Corinthschen Selbstporträts zu
einem wundervollen Kranz zusammenbinden, und der wäre wie die Beichte
eines herrlich großen Menschen, der zeitlebens ein reines wundervolles Kind
geblieben ist. Aber in diesem Kranze gäbe es dennoch Dinge, die nur zufällig
sind. Ausbrüche von Übermut und Sinnlichkeit, die lediglich an der Oberfläche
des Daseins haften. Die Selbstbildnisse des Alters gestatten dagegen keinen
Vergleich mit anderen und bilden durchaus eine Klasse für sich. Es sind
„Confessiones“ schlechthin, Tatsachen, die weniger der rein malerischen
Freude als vielmehr dem inneren Ohr ihres Schöpfers die Entstehung danken,
d. h. Spiegelungen der Seele, die freigeworden ist vom Leben und sich im
Selbstbildnis auf der Leinwand in Bejahung, Verneinung, in Kraft und Ver-
zicht, in Freude und Kummer entlädt. Ob ähnlich oder nicht, das ist hier völlig
einerlei. Ein Selbstbildnis aber, wie das hier abgebildete, das Corinth im letzten
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