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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 20
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Grohmann, Will: Das Städtische Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Halle
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1005

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Das Städtische Museum für Kunst
und Kunstgewerbe in Halle
Mit zwölf Abbildungen auf sieben Tafeln Von WILL GROHMANN
DURCH die Erwerbung eines wesentlichen Teiles der Sammlung Fischer
(Frankfurt a. M.) im Frühjahr 1925 ist das Hallenser Museum mit einem
Schlage in die vorderste Reihe der Galerien eingerückt, denen Kunst der Gegen-
wart Auseinandersetzung mit der Zeit und Selbstprüfung bedeutet. Es ist
durchaus verständlich, wenn heute in Industriestädten ohne Tradition oder in
abseits liegenden ehemaligen Kulturzentren der Wille, Keimzellen eines bewuß-
ten forms'chaffenden Lebens zu bilden, zielsicherer sich anspannt als anderswo.
Das Bauhaus wurde in Weimar gegründet und in Dessau fortgeführt, Bahn-
brechendes — Versuche auf dem Theater in Münster begonnen, vorbildliche
Museumsarbeit in kleineren Städten des Westens geleistet; in Jena weckte
B. Gräf das Gefühl für die neuen Werte zu einer Zeit, wo die verantwortlichen
Führer der großen Museen gerade erst ihr Versagen der vorhergehenden Gene-
ration gegenüber begriffen. Das Schicksal der Kunst lag in den Händen pri-
vater Sammler, und ein Sturm der Ablehnung erhob sich, als Sauerland ign
das Noldesche Abendmahl für das Museum in Halle erwarb. Seitdem hat sich
gewiß manches geändert, aber nur an wenigen Stellen hängt heute noch die
Kunst der Gegenwart so, daß man den Eindruck bekommt, es handle sich um
mehr als eine freundliche Verbeugung gegenüber den Lebenden. Es mag
für traditionsbelastete Galerien gewiß nicht leicht sein, vor sich und den
bildungsbeflissenen Besuchern den Sinn dieses Stückes Geschichte zu be-
weisen; denn schon das 19. Jahrhundert war nachträglich für die Museen zum
Ereignis geworden und hatte in oft recht seltsamen Ausschnitten Heimat-
recht erworben. Und die Verwirrung war bereits durch das übermäßige Be-
tonen der lokalen Schulen statt Herausarbeiten der beiden Hauptrichtungen
der europäischen Malerei eingetreten. Man hatte wohl auf eine Bestätigung
der Ablehnung statt auf eine konsequente Weiterführung der romantischen
Linie gehofft. Nun sie kam, füllte man die sichtbarsten Lücken aus und be-
ruhigte die unbequemsten Mahner.
Jedes Museum hat seine Zeit. Halle hatte wohl lange keine Möglichkeit,
den freien Künsten ein Haus zu schaffen; dafür hat es sein Kunstgewerbe-
museum vorbildlich ausgebaut, im Sinne eines Kunst- und Kulturmuseums,
wie es dem alten Brinckmann schon in den neunziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts vorschwebte. Denn die Grenzen einer technologischen und
ästhetischen Lehrmittelsammlung beschränkten den erzieherischen Wert all-
zusehr auf die berufsmäßig beteiligten Schichten des Volks. Halle hat neuer-
dings dieser Entwicklung durch Gründung einer ausgezeichneten Kunst-
gewerbeschule mit Werkstättenbetrieb unter Thiersch nachgeholfen und
augenscheinlich begriffen, wie man heute die Kräfte und Zielstrebigkeiten
einer Stadt zu sammeln hat, statt aus Prestigegründen der staunenden Mit-
welt ein Vielerlei sogenannter Kulturveranstaltungen zu zeigen. Trotz ener-
gischer Bemühungen von Seiten einzelner einsichtiger Museums- und Kunst-
schulleiter und der entsprechenden Dezernenten in der Verwaltung sind wir
über die Periode der Repräsentation noch längst nicht hinaus. Sie ist kost-
spielig und unter den heutigen künstlerischen und wirtschaftlichen Verhält-
nissen unehrlich. Museen und Kunstschulen einer Stadt könnten als die

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