ven, Teufeln und Kobolden, die seinen Zorn, seine Verachtung und sein Mit-
leid mit den Lastern der Zeitgenossen darstellen.
Der Tag, an dem Herr Vollard eine Ausstellung der Werke dieses Malers
veranstalten wird, den ein undurchdringliches Geheimnis umschließt, wird
uns ein schönes Fest bedeuten. Außerdem — eine Tatsache, die einem Kauf-
mann, der auch ein Spötter ist, nicht gleichgültig sein kann — wird er jedem
Besucher das Vergnügen verschaffen — nicht sich selbst wiederzuerkennen,
das wäre zuviel, aber seinen Nachbarn — in jenem unwürdigen Beamten, in
jenem gefühllosen Mediziner, jenem falschen Künstler, jener mondänen
Prostituierten. Rouault hat an alle gedacht in seinem leidenschaftlichen
Rachedurst, selbst an jenes Spießbürgerpaar, das sich „nichts vorzuwerfen
hat“, und das Leon Bloy, der Freund unseres Malers, die „trockne Kuh“ nennt.
Es gibt keine Verkehrtheit, die seinen Pinsel nicht gelockt hätte; er ist zu-
gleich unser Hogarth, ironisch und moralisierend, und unser Goya, der, je
nach der Stimmung, Grauen und Phantastik spielen läßt. Vor allem ist er
— und dieses Lob wird seine Bescheidenheit besonders unangebracht finden —
der einzige Nachfolger des großen Zeichners Daumier. In seinen Typen
weniger vielfältig, mit einem im Detail weniger scharfen Stift, jedoch in den
Gemälden mitunter geduldiger und verfeinerter, ohne an Kraft zu verlieren.
Als ein Schüler des Malers, der der Tradition äußerst treu war, verfügt
Rouault mehr als andere über die solide Museumstechnik. Während aber
andere sich damit zufrieden geben, die Tradition der Museen abgeschwächt
wiederzugeben, hatte er den Mut, unter Verzicht auf moralische und pekuniäre
Vorteile voller Geduld eine neue Technik zu suchen. Auf den letzten Bildern
des Meisters von Aix findet man diesen Zusammenklang von Blau und Orange
und diesen hundertfach wiederholten Strich, der an den Konturen kraftvoll
und energisch ausgedrückt wird, das Charakteristikum der Rouaultschen
Technik. Gerade jetzt, wo kleine, minderwertige Maler die Übersättigung des
Publikums benutzen und geschickt aus ihrer Armut, die sie klassische Tugend
nennen, Vorteile ziehen, ist es ein Trost, Georges Rouault, dem begnadeten
Maler und letzten Romantiker, zu huldigen.
Als eifriger Katholik (von einem unverdächtigen Katholizismus, da er aus
einer Zeit stammt, wo solche Gefühle niemandem ein besonderes Ansehen
gaben) hat Rouault nur einen Wunsch: Ein religiöser Maler zu werden.
Ich persönlich glaube nicht recht an eine Renaissance in diesem Sinne.
Sollte sie aber möglich sein, so ist Rouault zweifellos der auserwählte Künst-
ler. Seit Murillo ist diese Kunstgattung durch die Seichtheit von Saint-Sulpice
verdorben worden, und nicht einmal Ingres ist diesem Verhängnis entgangen.
Muß man annehmen, daß die allzu große geistige Klarheit der modernen
Maler für die Ergießungen des Glaubens unempfänglich macht? Man neigt zu
dieser Annahme vor den religiösen Denkmälern der Vergangenheit, wo das
Ornament an Kraft des Ausdrucks verliert, je mehr der Geschmack sich ab-
schleift. Diese primitiven Maler und Schöpfer von heiligen Bildwerken, die
voller Kunstfertigkeit ihre heiligen Figuren mit mißgestalteten, kindlichen und
ein wenig respektlosen Geschöpfen umgaben, besaßen eine innere Kindheit,
die plötzlich mit der klassischen Ära verschwand. Wir sehen also auf der einen
Seite die Kunst voller Ausdruck und Derbheit des zwölften und dreizehnten
Jahrhunderts, auf der anderen den Jesuitenstil, das Barock mit seiner logischen
Klarheit, wo die treuherzige Naivität und mit ihr die letzten Zeugnisse der
Gläubigkeit verschwinden.
Vielleicht werden die schönen und ergreifenden Bemühungen von Rouault
die ersehnten Früchte tragen. Soweit ich sie kenne, sagen sie mir zu, da ich
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leid mit den Lastern der Zeitgenossen darstellen.
