Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1916)
DOI Artikel:
Vom Heute fürs Morgen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0202

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zeit. Man suche dieses sich zu ver-
gegenwärtigen.

Man bedenke, daß der Orien-
tale eine stillfröhliche Kinderseele
hat. tzarmloser Frohsinn, so er von
innen heraus kommt und nicht zu
laut wird, ist ihm Entzücken. Er
zeigt sich dem Bringer solchen Froh-
sinns von seiner schönsten Seite. Das
kindliche Märchenempfinden im
Deutschen ist dem Orientalen nahe
verwandt; hier könnten sich unsere
Seelen immer treffen und tun es
so oft nicht. Warum? Man ist
entweder zu laut oder man geniert
sich und verstummt; beides ist falsch.

Man trage eine sichere und tiefe
Vaterlandsliebe zur Schau, so man
sie besitzt; hat man sie — trauriger--
weise — nicht, so berühre man diese
Frage nie, denn der Türke hält Hin-
gabe an das Vaterland für den
Kern alles männlichen Empfindens
und schätzt vieles danach ein.

Man bedenke, daß das National-
gefühl des Türken jetzt besonders
gehoben ist; nach langer Unter-
drückung besinnt er sich auf seine
frühere Größe. Darum halte man
ihm die Hilfe Deutschlands nicht vor,
sondern preise eher seine eigenen
Leistungen, die es ja auch verdienen.
Erwähnt man unsere tatkräftige Hilfe
gar nicht, so wird uneingestanden
ihr Vorhandensein desto stärker emp-
funden werden. Kurz: man schone
den neuerwachten Stolz und das
gesteigerte Selbstbewußtsein; verletzt
man diese Gefühle, so verschließt
man sich nur Pforten, die sich beim
Eingehen auf dieselben leicht öff-
nen würden.

Die Summe alles Gesagten ist
für Orientfahrer die: Ihr seid Ler-
nende! So Ihr als Lernende hin-
geht, ais Lernende um Euch schaut
nnd lebt, so muß Euch das Wissen
von der Art des Volkes, in dessen
Mitte Ihr weilt, wie eine reife
Frucht in den Schoß fallen. Der
Lernende aber muß Geduld haben,

stilles Beobachten und liebevolles
Eingehen.

Else Marquardsen

Tiefer hängen!

^st das Folgende, das wir in einer
Omitteldeutschen Zeitung finden,
widerwärtig oder nicht? „Wie wir
von gut informierter Seite hören,
äußerte sich der Reichskanzler jüngst
dahin, daß ihm bei der Fülle auf-
reibender Arbeit, die mit der Füh-
rung der Staatsgeschäfte verbunden
sei, keine Muße bleibe zur Voll-
endung seines Lebenswerkes, einer
großen Arbeit über den Philosophen
Moses Mendelssohn. Aus dieser
Bemerkung, die keineswegs in ver-
trautem Zirkel gefallen sei, will man
nun schließen, daß Herr von Beth-
mann gesonnen sei, sich demnächst
von den Amtsgeschäften gänzlich zu-
rückzuziehen. Iedenfalls werde die
Nnterzeichnung des Friedensvertra-
ges eine der letzten seiner Amts-
handlungen sein."

Das soll also eine Satire sein.

Ein andres Blatt soll neulich an-
geblich ein Charakterbild Salandras
gebracht haben, in Wirklichkeit eine
Karikatur Bethmanns, gezeichnet
von seinem, des Blattes, Stand-
punkte aus. Man hört das hähähä
des verstehenden Philisters mit.

In den Tagen, da der erste Welt-
krieg der Menschheitsgeschichte mit
den gewaltigsten aller Schlachten
eben entschieden wird, in dem Volke,
das nach allen Seiten gegen die
halbe Erde kämpft, zur Entwertung
des Mannes, der an der Spitze sei-
ner Politik steht! ^nij A

„Die Ostseeprovinzen Est-,
Liv-, Kurland"

/Line gute Folge des Krieges ist
^auch, daß man im Deutschen
Reiche endlich anfängt, sich ernst-
haft mit den „Auslandsdeutschen"
zu beschäftigen. Man begreist, daß
man ihnen gegenüber Verpflich-

t67
 
Annotationen