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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

DOI Artikel:
Schürer, Oskar: Internationale Kunstausstellung Dresden 1926, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0102

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Internationale Kunstausstellung Dresden 1926

JOSEF EISERZ—MÜNCHEN

GEMÄLDE » FAHRENDES VOLKc

Weithaitigkeit, die „überwältigt". Immerhin —
gegenüber Schmidt-Rottluff hat er eine erstaun-
liche Entwicklung durchgemacht und schließlich
überragt er auch Kirchner, der heute ganz in
Farbtönen baut, dabei aber seinen tiefsten Reiz
des Morbiden, hochgeistig Tastenden verloren
hat. Nolde ist sich gleich geblieben. Tief und
schwer. Heckeis Besänftigungen überzeugen
nicht recht. Pechstein steht nicht in der ersten
Linie. Und sie alle, diese „Brückeleute", lassen
heute kühl. Von der ehemaligen Münchener
Avantgarde bleiben schöne Erinnerungen in dem
edlen Marc, von dem die bezeichnendsten
Stücke hier hängen, in dem farbstrotzenden
Macke und Weisgerber, den Toten. Auch
Lehmbruck, der Bildhauer, ist hier einzureihen.
Es lebt noch Paul Klee, der seine erlesenen
Entdeckungen im Augenseelenland weiter trägt.
Kandinsky, der Russe, ist von subjektiver Ab-
straktion zu objektiv gesetzhafter vorgeschritten
— was sein ganz auf Sentiment gestelltes Schauen
nicht verträgt.

Aber all dies ist nicht die eigentliche deutsche
Malerei von heute. Das Schwergewicht hat sich
verlagert: Vom expressionistischen fort zum
plastisch Referierenden. Das Kernig-Harte treibt

vor: ein Beckmann, mit seiner Schroffheit,
die doch von tief malerischer Farbigkeit zittert
und immer überzeugender seine Form findet,
ein Hof er, mit seiner brünstigen Melancholie,
über der doch ein unerbittlicher Formwille fas-
ziniert, Kanoldt mit seinem klaren, gehärteten
Sehen („Stilleben mit Kakteen" und „Halb-
akt"!). Bei Dix ist man begierig, wohin es
mit ihm geht. Sollten es wirklich nur Ressenti-
ments gewesen sein, die ihn vorgetrieben haben
in seine erregenden Äußerungen? Seine „Heim-
liche Romantik" (s. den gleichnamigen Aufsatz
im Septemberheft von „Deutsche Kunst und
Dekoration") wagt sich zuweilen ganz offen
hervor wie auf dem Kinderbildnis Seite 103,
das an Runge nicht nur anklingt.

In diese schärfende Richtung einer neuen
Wirklichkeit entgegen zielt noch viele Jugend.
Einer Formel entzieht sich das neue Wollen
noch durchaus. (Das Schlagwort von der „neuen
Sachlichkeit" ist Unsinn!) Immerhin — hier
spürt man die treibenden Kräfte. Sehr stark
z. B. beidemjungenDresdnerBernh. Kr etzsch-
mar, in dessen aufrichtigem Realismus der kon-
struktive Bau des Bildes völlig eingeschmolzen
ist, dessen Farben zwingend die einfach gesehe-
 
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