Der Tag, an dem Herr Vollard eine Ausstellung der Werke dieses Malers
veranstalten wird, den ein undurchdringliches Geheimnis umschließt, wird
uns ein schönes Fest bedeuten. Außerdem — eine Tatsache, die einem Kauf-
mann, der auch ein Spötter ist, nicht gleichgültig sein kann — wird er jedem
Besucher das Vergnügen verschaffen — nicht sich selbst wiederzuerkennen,
das wäre zuviel, aber seinen Nachbarn — in jenem unwürdigen Beamten, in
jenem gefühllosen Mediziner, jenem falschen Künstler, jener mondänen
Prostituierten. Rouault hat an alle gedacht in seinem leidenschaftlichen
Rachedurst, selbst an jenes Spießbürgerpaar, das sich „nichts vorzuwerfen
hat“, und das Leon Bloy, der Freund unseres Malers, die „trockne Kuh“ nennt.
Es gibt keine Verkehrtheit, die seinen Pinsel nicht gelockt hätte; er ist zu-
gleich unser Hogarth, ironisch und moralisierend, und unser Goya, der, je
nach der Stimmung, Grauen und Phantastik spielen läßt. Vor allem ist er
— und dieses Lob wird seine Bescheidenheit besonders unangebracht finden —
der einzige Nachfolger des großen Zeichners Daumier. In seinen Typen
weniger vielfältig, mit einem im Detail weniger scharfen Stift, jedoch in den
Gemälden mitunter geduldiger und verfeinerter, ohne an Kraft zu verlieren.
Als ein Schüler des Malers, der der Tradition äußerst treu war, verfügt
Rouault mehr als andere über die solide Museumstechnik. Während aber
andere sich damit zufrieden geben, die Tradition der Museen abgeschwächt
wiederzugeben, hatte er den Mut, unter Verzicht auf moralische und pekuniäre
Vorteile voller Geduld eine neue Technik zu suchen. Auf den letzten Bildern
des Meisters von Aix findet man diesen Zusammenklang von Blau und Orange
und diesen hundertfach wiederholten Strich, der an den Konturen kraftvoll
und energisch ausgedrückt wird, das Charakteristikum der Rouaultschen
Technik. Gerade jetzt, wo kleine, minderwertige Maler die Übersättigung des
Publikums benutzen und geschickt aus ihrer Armut, die sie klassische Tugend
nennen, Vorteile ziehen, ist es ein Trost, Georges Rouault, dem begnadeten
Maler und letzten Romantiker, zu huldigen.
Als eifriger Katholik (von einem unverdächtigen Katholizismus, da er aus
einer Zeit stammt, wo solche Gefühle niemandem ein besonderes Ansehen
gaben) hat Rouault nur einen Wunsch: Ein religiöser Maler zu werden.
Ich persönlich glaube nicht recht an eine Renaissance in diesem Sinne.
Sollte sie aber möglich sein, so ist Rouault zweifellos der auserwählte Künst-
ler. Seit Murillo ist diese Kunstgattung durch die Seichtheit von Saint-Sulpice
verdorben worden, und nicht einmal Ingres ist diesem Verhängnis entgangen.
Muß man annehmen, daß die allzu große geistige Klarheit der modernen
Maler für die Ergießungen des Glaubens unempfänglich macht? Man neigt zu
dieser Annahme vor den religiösen Denkmälern der Vergangenheit, wo das
Ornament an Kraft des Ausdrucks verliert, je mehr der Geschmack sich ab-
schleift. Diese primitiven Maler und Schöpfer von heiligen Bildwerken, die
voller Kunstfertigkeit ihre heiligen Figuren mit mißgestalteten, kindlichen und
ein wenig respektlosen Geschöpfen umgaben, besaßen eine innere Kindheit,
die plötzlich mit der klassischen Ära verschwand. Wir sehen also auf der einen
Seite die Kunst voller Ausdruck und Derbheit des zwölften und dreizehnten
Jahrhunderts, auf der anderen den Jesuitenstil, das Barock mit seiner logischen
Klarheit, wo die treuherzige Naivität und mit ihr die letzten Zeugnisse der
Gläubigkeit verschwinden.
Vielleicht werden die schönen und ergreifenden Bemühungen von Rouault
die ersehnten Früchte tragen. Soweit ich sie kenne, sagen sie mir zu, da ich
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