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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 16
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Curjel, Hans: Hundert Jahre rheinischer Malerei: zur Düsseldorfer Ausstellung 1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0807

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tiker ausgegangen. Die Ausstellung gibt eine gute Vorstellung von seiner Früh-
kunst, in der man starke Zusammenhänge mit C. D. Friedrich empfindet. Unter
der größeren Anzahl von Eifellandschaften steht die tiefe Abendlandschaft der
Karlsruher Kunsthalle als Werk von äußerster farbiger Geschlossenheit und
stärkster Intensität obenan. Man wird dieses Bild zu den Meisterwerken der
deutschen Malerei überhaupt zählen dürfen. Nach dieser sehr innerlichen und
zugleich mit größter Disziplin gestalteten Arbeit ist die spätere Entwicklung
auch des Landschafters Lessing um so unbegreiflicher. Die Farbe verliert mehr
und mehr ihre frühere Intensität, die Atmosphäre der Landschaft, die auf den
Frühbildern allein durch starke Einfühlung in die Naturgebilde gestaltet ist, be-
darf bei den späteren verdächtiger Krücken stimmungstragender Staffage oder
aufdringlichen atmosphärischen Theaters. Die frühere Tonstärke verwandelt
sich in graulichen Dunst, das Erlebnis der Natur, das aus den Frühwerken spricht,
scheint völlig zu verschwinden.
Umgekehrt verläuft die Entwicklung Schirmers. Er beginnt in engem, in
der Bildgestaltung fast zaghaftem Anschluß an die holländische Landschaftsmalerei
des 17. Jahrhunderts. Keines seiner Frühwerke besitzt die künstlerische Eigen-
kraft etwa der Lessingschen Eifellandschaft. Dann aber wird er immer freier.
Die Ausstellung zeigt eine große Anzahl von Naturstudien aus der mittleren
Schaffensperiode, an denen man erkennen kann, wie Schirmers Verhältnis zur
Natur sich ständig gesteigert hat. Auf seinen Reisen nach der Normandie, Süd-
deutschland und Italien hat sich seine Gestaltungskraft weiter bereichert. Be-
sonders die Reise nach Frankreich, auf der er Delacroix aufsuchte, hat seine
Bildsprache gelockert. Manches erinnert mit überraschenden Parallelen an Corot.
Erst im Alter, nach seiner Übersiedlung nach Karlsruhe hat er vielleicht unter
dem Einfluß Lessings durch sein Streben nach Pathos die Unmittelbarkeit der
Gestaltung verloren. Rheinlandschaften hat der in Jülich geborene Rheinländer
Schirmer nicht gemalt. Ein merkwürdiger Zug, der sich — Scheuren(i8io
bis 1887) ausgenommen, dessen behaglicher Naturalismus an vielen Beispielen in
der Ausstellung sehr schön hervortrit — bei den meisten, von Schirmer aus-
gehenden rheinischen Landschaftern wiederholt.
Diese ganze von Schirmer ausgehende Landschaftsmalerei der Achenbachs und
ihrer Nachfolger stellt die Ausstellung in aller Breite dar, ohne daß grundsätzlich neue
Erkenntnisse sich ergeben können. Man sieht die Entwicklung von der farbigen
Gebundenheit des disziplinierten Andreas zu der peinture des Oswald Achenbach,
zugleich die Entwicklung von der sachlichen Stimmungslandschaft zu der ge-
schickten aber aufdringlichen späten Genrelandschaft Oswalds, die durch alle
Malkultur nicht wahrhaftiger werden kann. So sehr die großformatigen Bilder
Oswalds seine Schwächen zeigen, so sehr vermitteln die vielen beigebrachten
Studien eine Vorstellung von seiner ursprünglichen malerischen beweglichen Ver-
anlagung, die mit einer zuweilen fast unglaublichen Geschicklichkeit kurze Stim-
mungen zu fassen vermag. Man tut einen Blick in die Möglichkeiten und in die
— Tragik des 19. Jahrhunderts!
Sehr wertvoll ist es, daß die Ausstellung einen reichen Überblick über die
anderen rheinischen Vertreter der peinture vermittelt. Auch von ihnen geht
eine Anzahl von Schirmer aus. Der Einfluß der französischen Freilichtmalerei wird
dann nach Schirmer ausschlaggebend. Burnier (1826—1884) ist der Hauptvertreter
dieser „feuchten“ Naturmalerei, die sehr stark auf Troyon beruht. Der Frühvollendete
Ludwig Hugo Becker (1833—1868), der durch eine Reihe ganz ausgezeich-
neter Landschaften vertreten ist, zeigt Ansätze, die an den frühen Thoma er-
innern, Werke von Seibels, Körner, Oeder, Bochmann, de Peerdt zeigen,
daß neben den Achenbachs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Düssel-

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