LEANDER ENGSTRÖM—STOCKHOLM
NATUR UND
Ein Verhältnis, das oft viel zu wenig beachtet
wird, ist das von Natur und Architektur.
Es gibt Architekturen, die die Natur steigern,
die als Pointen und Akzente der landschaft-
lichen Struktur wirken und es gibt Architek-
turen, die ihre stärksten Wirkungen im Kon-
trast zur Landschaft erreichen. Innerhalb der
ersten Gruppe, die hier einmal die akzen-
tuierende Architektur genannt sei, gibt es
solche, die das formale Prinzip des Baues auf
die Landschaft überträgt, die also die Natur
künstlerisch umgestaltet, das ist die architek-
tonische Norm des Barocks; seine klassische
Formulierung erfährt dieser Grundsatz in der
französischen Gartenkunst des achtzehnten Jahr-
hunderts, in der die sämtlichen formalen Ele-
mente der Architektur, ins Landschaftliche trans-
poniert, wiederkehren. Im Gegensatz dazu
steht jene Baugesinnung, die den landschaft-
lichen Charakter, so wie er sich naturgewachsen
präsentiert, auf die Gebäude übertragen will;
es ist das romantische Ideal, wie es als Reak-
tion gegen die klassische Baukunst des Rokoko
»ITALIENERINNEN AM BRUNNEN«
ARCHITEKTUR
um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts
in England auftrat und wie es namentlich in
Deutschland Anklang fand, so, daß — wie in
Nymphenburg etwa — französisch geplante
und angelegte Gärten im Prinzip des „Englischen
Gartens" umgestaltet wurden. Als Beispiel
dieser romantisch akzentuierenden Architektur
sind natürlich auch die deutschen Burgen des
Mittelalters zu nennen, und wer einmal den
hoch über die Lahn emporsteigenden Limburger
Dom gesehen hat, der weiß, wie dieses im
tiefsten Sinn deutsche Bauideal auch auf die
kirchliche Architektur eingewirkt hat. Dem
gegenüber tritt die kontrastierende Archi-
tektur viel seltener auf; sie findet sich in
Deutschland indessen ziemlich häufig bei den
Wallfahrtskirchen des achtzehnten Jahrhunderts,
und jeder, der Oberbayern und Oberfranken
kennt, hat den mächtigen Reiz verspürt, den
in den Hochebenen zwischen Donau und Alpen
die herrlichen Wunder der Rokokokirchen Do-
minikus Zimmermanns, an den sanften Ab-
hängen des Maintales zwischen Bamberg und
XXX. Dezember 1926. 3
NATUR UND
Ein Verhältnis, das oft viel zu wenig beachtet
wird, ist das von Natur und Architektur.
Es gibt Architekturen, die die Natur steigern,
die als Pointen und Akzente der landschaft-
lichen Struktur wirken und es gibt Architek-
turen, die ihre stärksten Wirkungen im Kon-
trast zur Landschaft erreichen. Innerhalb der
ersten Gruppe, die hier einmal die akzen-
tuierende Architektur genannt sei, gibt es
solche, die das formale Prinzip des Baues auf
die Landschaft überträgt, die also die Natur
künstlerisch umgestaltet, das ist die architek-
tonische Norm des Barocks; seine klassische
Formulierung erfährt dieser Grundsatz in der
französischen Gartenkunst des achtzehnten Jahr-
hunderts, in der die sämtlichen formalen Ele-
mente der Architektur, ins Landschaftliche trans-
poniert, wiederkehren. Im Gegensatz dazu
steht jene Baugesinnung, die den landschaft-
lichen Charakter, so wie er sich naturgewachsen
präsentiert, auf die Gebäude übertragen will;
es ist das romantische Ideal, wie es als Reak-
tion gegen die klassische Baukunst des Rokoko
»ITALIENERINNEN AM BRUNNEN«
ARCHITEKTUR
um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts
in England auftrat und wie es namentlich in
Deutschland Anklang fand, so, daß — wie in
Nymphenburg etwa — französisch geplante
und angelegte Gärten im Prinzip des „Englischen
Gartens" umgestaltet wurden. Als Beispiel
dieser romantisch akzentuierenden Architektur
sind natürlich auch die deutschen Burgen des
Mittelalters zu nennen, und wer einmal den
hoch über die Lahn emporsteigenden Limburger
Dom gesehen hat, der weiß, wie dieses im
tiefsten Sinn deutsche Bauideal auch auf die
kirchliche Architektur eingewirkt hat. Dem
gegenüber tritt die kontrastierende Archi-
tektur viel seltener auf; sie findet sich in
Deutschland indessen ziemlich häufig bei den
Wallfahrtskirchen des achtzehnten Jahrhunderts,
und jeder, der Oberbayern und Oberfranken
kennt, hat den mächtigen Reiz verspürt, den
in den Hochebenen zwischen Donau und Alpen
die herrlichen Wunder der Rokokokirchen Do-
minikus Zimmermanns, an den sanften Ab-
hängen des Maintales zwischen Bamberg und
XXX. Dezember 1926. 3