Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

DOI Heft:
Heft 20
DOI Artikel:
Schulz-Albrecht, August Julius: Der Bildhauer Joseph Thorak
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1018

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
des unwesentlich Schönen entreißt. Die Anfänge stehen vielmehr im Zeichen
eines Handwerks, das heute und im Höchstfall eine nach bewußten künstle-
rischen Gesichtspunkten ausgeübte kunstgewerbliche Betätigung geblieben
ist: der Töpferei. Der Vater des Künstlers war Töpfermeister in Salzburg; der
dort am 7. Februar 1890 geborene Sohn erlernte ebenfalls dieses traditions-
reiche Handwerk, in dem er in alten, durch Generationen hindurch geübten
Bräuchen unterwiesen wurde. An die Lehrzeit schloß sich eine regelrechte
Wanderburschenzeit an, die durch Ungarn und Serbien bis in den Orient
führte. Damals schon wurden die ersten bildhauerischen Versuche unter-
nommen, doch blieb die Töpfertätigkeit vorherrschend, wie sie umgekehrt
auch heute noch und bis in die jüngste Gegenwart vom Künstler zu kunst-
gewerblichen Töpferarbeiten ausgewertet wird. Von 1910—1914 besuchte er
die Akademie in Wien, die folgenden Aufenthalte nach dem Kriege sind
München und schließlich Berlin, wo er seine Tätigkeit abwechselnd zwischen
einem Atelier in der Stadt und einem Landhaus in Saarow am Scharmützel-
see ausübt.
Das Wesen der Plastiken von Thorak beruht auf seltsamen, nicht auf den
ersten Blick erkennbaren Gegensätzen. Unbedingte Voraussetzung für diesen
Schöpfer ist die Beschränkung auf den menschlichen Körper, der in seiner
statischen und struktiven Durchbildung fähig ist, die Reife beharrender und
in das Material gebändigter innerer Triebkräfte als künstlerisches Erlebnis
darzustellen. Die Gegensätze dagegen bewegen sich in dem Widerspiel von
Animalität und stark ausgebildetem Intellekt zur restlosen, rein formalen Er-
kenntnis, von Beherrschtheit und nervöser Vibration, von Instinkt für Ak-
zentuierungen und eingeborenem Sinn für nur in der weitestgehenden Abstrak-
tion liegende Wesenhaftigkeit einer dreidimensionalen Gestalt. Aus diesen
Divergenzen entwickelt sich sein plastisches Werk, meist schnell und hastig
ausgeformt und dem Wägen nur die Rolle der Detaillierung, der Sondierung
der Oberfläche überlassen.
Zweierlei Erscheinungen ergeben sich aus solchem Erfassen, Komponieren
und Ausarbeiten. Zuerst dürfen bestimmte Gefahrelemente nicht übersehen
werden. Eine erste, für die Fortentwicklung Thoraks nicht unwichtige Beob-
achtung ist jene Tatsache, daß, wenn einmal die überzeugende Bindung der
genannten Gegensatzpaare nicht gelingt, er sich aus einem eigenartigem
inneren Widerstreit auf die Seite des Könnerischen, des mit technischer
Sicherheit zur sachlichen Vollendung Durchzuführenden schlägt. Verleugnet
oder beiseite geschoben wird dabei das im formenden Naturell mitschwin-
gende Timbre; als Produkt entsteht eine Plastik, die, wie in mancher Be-
ziehung die „Schwebende“ als Kunstwerk an sich und nach den Grund-
sätzen der formalen Ästhetik analysiert, den Stempel absoluter Vollendung
tragen könnte. Wie aber oft der Betrachter, um den Formenzusammenhang,
den Rhythmus, den Ausdruckswert oder die besondere Delikatesse vollends
auszukosten, gerade bei plastischen Werken eine Identifikation mit dem
arbeitenden Schöpfer vorzunehmen pflegt, so wird er hier den Weg der
direkten Brücke vermissen, und auf dem Umweg des weniger an die Persön-
lichkeit geknüpften Erkennens wird er sich wohl der Vollendung des Sach-
lichen nicht verschließen können, niemals aber das tiefer dringende und
solcherweise auch seelische, weil restlos empfundene Hervortreten eines
gleichwie gearteten Charakters bejahen. Ein anderes Moment, das an der
„Schwebenden“ auffällt, ist das Darstellen einer äußerlichen Verbindung von
organischem Körper und lebloser Materie. Hier in der schon in der Behandlung
des Materials sich kundgebenden inneren Gegensätzlichkeit kann die ins Litera-

986
 
Annotationen