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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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L. F.: Wiener Werkstätte
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Weiser, Armand: Bewusstes und Unbewusstes Schaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0270

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Bewußtes und unbewußtes Schaffen

So sind es die alten guten Geister, die hier
sprechen und die man, durch alle Geschmacks-
wandlungen des Zeitgeistes hindurch, in der
gesamten Arbeit der Wiener Werkstätte wirk-
sam sieht. Immer wieder ein glücklicher Ein-
fall, immer wieder eine neue, einschmeichelnde
Wendung. Dabei stets die Einstellung auf das
Gefällige und Liebenswürdige, manchmal durch
eine leichte Paradoxie gewürzt, aber stets über-
zeugend und anziehend........ l. f.



BEWUSSTES UND UNBEWUSSTES

SCHAFFEN
\ uch nicht der eifrigste Verteidiger des Glau-
ii bens an die Unbewußtheit des künstle-
rischen Schaffens wird behaupten wollen, daß
die Dichter ihre Werke unbewußt nieder-
schreiben. Das liegt einfach daran, daß sich
die Dichter der Sprache bedienen und Sprache
letzten Endes dasselbe ist wie tätiges Denken.
Unsere Wortsprache ist auf den Verstand und
seine Kausalität gegründet. Die Sprache der
Musiker, Maler und Plastiker, also jene der
Töne, Linien, Farben und Formen ist auf die
unmittelbare Empfindung gestellt, auf die Mo-
difikationen der Qualität, Intensität, Dauer und
Ausdehnung. Nun ist es allen Kunstkategorien
nicht um die Wiedergabe eines Wirklichkeits-
bildes, sondern um die Vermittlung einer seel-
ischen Stimmung zu tun. Die Sprache der Far-
ben, Töne und Formen gibt nun diese ursprüng-
liche Empfindung selbst, während die Wort-
sprache die Empfindung lediglich beschreibt,
also mehr oder weniger geschickt übersetzt und

damit verstandesgemäß faßlich macht. Dort
werden die Elemente unseres Geisteslebens
durch den Verstand geformt und in sinngemäße,
bedeutungsvolle Verbindung gebracht, hier, in
der Wortsprache, erzeugen fertige Begriffe auf
dem Wege der reproduzierenden Einbildungs-
kraft die verschiedenen Empfindungen. Die
sichtbare und hörbare Welt der Formen, Far-
ben, Töne und Linien spricht daher direkt zu
unseren Sinnen und wirkt unmittelbarer als die
Sprache, die erst durch Begriffe, Schlüsse und
Urteile die Vorstellungen wecken muß, welche
die gewünschten Empfindungen auslösen sollen.
So wie der Mensch für gewöhnlich in Worten
denkt, so denkt der Maler in Linien und Far-
ben, der Musiker in Tönen und der Plastiker
in Formen. Das bewußte Schaffen wird im all-
gemeinen erst als ein solches bezeichnet, wenn
es von den Reden einer logischen Sprache be-
gleitet wird. Nun gehört aber die Wortsprache
einer anderen Kategorie an, als die Sprache der
Maler und Musiker. Das, was der Verstand
und das Gefühl in Farben oder Tönen aus-
sprechen will, bedarf keiner anderen Begrün-
dung als jener, die in der Sprache der Farbe,
in der Sprache des Tones gelegen ist. Es ist
darum falsch, das Bewußtsein davon abhängig
zu machen, daß es nur durch die Wortsprache
zu uns spreche. In jeder Sprache, der Wort-
sprache, der Farbensprache, der Tonsprache
usw. läßt sich Oberflächliches undTiefes, Großes
und Gemeines ausdrücken. Jeder Grad von
Begabung, Erkenntniskraft und Vitalität läßt
sich aus ihnen erkennen...... dr. a. weiser.

»FRUCHTSCHALE« MESSING. AUSF: WIENER WERKSTÄTTE
 
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