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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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Griesser, Paul: Vom wohlgebauten Wohngerät
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0053

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PROFESSOR PAUL GRIESSER

»SCHREIBTISCH UND SCHREIBSTUHL«

VOM WOHLGEBAUTEN WOHNGERÄT

Aller Streit um „Stil" bleibt sinnlos und un-
XY. fruchtbar, so wir nicht zurückstreben zu
der Wurzel, aus der die Form entkeimt.
Menschliches Tun ist Ausdruck der Seele,
menschliches Werk Ausdruck des Werksinns,
im Wirken sich erfüllende Gesinnung.

Was uns an Zeugnissen vergangener Blüte-
zeiten des Handwerks, des „Bauenden" in
Stein, in Holz entzückt, ist das Selbstver-
ständliche, das aus „Zweck" Gewordene.
Das „so und nicht anders" der zweckvoll ge-
stalteten Dinge ist es, was wir das „Schöne",
das ästhetisch zu „Bejahende" nennen.

Wir müssen auch das Wohngerät wieder
"bauen" lernen, es nicht nur spielerisch auf

dem Reißbrett „konstruieren". Das Wohngerät,
das Möbel im Raum, muß „gebaut" sein, muß
geboren werden in der Selbstverständlichkeit
seines Verwendungszweckes. Das gilt nicht nur
der handwerklichen Präzision des Tischlers, es
gilt in erster Linie der schöpferischen Vorarbeit
des Architekten. Nicht vom „Dekorativen"
gehe er aus, sondern lediglich von der prak-
tischen Verwendbarkeit. Nicht daß ein Bücher-
schrank „gut an der Wand stehe", daß er dem
eigentlichen Zweck, der „Unterbringung von
Büchern" genüge: darauf kommt es an. Ein
Stuhl ist auch kein bloßes Zierstück. Sein
„Schönheits"-Wert erwächst vielmehr aus sei-
ner einladenden Geste zu bequemem Sitzen.

• Oktober 1920. <s

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