Heroische Auffassung der Kunst
VALLY
WIESELTHIER
IiLUMENVASE
gesichert und befestigt sah. Noch heutigen
Tages weist die Herkunft des Wortes „Tech-
nik" (von techne = Kunst) auf die ursprüng-
liche Gemeinsamkeit und Würdigkeit alles eigent-
lich „menschlichen" (d. h. Menschlichkeit stiften-
den) Tuns hin.
Inzwischen hat sich die Kunst von der Tech-
nik, sogar vom Handwerk getrennt. Sie ist
selbständig geworden. Aber ihre menschliche
Bestimmung hat sie nicht verloren, ihre Bestim-
mung, die Welt für den Menschen zu schmücken
und zu deuten, sie für ihn faßlich und bewohn-
bar zu machen. Und umgekehrt deutet nichts
schärfer auf die Kulturkrise, in der wir stehen,
als der Umstand, daß wir eine monologische
Kunst besitzen, die den Menschen völlig ver-
gessen zu haben scheint. Vielfach konnten wir
in den letzten Jahrzehnten beobachten, daß
sich die Kunst geradezu gegen den Menschen
kehrte. Sie zerriß seine Welt, statt sie ihm
schön vor Augen zu stellen. Sie begab sich in
den Dienst sprengender Kräfte, statt dem Leben
zu dienen. Sie übte scharfe Kritik am Men-
schen, statt seine Lebensgeister zu beflügeln.
Es wäre an der Zeit, daß die Kunst unsrer
Tage sich wieder auf ihren alten, hohen Beruf
besänne. Aus Freude am Leben sollte der
Künstler schaffen, nicht aus dem Leiden daran.
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VALLY
WIESELTHIER
IiLUMENVASE
gesichert und befestigt sah. Noch heutigen
Tages weist die Herkunft des Wortes „Tech-
nik" (von techne = Kunst) auf die ursprüng-
liche Gemeinsamkeit und Würdigkeit alles eigent-
lich „menschlichen" (d. h. Menschlichkeit stiften-
den) Tuns hin.
Inzwischen hat sich die Kunst von der Tech-
nik, sogar vom Handwerk getrennt. Sie ist
selbständig geworden. Aber ihre menschliche
Bestimmung hat sie nicht verloren, ihre Bestim-
mung, die Welt für den Menschen zu schmücken
und zu deuten, sie für ihn faßlich und bewohn-
bar zu machen. Und umgekehrt deutet nichts
schärfer auf die Kulturkrise, in der wir stehen,
als der Umstand, daß wir eine monologische
Kunst besitzen, die den Menschen völlig ver-
gessen zu haben scheint. Vielfach konnten wir
in den letzten Jahrzehnten beobachten, daß
sich die Kunst geradezu gegen den Menschen
kehrte. Sie zerriß seine Welt, statt sie ihm
schön vor Augen zu stellen. Sie begab sich in
den Dienst sprengender Kräfte, statt dem Leben
zu dienen. Sie übte scharfe Kritik am Men-
schen, statt seine Lebensgeister zu beflügeln.
Es wäre an der Zeit, daß die Kunst unsrer
Tage sich wieder auf ihren alten, hohen Beruf
besänne. Aus Freude am Leben sollte der
Künstler schaffen, nicht aus dem Leiden daran.
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