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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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Däubler, Theodor: Die Internationale Kunstausstellung in Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0111

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BERNHARD KRETZSCHMAR

GEMÄLDE »ZUR REUNION«

DIE INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG IN VENEDIG

VON THEODOR DAUBLER

Da ich wohl die erste Kunstausstellung in
Venedig vor vierzig Jahren gesehen habe,
als die Ninetta von Eugen Blaas das höchste
Aufsehen erregte, kann ich von der fünfzehnten
sagen: das Niveau hat sich außerordentlich ge-
bessert; besonders in den letzten Jahren. Am
hervorstechendsten ist, daß nun die Franzosen
wissen, wer ihre großen Künstler sind. Sowohl
in Dresden, als auch in Venedig bekommt man
herrliche Werke von Edgard Degas zu sehen:
sein Familienbildnis, eine Leihgabe aus dem
Luxembourg in Paris, zeigt, wie herb und doch
glänzend farbig dieser große Künstler zu malen
begann. Das ist eine ganz persönliche Kunst:
ein strahlender Courbet steht vor uns. Lang-
sam erst fühlt man sich in die feinfühlige Art
Degas ein, endlich geht es einem auf: hier wird
etwas Schicksale noch inniger Deutendes auf-
geboten, als beim Meister des Leichenbegäng-
nisses zu Omans. Vollendeter, doch leider
durch Galerieton zu abgeschlossen, ist Degas
„Onkel und Neffe", aber besonders sein Por-
trät eines Mannes. Leider wird die gereifte
Maltechnik von einer allerdings persönlichsten
Virtuosität abgelöst. Ein Blumenstilleben von

Derain entfaltet alle Eindringlichkeiten dieses
modernen Künstlers. Kaum ein Bild kenne
ich von ihm, in dem sich sein so gefestigtes
Wesen freier ausspräche. Von Vuillard über-
rascht uns auch jetzt noch ein spätimpressioni-
stisches Bild, in welchem die beseelte Feinheit,
die großmeisterliche Malart, ausgezeichnet zu
Tage tritt. Matisse ist glücklicherweise dies-
mal gut vertreten: nur ein Bild, doch wie voll
von Klangkraft ist diese beinahe durchsichtige,
flächenhafte Vorführung von Farbenakzenten !
Eigentümlich: in der Musik sucht man heute gar
viel Dissonanzen, die sich zu keiner Assonanz
emporranken, bei Matisse bewundern wir eine
Kunst, in der die Farbe zu ihrer höchsten Rein-
heit, Ungebrochenheit geführt worden ist. Auch
die Kollektion Utrillos ist ausgezeichnet. Sinn-
licher erfaßt uns Dufy; ergreifend wie keiner
bleibt aber Vlaminck. Noch viel ließe sich
über Frankreichs Künstler sagen, doch wir
müssen uns mit den Italienern beschäftigen.

Vor allem eine Bemerkung über die Sonder-
schau der Werke Segantinis. Er, der Seher
der Gebirgswelt, mit ihren einfachen beseligten
Reizen, lebt heute noch unter uns. Sein Werk
 
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