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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 2
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Frentzel, Otto Erwin: Zur Entwicklung des deutschen Silbergefäßes im 16. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0096

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Der Vergleich zeigt weiter eine wesentliche Veränderung in Form und An-
ordnung der Buckel. Das ausgehende 15. Jahrhundert bevorzugt zwei Buckel-
formen: Die eine, etwa herzförmige, bleibt auch das ganze 16. Jahrhundert hin-
durch gelegentlich, aber nur an unwichtiger Stelle, zu belegen. Die andere,
weit wichtigere Form, ist eine Fischblase mit Kopf und Schwanz (Abb. 1).
Gegen 1500 kommen Umbildungen in naturalistische Formen vor (Abb. 2). Die
Gestalt des Buckels ist dabei ein mehr oder weniger fest Gegebenes. 1537 da-
gegen (Abb. 3) haben die Buckel keine bestimmte Form, sondern entwickeln
sich jeweils aus der Form der Cuppa heraus. Oben und unten laufen sie spitz
zusammen, während sie in der Mitte des Pokalkörpers etwa gleich bleiben.
Anordnung und Form der Buckel bedingen sich also gegenseitig und letzten
Endes wird so die Anordnung der Buckel zum entscheidenden Moment.
Die Anordnung um 1500 zeigt besonders deutlich der Pokal des Kaisers Max
(Abb. 2). Trotz der Drehung liegen die einzelnen Birnen parallel nebeneinander
wie die Stränge einer gedrehten Schnur (vgl. auch den Schaft). Es ist bezeich-
nend, daß die Birnen am Boden der Cuppa nicht, wie es doch so nahe gelegen
hätte, mit den Spitzen Zusammenstößen. 1537 dagegen stehen die Buckel oben
und unten um die Mitte radial, wie Blattkränze um den Stengel, herum und
laufen in der Mitte spitz zusammen. Das Nebeneinander wird also zum Gegen-
einander.
Zugleich verändert sich das Wesen der Buckelung als solcher durchaus.
Ihre Aufgabe ist im ausgehenden 15. Jahrhundert im wesentlichen dekorativ.
Die Fläche, die Wand des Gefäßes, wird in ein malerisches, unfaßliches Ge-
wirr spielender Lichter und Formen aufgelöst. Bei Altdorfer hat die Buckelung
im Gegensatz dazu gliedernde Kraft. Sie klärt die Beziehungen der einzelnen
Teile zueinander, so daß das ganze Gebilde in seiner Tektonik faßbar und
überschaubar wird.
Vor allem wird durch die radiale Anordnung der Buckel die Bedeutung der
Mittelachse erläutert. Sie ist in diesem tektonischen Gebilde der Träger des
Ganzen. Beim Pokal des 15. Jahrhunderts ist sie gewiß irgendwie da. Aber
sie ist ein zufällig Gewordenes, wie die Mitte in einem gedrehten Strick oder
einem Bündel. Sie hat keine konstruktive Bedeutung. Bei Altdorfer ist sie das
Rückgrat des Ganzen. Wenn sie herausgenommen wird, zerfällt alles. Alle die
einzelnen Glieder werden von ihr gehalten und sind an ihr festgewachsen. Das
Gefäß ist in der Mittelachse zentralisiert.
Diese bedeutsame Wandlung in der Funktion der Mittelachse steht nicht nur
mit allen anderen Stilmomenten im engsten Zusammenhang, sondern ver-
ändert das Wesen des Gefäßes überhaupt. Denn dadurch wird es aus einem
aufklaffenden Bündel von Halmen zu einem „Individuum ..., das seine Da-
seinskraft in sich selbst trägt“1.
Der zur Zeit Altdorfers beliebte Typ hat nicht sehr lange geherrscht. Hol-
bein2, dessen Entwürfe für die deutsche Gefäßkunst seiner Zeit verloren waren,
weist bereits neue Wege. Anregungen kommen aus Italien, Frankreich und
den Niederlanden. Die Nürnberger Ornamentstecher Flettner3, Hirsvogel
und Solis4 bemühen sich, bis genau in der Jahrhundertmitte 1551 der Nüm-

1 Heinrich Wölfflin: Die Kunst Albrecht Dürers, München igoö, S. 240.
2 Paul Ganz: Die Handzeichnungen Hans Holbein d. J. Berlin seit igii.
3 Vgl. J. Reimers: Peter Flötner nach seinen Handzeichnungen und Holzschnitten.
München i8go, und Heinrich Röttinger: Peter Flettners Holzschnitt. Straßburg igiö.
4 R. Bergau: Wentzel Jamnitzers Entwürfe zu Prachtgefäßen in Silber und Gold.
Berlin 187g.

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