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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 5
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0291

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Ausstellungen

ohne Zusammenhang damit zu sein. Man
vergißt beim Besuch der Galerie, daß diese
Arbeiten seit Jahren im Brennpunkt des
kunstpolitischen Interesses stehen und daß
sich bisher vorwiegend die Kunsttheoreti-
ker mit den Werken beschäftigten. Heute
mißt keiner von denen, die sich ernsthaft
mit Kunst befassen, diese Werke an ver-
brauchten Maßstäben oder läßt sich durch
das Fehlen des sogenannten Stofflichen
oder die Tatsache einer neuen Gestaltungs-
form davon abhalten, das Wesentliche zu
sehen, das zu allen Zeiten ein Produkt des
Persönlichen, Zeitlichen und des Künst-
lerischen an sich war. Man genießt die
außergewöhnliche Verfeinerung der male-
rischen Kultur, sofern man nicht durch sie
hindurch einen der wichtigsten Beiträge
zur Erkenntnis unsrer Zeit wahrnimmt.
Vor L. Feiningers in Farbe und Linie
sensiblen Aquarellen hat man fast ein kör-
perliches Gefühl ästhetischer Befriedigung,
ihr eigentliches Wesen liegt aber in einer
Umspielung der Wirklichkeitsbasis durch
Darstellungskurven, die höher und tiefer
gehen, als unsere Phantasie beim ersten
Ansehen begreift. G. Mareks zeigt Holz-
schnitte meist vertikalen Aufbaus, karg in
der Geste, aber feinnervig im Schnitt.
Much es Gemälde verbinden die Locker-
heit des späten Kubismus mit dem Reiz
reich zusammenklingender Farben (Still-
leben mit Apfel). Schlemmers Arbeiten
tendieren nach dem Wandbild auf der
einen, nach dem mechanischen Ballett auf
der andern Seite. Auf beiden Gebieten hat
er in Weimar hervorragende Versuche ge-
macht. Schlemmers Einsicht in den mensch-
lichen Mechanismus und seine Verwert-
barkeit zu einem Kräftespiel im Raum und
in der Fläche ermöglicht ihm nach bei-
den Seiten hin ein synthetisches Kunst-
werk. Moholy-Nagys Bilder ähneln
Materialkonstruktionen, zu denen Men-
schen des praktischen Lebens zunächst ra-
scher eine Beziehung finden als Kunst-
kenner. Wie sich bei ihm klar meßbare
Flächen und Körper durchdringen, das er-
gibt einen Sonderfall, der seine Erfüllung
in einer kollektiven Arbeit, im Bau finden
dürfte. Von Klee sind Gemälde und
Aquarelle da, die erneut seine Art zeigen,
Gegenständliches und Ungegenständliches
nebeneinander als Noten zu benutzen, zwi-
schen denen sich der eigentliche, äußerst
differenzierte Vorgang abspielt. Nichts ist
bei ihm wirklich, solange es in der Ver-
einzelung betrachtet wird, aber alles ist voll
greifbaren Lebens, wenn man die Pendel,
die Häuser, die Zahlen der „Schicksals-
stunde“, die Figuren des assyrischen Brett-

spiels als Noten begreift, zwischen denen
Schicksal oder Spiel liegt. Kandinskys
neue Arbeiten verleiten infolge ihrer rein
abstrakten Darstellungsart weniger zu Miß-
verständnissen, dafür zu rascherem Sehen.
Gerade in den letzten Aquarellen und Ge-
mälden aber, die sich romantischem Geiste
nähern, steckt unendlich viel Empfindung
und Mitteilungsdrang, sodaß nur eine in-
tensive Versenkung in die Abgestuftheiten
seiner Farben- und Formendurchdringung
sich der Mitte ihres Lebens nähern kann.
In der „Fides“ hängen neue Gemälde
und Aquarelle von E. Nolde. Ein Bildnis
wie „Thora“ zeigt Nolde als spezifisch nor-
dischen Psychologen, das „Junge Paar“
hat die Vehemenz seiner Aquarelle, in de-
nen Nolde unerschöpflicher ist als auf je-
dem anderen Gebiete. Neben momentanen
Pinselaufzeichnungen nach Blumen, Vö-
geln und Fischen sind Landschaften aus
Italien und Spanien da, aber nicht einmal
die über den Lagunen Venedigs unter-
gehende Sonne kann seiner Palette einen
Nicht-Noldeschen Zug verleihen. Wie an-
dere mit dem Bleistift in der Hand medi-
tieren, so Nolde mit Wasserfarben. Die
Aquarelle scheinen bei ihm die vorläufige
Aufzeichnung mit dem Stift zu ersetzen
und nähern sich trotzdem fast immer dem
fertigen Bild.
Bei E.Richter waren eine Anzahl Aqua-
relle E. Heckels von der Nordsee und
aus dem Allgäu zu sehen; Blätter mit al-
len Eigenheiten des Heckel der letzten
Jahre, ohne Wesenszüge, die einen neuen
Antrieb verrieten. Von einer jungen Male-
rin Münchener Herkunft, Steffi Kohl,
Zeichnungen, die eine Menge persönli-
cher Schriftzüge aufweisen. Die anspruchs-
losen Blättchen sind im guten Sinne frauen-
haft, spontan und der jeweiligen Empfin-
dung nachgebend; zuweilen einem Veris-
mus zuneigend, der mit der fest umrei-
ßenden Linie arbeitet, dann wieder einem
porösen Gewebe von Licht und Schatten
sich nähernd, das lyrisch betont ist. Zur
Zeit hat Ernst Stern Theaterimpressionen
ausgestellt, die mehr in das Kapitel der an-
gewandten Kunst gehören. Durch Theater-
publikationen ist das meiste von ihnen be-
reits bekannt.
Adrian Lubbers’ Italienische Land-
schaften (bei Kühl und Kühn) repräsen-
tieren einen Kubismus, der vorläufig nur in
der Konstruktion der reinen Landschaft
aufgeht. Das scheint zu beweisen, daß er
weniger von sich als von der bereits be-
stehenden Theorie aus zur Besonderung
der Form gekommen ist. Figürliches bleibt
noch ganz außerhalb. Eine gewisse Trok-

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