Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

DOI article:
Bertelsson, Alexander: Vom künstlerischen Bewusstsein
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0060

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Vom künstlerischen Bewußtsein

professor paul griesser

»schlafzimmer im hause sch.«

trachten. Was die Künstler über die Natur ge-
sagt haben, das entdeckt schließlich die Masse
in ihr. So ist es denn tatsächlich so, daß die
blauen Schatten, die roten Nebel, die grünen
Himmel so lange nicht existierten, bis sie durch
die Künstler sichtbar gemacht wurden. Jetzt
entdeckt sie jedermann allenthalben.

Die Werke großer Künstler sind weder über
der Natur noch Nachahmungen der Natur. Es
ist töricht angesichts bedeutsamer Kunstwerke
zu fragen, ob Natur in ihnen sei oder nicht, denn
sie offenbaren ja erst die Natur. Weil nun die
sichtbaren Formen des Weltbildes keine positiv
Seienden, Nachzuahmenden, Abzubildenden
sind, wird ein Künstler mit reichem künstleri-
schen Bewußtsein garnicht auf den Gedanken
kommen, die Natur objektiv-sachlich abschrei-
ben zu wollen. Darum ist auch der Ruf nach
Sachlichkeit töricht, weil man von der irrigen
Ansicht ausgeht, die Künstler brauchten nur die
Augen aufzutun, ihre Erlebnisse und Anschau-
ung sachlich und in Treue wiederzugeben, und
das Kunstschaffen würde in bedeutungsvollere
Bahnen gelenkt werden. Was nützen diese Be-
strebungen, wenn die Künstler, die sie vertre-

ten, in der Natur nur das sehen, was alle Men-
schen sehen? Welch einen Zweck hat es denn,
bloß Sprachrohr fremder Absichten zu sein?

Der geniale Künstler tut zwar auch nichts
anderes als nur wahrnehmen — aber seine
Wahrnehmungssphäre ist eine andere als die des
Durchschnitts, sie ruht im künstlerischen Eigen-
bewußtsein. Sobald ein solcher Künstler seinen
Weg erkannt hat, wird er nichts anderes tun
können, als Variationen auf dieses einzige Thema
schaffen, das einmalig und allein in seiner Wahr-
nehmungssphäre, in seinem Bewußtsein ruht;
alle seine Werke werden nur Manifestationen
dieses seines Bewußtseins sein. Dieses Bewußt-
sein (auf den Reichtum und Wert dieses Be-
wußtseins kommt es an) kann nur das hervor-
bringen, was in ihm liegt — deshalb ist auch
das künstlerische Bewußtsein nicht von der
sichtbaren Natur abhängig, sondern die Natur

vom künstlerischen Bewußtsein....... a. b.



Die Technik ist im Kunstwerk nur Mittel zum
Zweck. Sie ist das Handwerk in der Kunst,
und das soll der Künstler lernen, — gerade
um nicht Handwerker zu sein. . hans v. marees
 
Annotationen