Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

DOI Heft:
Heft 10
DOI Artikel:
Rohde, Alfred: Der Elfenbeinschnitzer Joachim Henne, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0514

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
zösische Vorbilder an. Wer dargestellt ist, ließ sich nicht feststellen, eine
Tinteninschrift „J. N. Bartels“ auf der Rückseite stammt aus der ersten Hälfte
des ig. Jahrhunderts und bezieht sich auf einen früheren Besitzer, den wir in
dem Gesanglehrer Dr. Johann Nikolaus Bartels um so eher vermuten dürfen,
als das Museum das Stück von einem C. M. H. Bartels in Hamburg erwarb.
Als weiteres Stück besitzt das gleiche Museum eine „J. H. F. 1665“ signierte
Elfenbeinmedaille (Abb. 5/6) und eine dazu gehörigeHohlgußmedaille(Abb.7/8).
Diese Hohlgußmedaille, die einzige Hamburgische (?) Hohlgußmedaille, die
nachzuweisen ist, trägt das Datum 1661, 14. März. Beide, das Elfenbein und
die Medaille, sind zweiseitig und zeigen auf der einen Seite das Bildnis des
Bürgermeisters Bartnold Moller, auf der anderen Seite eine Wiedergabe der
Michaeliskirche. In der Literatur1 wird die Medaille gewöhnlich 1661 datiert.
Doch ist dieses Datum, das sich lediglich auf die Einweihung der Kirche be-.
zieht, schon deshalb falsch, weil der Turm in dieser Zeit noch gar nicht vor-
handen war. Erst 1663 beginnt die Bautätigkeit am Turm, und 1665 war dieser
bis zum Beginn der Helmspitze hochgeführt; der Turm wurde damals mit
einem Notdach versehen und erst nach neuerlichen Geldsammlungen zur Voll-
endung des Turmes 1668 fertiggestellt. Die Medaille kann also nicht vor 1665
gegossen sein, das rückt sie in die Nähe der Elfenbeinmedaille, und man wird
diese ohne Bedenken als Modell für die Hohlgußmedaille ansprechen dürfen.
Die Signatur J. H. wird sich daher auch nicht auf den Medailleur (Scherer
S. 105) beziehen, zumal die Signatur auf der Medaille fortgelassen ist, sondern
nur auf den Elfenbeinschnitzer des Modells.
Die Lösung der Signatur J. H. und damit die Zuteilung der Elfenbeinmedaille
an Joachim Henne wird bestätigt durch ein ovales, aus zwei Platten bestehen-
des „Joachim Henne 1665“ bezeichnetes Relief, das sich in Hamburgischem
Privatbesitz fand.
Wieder stellt es (Abb.g/10) den Bürgermeister Barthold Moller dar, in großer
fast bis zu den Knien reichender Figur, neben einem Tisch stehend, die linke
Hand auf ein Buch legend, während die rechte Hand vor der Brust ruht; er
steht im Amtsornat ohne Hut, das von langem, wallenden Haar umrahmte
Gesicht in Dreiviertelprofil, vor einem großen architektonischen Aufbau mit
symbolischen Figuren in Nischen und einer Vorhangdraperie an der linken
Seite (vgl. die Berliner Reliefs). Die Architektur, die weder mit der Innen-
gestaltung des alten Rathauses2 noch mit der der alten Michaeliskirche über-
einstimmt, scheint einen Phantasieaufbau darzustellen, dessen symbolische Fi-
guren in Beziehung zu der Tätigkeit des Dargestellten stehen: Gerechtigkeit,
Friede3 und Wohltätigkeit. Etwas im Gegensatz zu dieser mehr akademischen
Behandlung des Hintergrundes steht die Porträtauffassung, die in realistischer
Treue wie die Berliner Bildnisse nicht vor einer gewissen Häßlichkeit des
Gesichtsausdrucks zurückschreckt.
Es ist hier am Platze, einige Lebensdaten1 über den Dargestellten einzu-,
1 Gaedechens, Hamburgische Münzen und Medaillen, Bd. III, 1876. S. 93, Kirsten,
Porträtmedaillen Hamburgischer Bürgermeister und Ratsherren. Hamburg igi6. Gott-
schewski, Hamburgische Denkmünzen des 17. Jahrhunderts und die Zeitgeschichte, Flug-
blatt 16 des Hamburgischen Museums für Kunst und Gewerbe. Langermann, Hamburgi-
sches Münz- und Medaillen-Vergnügen. Hamburg 1753. S. 34 und S. 232.
2 Freundliche Mitteilung von Herrn Dr. Reineke, Hamburger Staatsarchiv.
3 Am Sockel dieser Figur die Signatur J. Hen., ausführliche Signatur auf der zweiten
Platte siehe unten.
i Gottschewski, a. a. O. Langermann a. a. O. S. 36. Happel, Relationes Curiosae Bd. I,
Hamburg 1707. S. 201. Georg Nicolai, Unsterblicher Nachruhm. Hamburg 1667.

490
 
Annotationen