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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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Däubler, Theodor: Die Internationale Kunstausstellung in Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0112

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ist so stark, daß wir uns mit dem Urheber noch
wirklich verbunden fühlen. Um den Italienern
von heute gerecht zu werden, müssen wir etwas
Psychologie treiben, ein paar Worte Kunst-
geschichte einflechten.

Dante hat uns das theokratische Kaisertum
gedichtet: für das Mittelalter eine freiheitliche
Vorstellung. Goethe ist im hohen Sinn Politiker
gewesen, nur haßte er das Geschnatter um
Fragen des Tages. Man hat ihn darin mißver-
standen ; seine Worte gegendas „Politische Lied"
sind einem angeheiterten Spießbürger im Auer-
bachkeller in den Mund gelegt. Victor Hugos
liberalem Pathos ist lange Gefolgschaft geleistet
worden: als die Republik wieder eingerichtet
worden war, fiel man vom „Phrasendrescher"
ab. Die Impressionisten sind unpolitisch,
bestenfalls sozial eingestellt gewesen. Bei
David, Gericault, Delacroix, Daumier
stritten sich die Gemeinden der verstorbenen
Künstler um die Kunstwerke, und begannen

über den Inhalt, die Darstellungsart allzusehr
betonend, ganz hinwegzusehen. Theophile
Gautiers berühmtes Vorwort zur „Mademoi-
selle Maupin", das in der „L'art pour l'art"
formuliert worden ist, hat, über Frankreichs
Grenzen weit hinaus, jahrzehntelang überzeu-
gend gewirkt. Nicht Italiens Künstler, doch
seine Dichter sind immer stark politisch ein-
gestellt gewesen. Wir meinen dies im unver-
blümten Sinne, denn im letzten Grund politisch
ist selbstredenderweise beinahe jeder geistig
schaffende Mensch. Denken wir also an Alfieri,
Foscolo, sogar Monti und Pindemonte, an
den verhaltenen, doch schmerzlichst-konserva-
tiven Manzoni! Leopardi, der größte Lyriker
Italiens im vorigen Jahrhundert, trauert, weint
über seines Vaterlandes Verfall und seine Zer-
rissenheit und wagt es kaum, auf rettende Zeiten
zu hoffen. Guerazzi, Massimo d Azeglio
haben die vaterländische Überlieferung Mac-
chiavellis und Guicciardinis fortgeführt.
 
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