Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

DOI Artikel:
Breuer, Robert: Lob des Bildes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0352

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
AUGUSTE RENOIR

» URTEIL DES PARIS«

LOB DES BILDES

VON ROBERT BREUER

Die Bilderstürmer gehen um. Sie predigen,
daß es barbarisch sei, die klare Schönheit
der Fläche durch willkürlich aufgehängte Fremd-
körper, durch baumelnde Anhängsel, durch na-
turalistische Illusionen, durch irgendein Stück
Landschaft oder ein Menschenkonterfei zu ver-
derben. Sie spotten über die kitschige Senti-
mentalität, die Abstraktion des abgegrenzten
Raumes durch ausgestopfte Wirklichkeit zu be-
unruhigen ; sie verhöhnen den Mangel an archi-
tektonischer Logik, die Wand zu durchstoßen,
anzubohren, aufzubrechen. Die Bilderstürmer
sagen, daß das Bild ein Loch in der Wand sei,
eine Gleichgewichtsstörung, eine Sprengpatrone
im architektonischen Mikrokosmos.

Es ist sinnlos, sagen die Bilderstürmer, den
Wohnraum, dessen Aufgabe es sei, fest bestimm-
ten Zwecken zu dienen, mit störendem Überfluß
zu belasten. Ebenso wenig, wie ein vernünftiger
Mensch sein Auto mit Seerosen bepinseln ließe,
ebensowenig gehöre das Bild eines Waldes oder
eines Flußlaufes an die Wand des Zimmers. Auch
das Zimmer sei Maschine, Wohnmaschine. Säch-
lichkeit, Konstruktion, präzise Rechnung, Hy-

giene, technische Vollkommenheit, bequeme Ge-
brauchsmöglichkeit, gute Verhältnisse der Wand
zu den Öffnungen, der Höhe zur Tiefe, klarer
Rhythmus, stimulierende Farbgebung: das seien
die Tugenden des Zimmers. Jede Zutat sei vom
Übel, lenke ab, verletze optisch und intellektuell
das asketische Formgefühl des modernen Men-
schen. Die Bilder an den Wänden seien die
Feinde des Raumes, sagen die Bilderstürmer.
Der Raum sei das Absolute. Bilder beleidigten
seine Majestät. Auch die Wand sei ein Abso-
lutes. Bilder zerhackten sie und brächten Will-
kür in die Ordnung, die der Baumeister schuf.
Darum : keine Bilder, keine Zufälligkeiten, keine
individuellen Einfälle, keine undisziplinierten
Liebhabereien, keine Indiskretionen der Seele,
keinen Naturgeruch, nichts Jenseitiges. Viel-
mehr: in Konzentration und harter Klarheit die
Diesseitigkeit, das Fürsichsein, die Allgegen-
wart des flächig umgrenzten Raumes. Gestattet
ist, wenn es schon sein muß, eine Betonung der
Funktionen, des Umschließens, des Tragens,
des Sichausbreitens ; gestattet: eine Symbolik
der Proportionen, der Profile, der Farben. Das
 
Annotationen