Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

DOI Heft:
Heft 5
DOI Artikel:
Basler, Adolphe: Pariser Ausstellungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0288

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Segonzac und Marquet, die meiner Meinung nach für die französische Malerei
des 20. Jahrhunderts repräsentativer sind als gerade Herbin, dessen naturalisti-
sche Proben nicht mehr Qualitäten aufweisen als seine kubistischen Klüge-
leien. Was für ein trauriges Ende ist dem Kubismus beschieden! Außer
Braque und Leger, die sich normal weiterentwickeln, verleugnen alle anderen
schamhaft den Kubismus, und die Galerie Leonce Rosenberg zeigt uns nur
noch brave akademische Arbeiten von Metzinger, Herbin und Survage, die
würdig wären, im Salon von Bouguereau zu figurieren.
Wir wollen noch die Ausstellungen von Grosz und Masereel in der Galerie
Billette und die schöne „Blumenausstellung“ erwähnen, die Mademoiselle
Weill in ihrer Galerie mit Werken von Derain, Bonnard, Picasso, Utrillo,
Braque, Suzanne Valadon, Pascin, Coubine, Vlaminck, Kars, Utter, Friesz,
Per Krogh u. a. organisiert hat, sowie die Ausstellung des Werkes von Pascin,
die in der neuen Galerie Pierre stattgefunden hat. Das Werk Pascins gefällt
sehr und sein großes Zeichentalent wird mit Recht von den Kennern gewürdigt,
denn ich kenne niemanden, der die menschliche Form mit mehr natürlichem
Geschick handhabt als Pascin. Der sehr geschmackvolle Farbauftrag seiner
Ölbilder verrät aber einen Zeichner und nicht einen Maler von großem Stil
und ich wage es, seinen mannigfaltig und oft meisterhaft modellierten Formen
vorzuwerfen, daß ihnen Größe fehlt. Pascin hat tatsächlich solche Angst, als
prätentiös zu erscheinen, daß er es vorzieht, als ein vollendeter Zeichner und
nicht als ein Maler mit Aspirationen zu gelten.
Die Provinz, die sich bis jetzt gegen den Impressionismus und alle Schulen,
die in der unabhängigen modernen Malerei aufgeblüht waren, gesträubt hat,
beginnt jetzt die impressionistischen Meister zu lieben und auch Matisse,
Derain, Braque, Bonnard und Skulpturen von Maillol und Despiau zu sammeln.
Das Museum von Grenoble besitzt z. B. schon Bilder von Matisse, Picasso,
Derain und Rouault und das von Leon hat eben einen Utrillo erworben. Es
besteht auch eine sehr lebhafte Handlung moderner Bilder in Lyon, die Galerie
Alfred Poyet. In Verbindung mit den großen Pariser Galerien und den besten
zeitgenössischen Kunstrichtern organisiert die Galerie Poyet von Zeit zu Zeit
sehr interessante Ausstellungen. Letzthin hat sie eine große Zahl von Bildern
von Bonnard, Braque, Derain, Utrillo, Dufresne, Pascin, Grommaire, Coubine,
Lotiron, Rouault u. a. ausgestellt, und Werke aller dieser Künstler wurden für
die bedeutendsten Privatsammlungen angekauft, die Lyon besitzt. Denn Lyon
hat auch seine Tradition in unabhängiger Malerei. Francois Vernay, Carrand,
Ravier zählen ja zu den besten französischen Malern des ig. Jahrhunderts, und
unter den Lebenden wird Merillon mit Recht für einen Künstler von großer
Zukunft gehalten.
Die junge Galerie Alfred Poyet interessiert uns besonders. Sie ist wahrhaft
jung und durch sie gerade lernen wir noch besser die Psychologie großer
Pariser Galerien verstehen, die in Trägheit und Dünkel versunken sind, und
deren Gedeihen auf einer Anhäufung von impressionistischen Bildern und
einigen zeitgenössischen Vorposten beruht. Wir können hinzufügen, daß der
zuletzt genannte Fall von Tollkühnheit sehr vereinzelt bleibt. Zwei und drei
bereits anerkannte Künstler, die nicht mehr jung sind, maskieren für die kühn-
sten unter ihnen das Aufschäumen der Kunst, die heute so voll von Hoff-
nungen und von unerreichter Mannigfaltigkeit ist. Weder Derain noch Utrillo
verdanken z. B. ihre hohe Bewertung den Händlern. Das Fehlen von groß-
zügigen Händlern hat in Paris wie in der Provinz zahlreiche kleine Galerien
aufkommen lassen, die sich den Jungen widmen: Die Bilder der besten
lebenden Künstler, ausgenommen von Bonnard und Matisse, finden sich in
den kleinen Galerien.

264
 
Annotationen