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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 3
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Martinie, Henri: Géricault
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0139

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Von H. MARTINIE / Mit drei
Abbildungen auf zwei Tafeln

Gericault


EINE sehr schöne Ausstellung der Werke von Theodor Gericault (Galerie
J. Charpentier) feierte im vergangenen Frühjahr das Andenken des Künst-
lers, der vor hundert Jahren, am 26. Januar 1824, plötzlich starb. Eindrucks-
voller als je stellt sich uns Gericault in der Reihe der großen Künstler des
ig. Jahrhunderts dar: Ein junger kraftvoller Mensch, elegant und reich, passio-
niert für Pferde und Malerei, erstaunlich für die Kunst begabt. Sein Schicksal
vollendete sich vorzeitig und schmerzvoll infolge eines Unfalles, der ihm beim
kühnen, unvorsichtigen Ritt zustieß. Sicherlich genügen die Werke, die er
hinterließ, trotz ihrer verhältnismäßig beschränkten Anzahl, um ihm dauern-
den Ruhm bei der Nachwelt zu sichern; aber man denkt traurig daran, was
er hätte schaffen können, und verwünscht diesen Unfall, der die Ursache
seines langsamen und qualvollen Endes wurde.
Mit gleichem Temperament gab er sich der Kunst und jeder Tätigkeit hin,
stets stellte er absolute Forderungen. So war er unzufrieden mit seinem ersten
Erfolg im ,,Salon“, trotzdem seine beiden Einsendungen Beifall gefunden hatten.
Viele hätten sich mit diesem aussichtsvollen Beginn ihrer Künstlerlaufbahn
gern begnügt, aber einem so herrischen Anfänger schien er zu kleinlich. So
verzichtete er und trat in den Heeresdienst ein, wo er aber nur wenige Monate
blieb. Sicherlich glaubte er, daß er zu lange auf die Beförderung zum Offizier
würde warten müssen. Er trat wieder ins bürgerliche Leben zurück, aber seine
Energie blieb rastlos. Eine unglückliche Leidenschaft nahm ihn ganz ge-
fangen und erschütterte ernstlich seine sittlichen Kräfte. Er suchte Heilung
in Italien, wo sein Schmerz sich beruhigte und er sich der Kunst wieder
zuwandte. Die Arbeiten, die er, nach Frankreich zurückgekehrt, ausstellt, zeigen
den günstigen Einfluß seines römischen Aufenthaltes. Im Jahre 181g tat er sich
in aufsehenerregender Weise hervor. Sein „Floß der Medusa“ begeisterte das
Publikum und wurde mit der goldenen Medaille preisgekrönt.
Wiederum verstimmt — diesmal durch die vielen Diskussionen, die sein Bild
hervorrief — ging er nach England, wo er sich für die englischen Koloristen be-
geisterte und während zwei Jahren seiner Vorliebe für die Lithographie und
für Pferde lebte. Nach Frankreich zurückgekehrt, zersplittert er seine Kräfte
zwischen künstlerischen Arbeiten und geschäftlicher Tätigkeit und stirbt mit
33 Jahren, ohne ein neues Werk von Bedeutung geschaffen zu haben.
Gericault, der am 26. September 1791 zu Rouen geboren war, ist geistes-
verwandt mitPoussin, Corneille undFlaubert und das erklärt einigermaßen den
großen dramatischen Zug, der seine Werke charakterisiert. Er war ein Schüler
wie alle anderen im Gymnasium, zeigte aber schon als Kind ein brennendes
Interesse für Zeichnen und Pferde. Mit 17 Jahren gestattet ihm sein Vater
ohne allzu großen Widerstand, die Künstlerlaufbahn zu wagen. Er tritt in
das Atelier von Carle Vernet ein. Man darf über diese Wahl nicht erstaunt
sein. Vernet verdankte seine Berühmtheit seinen Pferdebildern, die ganz
von einer kühlen Eleganz beherrscht werden und man kennt die Leidenschaft
des jungen Gericault für die edlen Tiere. Der junge Schüler sah schnell ein,
daß er bei einem so manierierten Lehrer nichts lernen würde, aber er machte
sich schnell das wenige, was er an Kenntnissen erwerben konnte, zu eigen.
In der Tat finden sich Erinnerungen an die Kunst des Carle Vernet hier und da
bei Gericault, der nachher in das Atelier des damals sehr angesehenen Guerin
überging und sich ohne allzu feste Bindung der Schule Davids anschloß. Das

Der Cicerone, XVII. Jahrg., Heft 3

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