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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 1
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Martinie, Henri: Puvis de Chavannes
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0038

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Bibliothek in Boston (1895), sind allgemein erwartete Werke, die bei ihrem
Erscheinen gefeiert werden. Im Jahre 1895 veranstalteten Studenten und junge
Künstler ein Fest für Puvis, um sein Werk und seinen Genius zu feiern. Der
Meister lebte dann noch ein Jahr, gerade lange genug, um seine „Heilige Geno-
veva, die über Paris wacht“ zu beenden. Sie wacht auch über seinen Ruhm.
Das Buch von Marius Vachon „Puvis de Chavannes“ bringt eine tief
empfundene und verständnisvolle Lebensbeschreibung von Puvis de Chavan-
nes, dem größten modernen Freskomaler. Man kann dieses an Schlichtheit
und Geradheit vorbildliche Leben nur bewundern. Alles an ihm ist klar, wie
das helle Licht seiner Gemälde. Die Kunst war für ihn eine tiefernste Sache;
ohne viel Wesens davon zu machen, hielt er sie für die höchste Würde der
Menschheit. In diesem hohen Verantwortlichkeitsgefühl lehnte er es ab, die
Handelskammer in Bordeaux auszumalen, weil man ihm das Sujet vorschrei-
ben wollte, und fast hat es uns um die Wandgemälde der Sorbonne und der
Bibliothek in Boston gebracht. Weder Anfeindungen noch der gefährlichere
Ruhm konnten seine Rechtlichkeit antasten.
Die Jugend, der er immer eine tatkräftige Anteilnahme gezeigt hat, ist sehr
undankbar, ihm und seinem Werk gegenüber; aber diese Undankbarkeit trägt
ihre Strafe in sich selbst. In ihrem Vergessen und ihrer Gleichgültigkeit ver-
kennen sie den Meister, der ihnen an Geist und Herz am nächsten steht. Man
müßte den instruktiven Wert des Werkes von Puvis de Chavannes besonders
hervorheben, das in modernem Sinne die heutigen Probleme umfaßt: Technik,
Sujet, Landschaft, Symbol, Synthese, moderne Anschauung (wie in Rouen).
Allgemeiner gesehen, was denjenigen, die von geistigen Leistungen berührt
werden, wichtiger sein wird: Keine Produktion gereicht der Kunst der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts mehr zum Ruhme, adelt diese Epoche mehr, als
das Werk von Puvis de Chavannes. Den jungen Weltverbesserern von heute,,
die zu geneigt sind, die Älteren von 1880—1910 zu verleugnen, die glauben,
daß man eine anspruchslose Seele durch Heldentaten im Fußball voll be-
friedigen kann, rufen wir ins Gedächtnis zurück, daß das „Ludus pro Patria“
auch ein olympisches Spiel begreift, von dem attische Feinheit und geistige Be-
schwingtheit ausging, von der sie vielleicht nichs ahnen. übers. L. P.





O. Coubine. Radierung
 
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