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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 4
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Vondoerfer, P. E.: Eine Meißener Porzellanstatuette des Prager Jesukindleins
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0236

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Eine Meißener Porzellanstatuette des

Prager Jesukindleins

Von P. E VONDOERFER-Prag
Mit zwei Abbildungen auf einer Tafel

DASZ zu Darstellungen der Porzellanplastik der führenden Manufakturen des
18. Jahrhunderts vielfach größere, der Öffentlichkeit sichtbare und be-
kannte Werke von mehr oder minder künstlerischem Wert, oder zumindest
solche von lokaler Kuriosität als Vorbild dienten, ist leicht verständlich. Aber
nicht immer ist es, besonders innerhalb ausländischer Fachkreise, gelungen,
die solchen Kleinkunstwerken zugrunde liegenden Originale ausfindig zu
machen, die oft nur den lokal Informierten geläufig sind.
Dies ist auch bei der hier abgebildeten Statuette der Fall. Hat man einmal
festgestellt, daß es sich um eine Meißner Ausformung aus der ersten Hälfte
des 18. Jahrhunderts, also eine der Kändlerperiode entstammende handelt, so
erinnert man sich, wie ich häufig, namentlich in deutschen, protestantischen
Kreisen, konstatieren konnte, etwa an russische Heiligenbildchen u. dgl. m. Daß
aber auch diese, wie fast alle ähnlichen Darstellungen des bekleideten Sal-
vator mundi, meist wieder auf das Prager Original zurückführen, dürfte wenig
bekannt sein.
Das sogenannte „Prager Jesuskindlein“ ist ein Wachsfigürchen, das im
Jahre 1628 von einer Fürstin Lobkowitz aus Italien gebracht und von dieser
den Karmelitern in Prag geschenkt wurde, in deren Kirche Scta. Maria Vic-
toria es heute einen prächtigen Seitenaltar aus rotem und grauem Marmor
einnimmt, der 1776 errichtet wurde und dessen Herstellungskosten sich auf
60000 Gulden beliefen. Es wird nicht nur innerhalb der in- und ausländischen
katholischen Kreise als Gnadenbild verehrt, sondern es kennt wohl auch sonst
jeder, der Prag einmal besuchte. Der Fremde nimmt stets gerne ein kleines
darauf bezügliches Andenken mit, sei es in Form einer kleinen goldenen oder
silbernen Medaille mit der Inschrift „l’enfant Jesus de Prague“, sei es sonst
in Gestalt einer kleinen Nachbildung.
Nach den mir in liebenswürdigster Weise von Herrn Professor Erich Hösel,
Direktor der staatlichen Porzellanmanufaktur Meißen, brieflich übermittelten
Angaben, hat Kändler selbst das Modell im Formenbuch unter dem Mai 1743
vermerkt: „1 Christ Kindgen für den Herrn Grafen von Thun corrigiret und
in tüchtigen Stand gesetzet. Solches Kindgen stehet auf einem Postament an-
gekleidet, mit der Crone auf dem Haupte und in der linken Hand den Reichs-
apfel.“ Das sich in Meißen befindliche Modell, das die Formennummer 430
trägt, stimmt, wie mir Herr Prof. Hösel ebenfalls gütigst mitteilt, mit vorliegen-
dem Porzellanfigürchen überein1. Die Umstände, die zur Annahme berech-
tigen, daß bei Anfertigung des Modells das Prager Original als Vorbild diente,
seien im folgenden wiedergegeben.
Sehr interessant ist insbesondere das Vorhandensein des Ordens vom Golde-
nen Vlies auf vorliegender Porzellanstatuette und das Fehlen desselben auf
1 Prof. Hösel sagt noch unter anderem: „Wahrscheinlich wird die Figur in nicht allzu
vielen Ausformungen im XVIII. Jahrhundert hergestellt worden sein und ist bis igio,
in welchem Jahre ich sie zum ersten Male wieder ausformen ließ, überhaupt nicht her-
ausgebracht worden. Jedenfalls ist sie in den Formenbüchern, welche die Stücklöhne
für die Anfertigung in Porzellanmasse enthalten, seit 1798 nicht mehr mit angeführt. Aus
Ihrem Bilde ist recht gut zu erkennen, daß das in Ihrem Besitze befindliche Exemplar
und das 1910 in Meißen zum ersten Male nach so langer Pause angefertigte aus ein und
derselben Gipsform stammen.“

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