Münchener Neue Secesston, Glaspalast ig26
MAX UNOLD—MÜNCHEN
GEMÄLDE »BAUERN«
sie die Sendung des Schaffens erfüllt haben.
Van Gogh und Münch stehen hier nebeneinan-
der wie Sendlinge zweier verschiedener Ele-
mentargeister, die voll Übermut in die Kunst
eingebrochen sind, um ihr herrliches Leben in
ihr auszuschäumen. Van Gogh kommt aus dem
Geist des Feuers und der Südsonne, Münch aus
dem Geist des Wassers und des Nordmeeres.
Bei Van Gogh ist die Hitze und das Brennen,
bei Münch die Kühle und das dämonische Wogen.
Von den frühen, pointillistischen (nun zu wun-
derbarer Vornehmheit zusammengewachsenen)
Schilderungen des Sonnenlichtes wird Van Gogh
weitergetrieben zu jenen späteren Landschaften,
in denen die Linien flackern und Bäume wie
brennende Fackeln stehen. Manchmal stürzt
das heiße Licht so heftig über die Dinge her,
daß es die Gestalt in einem fiebrigen Flimmern
verlöscht. Manchmal holt es die Farben und
Formen zu grellem Aufleben heraus und gibt
ihnen eine harte Bestimmtheit. Selten ist das
Licht bei ihm freudig und menschenfreundlich;
fast immer erscheint es als das übermächtige
Element, unter dem die Geschöpfe stöhnen und
sich ducken. Der Schrecken der Sonne ist
es, den Van Gogh wieder und wieder gemalt
hat. Wie ein salamandrisches Wesen hockt er
in dem Selbstbildnis von St. Remy unter dem
breitrandigen Strohhut, von Flammen umflackert,
und nicht zufällig gehen die Gedanken eines
Deutschen von diesen Bildern zu Hölderlin hin-
über, der in eben diesen Gegenden des süd-
lichen Frankreich „das gewaltige Element, das
Feuer vom Himmel" und „die traurige, einsame
Erde" gesehen hat und von dort das Gefühl nach-
hausebrachte, daß ihn „Apollo geschlagen" habe.
Von gleicher, elementarer Dämonie, doch
anderer, nordischer Herkunft ist das Werk
Edward Münchs. Erscheinen die Dinge bei Van
Gogh trocken und bis auf die Holzfaser ent-
saftet, so sind sie bei Münch vom Element der
Fruchtbarkeit und Sinnlichkeit wie Schwämme
vollgesogen. Er hat die hamsunische Freude am
Geschöpf, nur steht das Lebendige vor einem
gefährlicheren Hintergrund als bei dem Dichter.
Die Gestalten des Daseins scheinen bei ihm
oft über einer grundlosen, dunklen Tiefe zu
schweben. Man sieht Figuren bei ihm, die ge-
spenstisch in die Hintergründe hineinschmelzen,
eine stumme Drohung ist oft um sie gelagert.
MAX UNOLD—MÜNCHEN
GEMÄLDE »BAUERN«
sie die Sendung des Schaffens erfüllt haben.
Van Gogh und Münch stehen hier nebeneinan-
der wie Sendlinge zweier verschiedener Ele-
mentargeister, die voll Übermut in die Kunst
eingebrochen sind, um ihr herrliches Leben in
ihr auszuschäumen. Van Gogh kommt aus dem
Geist des Feuers und der Südsonne, Münch aus
dem Geist des Wassers und des Nordmeeres.
Bei Van Gogh ist die Hitze und das Brennen,
bei Münch die Kühle und das dämonische Wogen.
Von den frühen, pointillistischen (nun zu wun-
derbarer Vornehmheit zusammengewachsenen)
Schilderungen des Sonnenlichtes wird Van Gogh
weitergetrieben zu jenen späteren Landschaften,
in denen die Linien flackern und Bäume wie
brennende Fackeln stehen. Manchmal stürzt
das heiße Licht so heftig über die Dinge her,
daß es die Gestalt in einem fiebrigen Flimmern
verlöscht. Manchmal holt es die Farben und
Formen zu grellem Aufleben heraus und gibt
ihnen eine harte Bestimmtheit. Selten ist das
Licht bei ihm freudig und menschenfreundlich;
fast immer erscheint es als das übermächtige
Element, unter dem die Geschöpfe stöhnen und
sich ducken. Der Schrecken der Sonne ist
es, den Van Gogh wieder und wieder gemalt
hat. Wie ein salamandrisches Wesen hockt er
in dem Selbstbildnis von St. Remy unter dem
breitrandigen Strohhut, von Flammen umflackert,
und nicht zufällig gehen die Gedanken eines
Deutschen von diesen Bildern zu Hölderlin hin-
über, der in eben diesen Gegenden des süd-
lichen Frankreich „das gewaltige Element, das
Feuer vom Himmel" und „die traurige, einsame
Erde" gesehen hat und von dort das Gefühl nach-
hausebrachte, daß ihn „Apollo geschlagen" habe.
Von gleicher, elementarer Dämonie, doch
anderer, nordischer Herkunft ist das Werk
Edward Münchs. Erscheinen die Dinge bei Van
Gogh trocken und bis auf die Holzfaser ent-
saftet, so sind sie bei Münch vom Element der
Fruchtbarkeit und Sinnlichkeit wie Schwämme
vollgesogen. Er hat die hamsunische Freude am
Geschöpf, nur steht das Lebendige vor einem
gefährlicheren Hintergrund als bei dem Dichter.
Die Gestalten des Daseins scheinen bei ihm
oft über einer grundlosen, dunklen Tiefe zu
schweben. Man sieht Figuren bei ihm, die ge-
spenstisch in die Hintergründe hineinschmelzen,
eine stumme Drohung ist oft um sie gelagert.