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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 21
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Waldschmidt, Ernst: Die uigurisch-chinesische Epoche in der Kunst der Oase von Turfan
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1074

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Lotusblumen und päonienartige Phantasieblumen mit phantastischen Blättern und
Knospen.“ Taf. 7, b führt uns ein Stück dieser Teichlandschaft vor. Der mächtige
Kopf eines Einhorns und ein goldbrauner, das Wasser mit gestreckten Läufen durch-
stürmender geflügelter Wasserhirsch bilden den lebendigen Schmuck der blumen-
bestreuten Wogen. Das in weiten Schwingungen über den ganzen Leib hin nach
hinten ausstrahlende Geweih, die fabelhafte Expression des Drachenkopfes und
die delikate Wirkung der gelb, rotbraun, grün und schwarzen Farben machen
das Stück zu einem der eindrucksvollsten der Sammlung.
Taf. 3, b zeigt einen weiteren Fußboden dieser Art. Das Wasser der hier
ebenfalls als Teich zu denkenden Darstellung ist rotbraun und wird von spielen-
den Kindern, abwechslungsreich wiedergegebenen Enten, flammenden Juwelen,
Glocken, Muscheltrompeten, Zymbeln, Blumen und Kostbarkeiten belebt. Aus dem
Teich erhob sich, an der Mitte der Rückwand, der Sockel für das Kultbild. In-
mitten der Wasserfläche ist ein Tisch aufgemalt: eine von einer Rankenborte
eingefaßte Fläche, in deren Ecken das Hakenkreuz, das alte weitverbreitete
Glückszeichen, angebracht ist. Auf dem Tisch liegen Sakralgeräte, ein kleineres
und ein größeres Räuchergefäß und drei Paar Zymbeln.
Taf. 7, a gibt die Bruchstücke eines interessanten Temperagemäldes vom Stupa-
sockel des Tempels 19 zu Bäzäklik bei Murtuq. Aus einem von stilisierten Bergen
eingefaßten See taucht mit Kopf und Vorderleib ein zweihörniger leichtgeflügelter
Drache chinesischen Typs auf, der mit aufgerissenem Rachen, um den Hals wehen-
der weißlicher Mähne, züngelnd und zornigen Blicks seine mit Krallen versehenen
notwendig ist, gegeben zu
haben. Leider konnten wir
die Kleinfunde an Tempel-
fahnen, bemalten Stoffen,
Geweben u. dgl. nicht in
den Kreis unserer Unter-
suchungen einbeziehen.
Wir möchten aber nicht
verfehlen, wenigstens die
Aufmerksamkeit auf die
z. T. künstlerisch bedeu-
tenden Reste dieser Art
zu lenken. Die Taf. 8
gibt einige Fragmente
von Seidenmalereien, de-
nen große Zartheit der
Empfindung zugebilligt
werden muß. Taf. 8, azeigt
die Reste einer Darstel-
lung des elfköpfigen Ava-
lokiteschvara, Taf. 8, b u. c
die zweier weiterer Bo-
dhisattvas, von denen der
eine schärfere männliche,
der andere ausgesprochen
weibliche Züge aufweist.
Die Ruhe und Verinner-
lichung der raffinierten
Komposition ist von star-
ker Wirkung.

Vorderfüße emporreckt.
Das Wasser des Sees
wird eingerahmt von spitz
aufragenden, stilisierten
Bergen, in deren Tälern
verschiedenartige Bäume
stehen. Im Vordergründe
bemerkt man in einem
Tale den Kopf einer Ga-
zelle. Die Verwandtschaft
dieser Berglandschaft mit
den noch weit stärker
stilisierten, welche wir
aus den Gewölbedarstel-
lungen der Hippokampen-
hönle zu Qyzil kennen-
gelernt haben, fällt in die
Augen, während anderer-
seits auch die Entwick-
lung in Richtung der ty-
pisch-chinesischen Land-
schaftsdarstellung deut-
lich ist.
Mit unseren bisherigen
Betrachtungen hoffen wir
das Wesentlichste, was
zur Ermöglichung einer
ersten Bekanntschaft mit
den Kunstschätzen des
Oasengebietes von Turfan

Textabb. 8
Brahmane (nach v. Le Coq)


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